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Die „gute alte Zeit“

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Vor geraumer Zeit las ich von einer Journalistin: „Früher war eigentlich alles Bio“. Meine damals recht ungelenke Antwort war: „Frauen prügeln war Standard, Tiere hat man gestreichelt?“

Könige starben damals an ihren schönen roten und grünen Tapeten. Die Farben waren Quecksilbersalze in Verbindung mit Blei oder Kupfer. Irgendwann erkannte man, dass diese leuchtenden Farben giftig waren. Dann setzte man sie als Insektizid und Fungizid ein.

Waschen von Kleidung war eine Herausforderung. Man wusch mit Seife und einem Waschbrett. Das ist ein Ding mit einem Blech in der Mitte, das Zickzack gefaltet war. Ein irrer Aufwand für die Hausfrau.

Vor weniger als 60 Jahren nahm man einen radioaktiven Strahler und oben einen Schirm. Dort stellte man Fuß inklusive neuer Schuhe herein und konnte direkt sehen, wie viel Platz die Zehen im Schuh haben. Das war nicht im Krankenhaus, sondern im Schuhgeschäft. Es war Fortschritt, wenn man die Passform der neuen Schuhe sofort sehen konnte.

Vor 50 Jahren aß man ein Schnitzel und hatte sich dieselbe Hormondosis „gegeben“, wie bei einer Anti-Baby-Pille.

Es gab keine Nikotinamide gegen Insekten und kein Glyphosat. Rauchen war nicht gesundheitsschädlich. „Greife lieber zur HB – dann geht alles wie von selbst“ war die Devise. Beri-Beri war in aller Munde (deswegen sollten wir immer „Vollkorn“ essen), Palmin schloss die Poren, Skorbut wurde durch Vitamin-C-Mangel ausgelöst und Omo ging durch den Knoten. All dies übrigens „angeblich“.

Auch „Innovationen“ gab es noch keine. Sie nannten sich „Fortschritt“. Früher schritt man voran, heute macht man alles neu.

Wikipedia gibt her, dass noch im Dritten Reich Kartoffelsorten angebaut wurden („Vorwärts“), die rund zehnmal so viel Solanin, das Gift des Nachtschattengewächses hatten, wie die heutigen. Die Zeit war deswegen so gut, da man weniger Gift spritzen musste, denn das Gift war in den Kartoffeln. Kleiner Nachteil: Man aß 1 kg Kartoffeln und war tot. Rudolf Steiner sagte: „Kartoffeln essen macht dumm“.

Da man solche Dinge wusste, kam niemand auf die Idee, so etwas zu tun. Essen war dazu da, Kalorien in den Körper hineinzubekommen. Im Gegensatz zu heute, wo wir, um einem Schönheitsideal hinterherzujagen, Kalorien vermeiden.

Es gab keine vernünftigen Medikamente. Frauen ging es schlimm: Sie starben im Kindbettfieber oder deren Kinder oder beide zusammen.

Viele Menschen starben an Syphilis, die im letzten Stadium faktisch in einer Demenz endet. Das erste wirksame Medikament dagegen nannte sich „Salvarsan”. Es war eine Mischung aus Schwermetallen. Die Farbwerke Hoechst stellten das Gift während des Zweiten Weltkriegs her. Dort musste man als Anwohner die Fenster schließen und alles war mit gelbem Staub bedeckt. Auch gab es viele Seuchen und Kinderkrankheiten, durch die man bleibende Schäden hatte oder starb. Buchdruckerlettern waren aus Blei. Deshalb starben Buchdrucker an Bleivergiftung. Gesüßt wurde mit Bleizucker. Autos hatten noch bis vor 45 Jahren verbleites Benzin. Wasserleitungen waren auch aus Blei, was aber relativ unkritisch war. In der Nähe von Hochöfen war der Staub hingegen rot.

Pflanzen wurden mit Exkrementen gedüngt. Dass diese giftig sein können, weiß man. EHEC lässt grüßen.

Da man keine Insektengifte hatte, hatte jedes Haus eine Insektenplage mit Kakerlaken und ähnlichen Insekten. Fenster waren offen – Scheiben hatte nur die Oberschicht. Das englische Wort „Window“ stammt vom „Wind-Auge“; es war zur Lüftung, damit man beim Heizen nicht an Kohlenmonoxidvergiftung starb. Wie erwähnt, hatte auch Kant Ungeziefer im Studierraum und sicher auch im Bett. Es würde interessieren, wie viele Leute es mit Arachnidophobie, also Spinnenangst gab. Beinahe hätte ich „Arachidophobie“ geschrieben. Nein: Erdnüsse waren in Europa unbekannt.

