Читать книгу Deutschlands freier Fall - Hermann Rochholz - Страница 13

Оглавление

Technische „Spielverderber“

Im Folgenden werden zunächst Beispiele aufgeführt, an denen man ersehen kann, dass im jeweiligen Bereich Sachverstand notwendig ist, um darüber zu berichten bzw. sie dann zu bewerten.

An weiteren Beispielen wird gezeigt, dass vermeintliche Nebensächlichkeiten ganze Konzepte zu Fall bringen können.

Beidem kann man nur mit Wissen und Kompetenz begegnen.

Windkraftanlagen

Dieser Abschnitt wendet das Kapitel „Die letzten Prozente – Reduzierung der Verluste“ auf Windkraftanlagen an.

Die effizientesten Windkraftanlagen erreichen an bestimmten Betriebspunkten einen Gesamtwirkungsgrad von 50 % (inklusive aller elektrischen und mechanischen Verluste). Etwa 59 % sind maximal möglich, wie der Wissenschaftler Betz bereits 1919 errechnete. Dies ist die physikalische Grenze; mehr ist nicht möglich. Somit haben diese Anlagen faktisch einen Wirkungsgrad gegenüber dem maximal möglichen von 0,50/0,59, was etwa 83 % entspricht. Das ist verflixt gut.

Die Presse berichtet, dass neue Windkraftanlagen entwickelt worden wären, „die 2-3-mal so effizient seien“. Ingenieure, die diese bis Dato entwickelten, wären gemäß diesen Mitteilungen ignorant und dumm.

Wenn man aber momentan bis zu 83 % Wirkungsgrad erreicht, würde „Doppelt so effektiv“ einen Wirkungsgrad von 166 % bedeuten.

Elektroroller

Elektroroller, bereits thematisiert, gelten als „innovativ“: Ein Jugendlicher schraubte einen Motor an einen Roller und montierte Akkus. Vor einigen Jahren hob die Marketingzeitung „Brand Eins“ den Jugendlichen „Erfinder“ in den Himmel. „Jung“ und „innovativ“ werden heutzutage synonym verwendet. Das bedient ein „Schubladendenken“.

Bei einem Fahrrad weiß man, dass man einen Überschlag machen kann, wenn man zu fest die Vorderbremse zieht. Das ist bei einem Roller schlimmer, da der Radstand (also der Abstand von Vorder- und Hinterrad) kürzer ist. Ein Artikel über diese Roller war in einer „Autobild“ von 2019 zu finden. Diese beauftragte die DEKRA, den Bremsweg mehrerer Modelle zu messen: Die meisten E-Roller haben aus 20 km/h einen Bremsweg von 4 Meter. Daraus kann man die Verzögerung berechnen: Sie beträgt dabei nur 3,9 m/s2 und ist etwas besser als halb so groß wie bei einem Fahrrad.6 Elektroroller passen also nicht ins aktuelle Verkehrsgeschehen, da sie nicht dem Stand der Technik entsprechen.

Bezeichnend ist ein Artikel der ADAC Motorwelt [63], der über volle drei Seiten über diese Elektroroller berichtet. Er erwähnt insbesondere die hohe Unfallzahl der Benutzer. Die Verzögerung von 3,9 m/s2, die Zahl, die Relation zum Stand der Technik herstellen würde und die Hauptursachen darstellt, findet keine Erwähnung.

Man hätte auch vor der Zulassung die Probleme prüfen können, die andere Länder haben (Israel) oder aus Zeiten der Inline-Skates übertragen können: Als diese modern waren, wurden an jedem schönen Tag eines Wochenendes in jede Klinik einer Großstadt 10 Handgelenksfrakturen eingeliefert.

Ich greife vor: Weswegen wurden diese Roller dennoch im Straßenverkehr zugelassen? Das hat mehrere Gründe: Zunächst will man die Jugend auf die Seite der Politik bringen. Auch weiß man, dass die „Energiewende“ nicht funktionieren kann. Politisch nicht korrekte Fakten darf man heutzutage aber nicht mehr kommunizieren: In diesem Falle wird jeder, auch die Politik, von der Presse „zerrissen“. Also beugt man sich dem Druck. Damit hat man zudem einen Schauplatz, mit dem man der Öffentlichkeit demonstrieren kann, dass man „Umweltschützer“ ist. „Elektro“ hört sich gut an und ist „politisch korrekt“.

Kostenintensive Handgelenksoperationen sind aber kein „Umweltschutz“, sondern kontraproduktiv: Diese Unfallopfer werden einem Glauben, also einer „Meinung“, und in Konsequenz auch dem Machterhalt der jeweiligen Partei geopfert.

Raumtransporter

Vor 30 Jahren gab es ein europäisches Forschungsprojekt als Konkurrenz zum Space Shuttle. Es nannte sich „Sänger“ und bestand aus einer Unterstufe, die als Flugzeug bis in 30 km Höhe fliegen sollte. Darauf saß der „Horus“, der sich mit Raketenantrieb in dieser Höhe abtrennen und ins All fliegen sollte. Sänger sah aus wie ein spitzes Dreieck und war flach. Unten waren die Triebwerke ähnlich wie bei der Concorde angebracht.

Sänger musste immer mit genau einem Anstellwinkel geflogen werden, damit die Triebwerke Schub liefern, den Ingenieure auf die dritte Stelle hinter dem Komma ausgerechnet hatten. Sagen wir, es wäre 8,735° gewesen. Der Anstellwinkel ist der Winkel, den die Längsachse des Flugkörpers und die Strömung zueinander haben. Mit diesem wurde das Sänger-Projekt über mehrere Jahre lang weiterentwickelt. Ein Professor sagte dazu, es wären „Rechenorgien“ gewesen.

