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Die Vorstellungskraft

Für die Bewertung von Sachtatbeständen ist menschliche Imagination interessant: Vieles kann man sich vorstellen, vieles nicht. Man kann sich vorstellen, dass man mit einem Raumschiff zum nächsten Stern reist. Raumschiff Enterprise gab einen Eindruck. Dies ist aber nicht möglich. Genauso verhält es sich mit Überlichtgeschwindigkeit.

Im Gegensatz dazu kann man sich die Strecke eines Lichtjahres nicht vorstellen. Wobei das komplette Sonnensystem nur einen Lichttag Durchmesser hat. Schon dieser ist unvorstellbar. Diese Größenordnung ist für einen Astronomen völlig normal. Das bedeutet aber nicht, dass diese sich die Strecken vorstellen können.

Einen Krieg kann sich auch niemand vorstellen, zumal die meisten Deutschen noch nie eine Waffe in der Hand hatten, die einen Hinweis auf die Zerstörungskraft eines Projektils gäbe. Für sie ist Krieg und die damit verursachten entsetzlichen Leiden etwas Abstraktes und nichts Vorstellbares: Vor wenigen Jahren „verlangte“ ein Journalist in einer Talkrunde eine „militärische Intervention“ (der positive Begriff für Krieg) gegen Russland. Frau Krohne-Schmalz kommentierte mit erstarrtem Gesichtsausdruck. Wenn man den Kriegsdienst verweigerte, kann man scheinbar leichter Krieg fordern. Paradox, oder?

Als die Bundeswehr in den Einsatz nach Afghanistan geschickt wurde, konnte man sich nicht „vorstellen“, dass dort Minen eingesetzt werden. Ganz sicher ist es traumatisch, die Folgen dieser fehlenden Vorstellungskraft zu sehen. Und frustrierend, wenn man weiß, dass es vermeidbar gewesen wäre.

Ähnliches gilt für einen Strom-Blackout. Hier funktionieren schon elektrische Garagentore nicht, sodass man Schwierigkeiten hat, mit dem Auto das Haus zu verlassen. Zunächst fällt das Telefon (Das Internet ist tot) und nach 2 bis 4 Stunden die Handymasten aus. Ausfallende Ampeln führen zu Unfallserien, aber der Krankenwagen kann nicht gerufen werden. Produktionsbänder stehen still und Maschinen während der Fertigung teurer Teile bleiben stehen. Melkmaschinen werden nicht mehr gehen, das Vieh wird sterben und Ölheizungen benötigen Strom, um Öl zu pumpen. Fällt der Strom länger aus, platzen Heizungen. Denn ein Blackout wird zunächst bei Kälte auftreten, da dann mehr Strom benötigt wird. Das war im Juni 2019 in Südamerika der Fall, denn dann ist dort Winter und viele heizen elektrisch. Krankenhäuser sind nur noch per Notstromaggregat handlungsfähig. Lifte und Seilbahnen bleiben mittig stehen. Die Rettungshubschrauber kann man aber nicht mehr betanken, da die Pumpen für das Kerosin elektrisch sind. Da der Funk ausfällt, dürfen sie ohnehin nicht mehr starten. Deshalb muss man davon ausgehen, dass Menschen indirekt ums Leben kommen werden.

„Spiegel Online Historie“ berichtet über den Stromausfall 1977 [41] in New York, bei dem Plünderer und Brandstifter durch die Stadt zogen. An sozialen Brennpunkten kann man dies erwarten.

Das stellt einige wenige Konsequenzen dar. Nicht, um Angst zu schüren, sondern um eine praktische Vorstellung der Folgen zu bekommen. Ein Risiko ist vorhanden und man sollte überlegen, ob man es eingehen will. Bei Atomunfällen macht man es (sinnvollerweise) selbstredend, bei einem Blackout (sinnloserweise) nicht.

Dieses Kapitel stellt dar, dass die Bewertung von Dingen völlig unabhängig davon ist, ob man sie sich vorstellen kann oder nicht. Denn man neigt dazu, Dinge als „falsch“ oder „nicht möglich“ zu bewerten, weil man sie sich nicht vorstellen kann. Von dieser Vorgehensweise sollte man sich trennen, denn damit ist keine neutrale Diskussion möglich.

Konsequenzen

Aus der Summe der „Kleinigkeiten“ in allen Bereichen kann man zu dem Schluss kommen, dass „die Sache“ gegen die Wand fährt.

Island hat eine Staatsinsolvenz durchgezogen, was relativ reibungsfrei ging. Denn Isländer haben durch ihre heißen Quellen keine Energieprobleme. Bei ihnen wachsen Bananen in Gewächshäusern.

Für diesen Fall des Zusammenbruchs der Energieversorgung fehlt ein Auffangsystem, da die Gesellschaft dafür nicht vorbereitet ist: Ähnlich wie bei der Zulieferung von Automobilfirmen „just in time“: Liefert ein kleiner Zulieferer eine einzige wichtige Schraube nicht, stehen alle Bänder. Dieser Fall ist im System nicht vorgesehen.

Bezüglich Energie handelt es sich in Deutschland also um ein vulnerables System, in Island nicht. Die Auswirkungen sind in Gänze deshalb schwierig vorherzusehen.

Deutschlands freier Fall

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