Um beim Thema zu bleiben: Die alten Eisenbahnen wurden von einer schönen Dampflok gezogen. Die Fahrt darin war früher ganz ramontisch – Entschuldigung – romantisch. Wenn man davon absieht, dass viele Heizer auf den Loks dumm waren, da sie eine kontinuierliche Kohlenmonoxidvergiftung hatten (Tunneldurchfahrten…). Noch im Dezember 1952 kamen durch Smog in London 12 000 Menschen ums Leben

Romantische Beziehungen waren in früheren Jahrhunderten unüblich. Die „romantische Liebe“ wurde von der Dicht- und Theaterkunst sowie von den Medien gefördert. Die Ehe war ein Zweckbündnis und hatte nur in Ausnahmefällen etwas mit „Liebe“ zu tun. Man zeugte Kinder, die einen im Alter ernähren mussten.

Etwa um das Jahr 1240 verzeichnete man 5 Trockenheiten in Deutschland in einer Weise, wie es 2018 war. Davon zeugen „Hungersteine” in Flüssen, die in diesem Jahr erstmals wieder zu Tage traten. LKWs und Wasserleitungen gab es nicht. Tausende starben an Hunger, zuerst ließ man die Alten verhungern und dann die Kinder. Überlebende waren für ihr Leben gezeichnet.

Etwa um das Jahr 1600 gab es dagegen eine Kälteperiode. Die Sonne hatte das „Maunder-Minimum“. Das Resultat war der 30-jährige Krieg. Der Auslöser dieses Krieges mag der Prager Fenstersturz gewesen sein und unterschiedliche politische und religiöse Zielsetzungen innerhalb und außerhalb des damaligen Reichsgebiets, aber die Ursache waren sicher auch Völkerwanderungen, die aufgrund der Kälte ausgelöst wurden. Die Bevölkerung wurde als Folge von Kriegseinwirkung und den damit verbundenen Seuchen, Hungersnöten und tollwütigen Wölfen derart dezimiert, dass man an keine Erholung glaubte.

Im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation gab es keine Badeeinrichtungen. Im Mittelalter existierten gemeinschaftliche Badestuben im städtischen Bereich, die aus sittlichen und hygienischen Gründen wieder geschlossen wurden. Selbst in Barockschlössern musste man nach Badeeinrichtungen suchen. Es waren die hohen Zeiten für Parfümmacher. Dem einfachen Bürger in Stadt und Land blieb der Holzzuber. Italienreisende waren dort wegen ihres Körpergeruchs nicht wohl gelitten. Duschen waren noch nicht erfunden.

Gingen Bauer und die Bäuerin in die Kirche, kamen sie vom Feld und marschierten teilweise Stunden. Deshalb stank es in den Kirchen. Zur Abhilfe verbrannte der Pastor Weihrauch. Die gesellschaftliche Elite konnte sich damals schon einiges leisten. Die amerikanischen Ureinwohner hatten übrigens dieselbe Methode, als die spanischen Seeleute in Amerika einfielen und tödliche Krankheiten mitbrachten.

Im wirtschaftlichen Bereich arbeiteten die meisten Leute auf dem Feld oder in der Viehzucht. Ein Bauer versorgte etwa 5 Personen. Sozialversicherung gab es keine und Kindergärten auch nicht.

Schon damals gab es „Schreikinder“. Während die Eltern auf dem Feld arbeiteten, musste man sie ruhig stellen. Vermutlich hat man einige auch festgebunden. Gängig war auch eine andere Methode: Man steckte ihnen einen Bier- oder Opiumschnuller in den Mund. Hochwirksam und selbst nach heutigen Maßstäben sicherlich „Bio“.

Im Bildungsbereich wurde die Schulpflicht zu Beginn des 19ten Jahrhunderts eingeführt. In der Schule gab es mehrklassigen Frontalunterricht. Der Rohrstock war das Mittel der Wahl, um Schülern Disziplin und Lehrstoff beizubringen. Das war die damalige „Pädagogik“.

Bis zur Einführung der Spurensicherung durch den genetischen Fingerabdruck (DNA-Nachweis) konnte man bis vor wenigen Jahren viele Straftäter, insbesondere Sexualstraftäter, nicht überführen.

Nun zur schlimmen heutigen Zeit und ihrem „Plastikmüll“.

Deutschlands freier Fall

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