Dann kam ein Ingenieur auf die „dumme“ Idee, zu fragen, wie genau man diese 8,735° einhalten kann. Gar nicht! Denn ein Flugzeug fliegt nie geradeaus, sondern immer leicht Hochtief-Hochtief. Dies nennt sich „Phygoide“. Jeder Flugzeugingenieur lernt dies im Studium im Fach „Flugmechanik“. Das ist ähnlich, wie wenn man mit dem Fahrrad durch den Schnee fährt und sieht, dass man immer leicht Zickzack fährt. Geradeaus ist unmöglich.

Damit lieferten die Triebwerke keinen Schub mehr und das Sänger-Projekt war „gestorben“. Das hängte man nicht an die große Glocke, aber man ließ es einschlafen. Es war ein wenig peinlich.

Kohlefaser-Beton

Er galt vor wenigen Jahren als große Innovation: Man gibt Kohlefasern, die man klein geschnitten hat, in Beton und erhält einen Beton, der nicht nur druckfest, sondern auch zugfest ist. Dabei sollte man aber wissen, dass faserverstärkter Beton nichts Neues ist. Bekannt waren zu diesem Zeitpunkt Metallfasern und (spezielle) Glasfasern. Aus glasfaserverstärkten Beton kann man sogar dünnwandige Boote bauen.

Nun hatte man Kohlefasern in den Beton gemischt. Das funktioniert sicher hervorragend, hat aber einen großen Nachteil: Kohlefasern sind etwa 5 Mal so teuer wie Glasfasern. Damit wäre es sinnvoller, doppelt so viel Glasfasern unterzumengen, um die gleichen Materialeigenschaften zu erreichen. Somit widerspricht dieser Beton den Grundlagen des Maschinenbaus: Beton ist ein billiger Werkstoff, Kohlefasern sind sehr teuer. Es ist aber sinnlos, billige und teure Dinge zu kombinieren, denn die Nachteile des billigen Werkstoffes (Beton) können durch die Vorteile des teuren Werkstoffes (Kohlefasern) nicht aufgewogen werden.

Seit der Preisvergabe hat man von dem Material auch nichts mehr gehört. Die Erfahrung zeigt, dass sich leider mittlerweile auch Profis von Dingen wie „Kohlefasern“ beeindrucken lassen. Es steht synonym für „Hightech“. Kostenbewusst denkende Leute versuchen übrigens, Hightech-Materialien so weit wie möglich zu vermeiden, denn sie verlangen meist große Kompromisse. Was nicht bedeuten soll, dass sie überall überflüssig sind.

Ellenbogenschützer und Stadt-Fahrradrahmen

Auch bei Ellenbogenschützern kam man auf die „Idee“, sie aus reinem kohlefaserverstärktem Kunststoff zu bauen, um „innovativ“ zu sein. Dieses Material ist aber schlagempfindlich, es splittert fast wie Glas. Auch hier wird „Kohlefasern = toll = innovativ“ gesetzt.

Fahrradrahmen von Stadtfahrrädern bekommen oft Stöße oder Schläge. Kohlefaserverstärkter Kunststoff geht dabei kaputt, indem er „delaminiert“. Aber es kommen auch Leute auf die Idee, Stadtfahrräder mit Kohlefaserrahmen zu bauen. Für einen solchen Unsinn gibt es nämlich Forschungsgelder.

Zusammenfassung der „Spielverderber“

Die Beispiele stellen dar, dass ein Projekt oder eine neue Idee noch so vielversprechend sein kann: wenn die Physik ein einziges „schlagendes“ Argument hat, das zeigt, dass die Sache nicht funktioniert, muss man es hinnehmen. Es können Argumente sein, an die sogar Profis nicht denken, obwohl es zu deren Grundlagenwissen gehört, da dieser Aspekt im konkreten Fall nicht in Betracht gezogen wird. Es ist also nicht so wie im normalen Leben, in dem man gewisse Probleme und Schwierigkeiten umgehen kann.

Es gilt in dieser Hinsicht:

Physik ist rücksichtslos.

Mit Physik kann man nicht verhandeln.

Hier helfen auch keine guten Absichten.

Bei den Ellenbogenschützern hätte man Aramid-Fasern beimischen müssen, wie es sehr wahrscheinlich auch in der Formel 1 bei den Monocoque-Schalen gemacht wird, die die Fahrer bei Unfällen schützen.

Bei Kohlefaserbeton macht die Kostenrechnung einen Strich durch die Rechnung. Ansonsten sieht man interessanterweise, dass bei diesen technischen Dingen die Psychologie bzw. das „positiv Denken“ bzw. „Visionen“ einer vernünftigen Lösung oft im Wege steht (vgl. Ref. 128).

Genau das, also das „positiv denken“ wird heutzutage in den Himmel gehoben. Das nutzt aber nichts, wenn dem Naturgesetze entgegenstehen.

Ein Kapitel mit ähnlichen Beispielen sind im Buch auf Ref. 105 dargestellt. Dort werden u. A. „Visionen“, die gerade durch die Presse geistern, kritisch betrachtet. Sie werden scheitern, was man bereits heute gesichert sagen kann: Denn der Grund des Scheiterns liegt außerhalb der Vorstellung der Konstrukteure und teilweise in anderen Bereichen: Es fehlt am umfassenden Blick und an der Einsicht, dass Technik nicht nur das eigene Spezialgebiet darstellt. Überall hat das „monokausale Denken“ Einzug gehalten.

Deutschlands freier Fall

Подняться наверх