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IV. Begrenzungen

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Begrenzungen ergeben sich allgemein aus dem Subsidiaritäts- und dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzip. Die drei Fälle des Koppelungsarrestes (Unrechts- und Folgenverdeutlichung, Nr. 1, Herausnahme aus einem schädlichen Lebensumfeld und Vorbereitung auf die Bewährungszeit durch Behandlung im Jugendarrestvollzug, Nr. 2, nachdrücklichere erzieherische Einwirkung und Schaffung besserer Erfolgsaussichten für eine erzieherische Einwirkung in der Bewährungszeit, Nr. 3) müssen erforderlich, geeignet und angemessen sein. Der Gesetzgeber verlangt in § 16a ausdrücklich, dass sie jeweils „geboten“ sein müssen. So ist „Arrest neben Jugendstrafe“ nicht geboten, wenn Leistungen der Jugendhilfe zur Verfügung stehen, um die angestrebten Zwecke (speziell bei Nr. 2 und Nr. 3) zu erreichen. In der Gesetzesbegründung werden die Teilnahme an einem sozialen Trainingskurs (§ 10 Abs. 1 Nr. 6) bzw. an einer sozialen Gruppenarbeit (§ 29 SGB VIII) oder an einer intensiven sozialpädagogischen Einzelbetreuung (§ 35 SGB VIII) genannt, die einen Arrest nach § 16a Abs. 1 Nr. 3 als nicht erforderlich und damit entbehrlich machen. Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung über Tag und Nacht (Heimerziehung, § 34 SGB VIII) hat ebenfalls Vorrang. Sie darf zwar nach § 8 Abs. 2 S. 1 nicht neben Jugendstrafe angeordnet werden, bei freiwilliger Inanspruchnahme oder einer Entscheidung im familiengerichtlichen Verfahren erübrigt sich aber ein Arrest nach § 16a.

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Der Koppelungsarrest muss nicht nur erforderlich, sondern auch geeignet sein, um das durch § 16a konkretisierte allgemeine Ziel des § 2 Abs. 1 zu erreichen, speziell i.S. einer erfolgreichen Bewältigung der Bewährungszeit. Diese Voraussetzungen (beschleunigte Vollstreckung des Jugendarrestes, durch § 87 Abs. 4 S. 2 auf drei Monate nach Rechtskraft verkürztes Vollstreckungsverbot und ein erzieherisch gestalteter und damit geeigneter Arrestvollzug) sind in der zutreffenden Formulierung von Müller-Piepenkötter/Kubink ZRP 2008, 176, 178 „Kriminologische Grundbedingungen eines Erfolg versprechenden Modells eines Warnarrestes“. So muss bei der Umsetzung der bundesrechtlichen Regelungen der §§ 16a, 90 der landesrechtliche Jugendarrestvollzug in Gesetzgebung und Praxis berücksichtigt werden (insoweit nicht im Grundsatz, aber im speziellen Fall abweichend von Erl. § 5 Rn. 14). Ausdrücklich verlangt die Gesetzesbegründung zu § 16a, dass das Jugendgericht bei seiner Entscheidung über die Arrestanordnung prüfen muss, ob eine behandlungsorientierte Gestaltung des Arrestvollzuges zu erwarten ist. Zur Eignungsbeurteilung gehören dabei auch Aspekte eines geeigneten und angemessenen Übergangsmanagements und eine Anschlussbetreuung durch Jugend- bzw. Bewährungshilfe nach Entlassung aus dem Jugendarrestvollzug (BT-Drucks. 17/9389, 12). Ein entsprechender Arrestvollzug muss tatsächlich und begründet zu erwarten sein.

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Das Jugendgericht muss sich infolgedessen vor der Arrestanordnung mit dem Gesetzesstand des Jugendarrestvollzugsgesetzes des zuständigen Bundeslandes und seiner Umsetzung in die Arrestvollzugsgestaltung vertraut machen und die Geeignetheit überprüfen. In den bislang veröffentlichten Urteilen ist eine Auseinandersetzung mit den Begrenzungen nicht erkennbar, vielleicht aber auch weil es sich um als solche nicht kenntlich gemachte abgekürzte Urteile gemäß § 267 Abs. 4 StPO, handelt (AG Reutlingen ZJJ 2014, 177 m. krit. Anm. Eisenberg; AG Dillingen ZJJ 2014, 38 m. krit. Anm. Sonnen; LG Münster, AG Nürnberg, AG Plön, AG Döbeln ZJJ 2013, 323-333 m. krit. Anm. Eisenberg).

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Bei den schon verabschiedeten Jugendarrestvollzugsgesetzen oder in den Entwürfen der Bundesländer lassen sich im Hinblick auf den Koppelungsarrest drei Modelle unterscheiden:

Durch Zurückdrängung des Sanktionscharakters zugunsten eines Konzeptes von Förderung und Erziehung hält das JAVollzG NRW eine eigene Regelung für § 16a nicht für erforderlich. Dagegen enthält das geltende Bbg JAVollzG 2014 in § 13 eine spezielle Regelung für den „Jugendarrest neben Jugendstrafe“. § 13 Abs. 1 regelt die durchgehende Betreuung durch die zuständige Bewährungshelferin oder den zuständigen Bewährungshelfer während des Arrestes und auch bei der Planung und Einleitung nachsorgender Hilfen. § 13 Abs. 2 betrifft den sog. Herausnahmearrest und gestattet Kontakte zu Personen des sozialen Umfeldes, wenn keine schädlichen Einflüsse zu befürchten sind. Bei einem Arrest nach § 16a Abs. 1 Nr. 3 erfolgt im Vollzug gemäß § 13 Abs. 3 „eine besonders intensive pädagogische Einwirkung auf den Jugendlichen“. Einen dritten Weg sieht das HmbJAVollzG vom 29.12.2014 (in Kraft seit 1.1.2015) vor, in dem nach dem allgemeinen Ziel des Jugendarrestes für den „Jugendarrest neben einer Jugendstrafe“ in § 2 Abs. 2 das Ziel, die Jugendlichen auf die Bewährungszeit vorzubereiten und die Erfolgsaussichten für eine erzieherische Einwirkung in der Bewährungszeit zu verbessern, verankert wird. Verbunden ist diese ausdrückliche Zielbestimmung für den § 16a-Arrestvollzug mit dem „Konzept des stationären sozialen Trainings im Jugendarrest“.

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Der Unrechts- und Verdeutlichungsarrest nach § 16a Abs. 1 Nr. 1 ist im Normalfall nicht geboten, wenn der Jugendliche sich schon längere Zeit in Untersuchungshaft befunden oder früher bereits einen Dauerarrest verbüßt hat (§ 16a Abs. 2). Im Hinblick auf die Zielsetzung sollte das in der Regel auch für eine schon verbüßte Jugendstrafe gelten, auch wenn der Gesetzgeber diesen Fall nicht ausdrücklich erwähnt. Weitere Begrenzungen ergeben sich aus dem Schuldüberschreitungsverbot, bezogen auf die Gesamtheit der verhängten Rechtsfolgen. Dem trägt der Gesetzgeber in dem neuen § 26 Abs. 3 S. 3 – Anrechnung des § 16a-Arrestes auf Jugendstrafe – und in den entsprechenden Regelungen der §§ 30 Abs. 1 S. 2, 31 Abs. 2 S. 3 und 61b Abs. 4 S. 3 Rechnung.

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Zeitliche Grenzen des Vollzuges des Jugendarrestes ergeben sich aus § 87 Abs. 4. Wenn Unrecht verdeutlicht und eine erfolgreiche Bewährungszeit eingeleitet werden soll (so war die Bezeichnung als „Einstiegsarrest“ zu verstehen) bedarf es eines zeitnahen Vollzuges. Daraus erklärt sich die gegenüber § 87 Abs. 4 S. 1 auf drei Monate nach Rechtskraft verkürzte Frist, nach deren Ablauf der Vollzug nicht mehr begonnen werden darf, § 87 Abs. 4 S. 2. Der Arrestvollzug nach § 16a sollte möglichst den Anfang des Bewährungsverfahrens bilden. Wegen der „kaum vermeidbar schädlichen Nebenwirkungen des Vollzuges“ (so der Gesetzgeber) würden positive Entwicklungen während der schon laufenden Bewährungszeit gefährdet werden. Begonnene Vollstreckungen können auch nach Ablauf der Dreimonatsfrist noch abgeschlossen werden. Noch nicht verbüßter Jugendarrest wird in den Fällen der §§ 26 Abs. 1, 30 Abs. 1 S. 1 und 61a Abs. 1 nicht mehr vollstreckt, weil es anderenfalls nach Widerruf oder Ablehnung der Aussetzung zur Bewährung und Verhängung der Jugendstrafe zu einer Doppelbestrafung käme.

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