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Ein strammes Programm

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Der Tagesablauf war genau geregelt und gestaltete sich mit wenigen Ausnahmen in ungefähr dieser Reihenfolge:

6.40 Uhr: Appell
7.00 Uhr: Frühstück
7.45 Uhr: Hausarbeiten (Abwasch, Esszimmer aufräumen, Böden, Treppen, Etagen inklusive Waschräume und Toiletten reinigen, Tische aufstellen für Schulbetrieb, je nach Bedürfnis auch wieder zusammenklappen und verräumen. Räume lüften, Gemüse für das Mittagessen rüsten, spezielle Aufträge. Zwischendurch noch das Reinigen unserer Zimmer, für das wir selbst verantwortlich waren.)
8.30 Uhr: Persönliche stille Zeit mit der Bibel und Gebet
9.15 Uhr: Schulstunde (Der Unterricht umfasste: Bibelstudium, christliche Glaubenslehre, Kirchen- und Heilsarmeegeschichte, Predigtlehre und deren praktische Anwendung, Methoden der Heilsarmee, Organisation der Heilsarmee und Verwaltung.)
9.55 Uhr: Teepause
10.15 Uhr: Schulstunde
10.45 Uhr: Schulstunde
11.45 Uhr: Tisch decken, später servieren und abräumen
12.00 Uhr: Mittagessen. Anschließend Mittagspause für die einen, abräumen, abwaschen, abtrocknen und Geschirr verräumen für die diensthabenden Gruppen.
13.30 Uhr: Schulstunden oder Gestaltung des Nachmittags nach speziellem Plan
Das Abendprogramm konnte Singstunden beinhalten, persönliches Studium, ein Einsatz außer Haus oder Sonstiges.

Wir wurden in alle Hausarbeiten – außer beim Kochen und Waschen – miteinbezogen. Hin und wieder hielten wir einen Gottesdienst im Freien ab, nahmen Kontakt mit den Zuhörern auf, sangen ab und zu in den Restaurants und beteiligten uns auch zwei Mal an den Sammlungen von Haus zu Haus. Wir machten auch während einer Woche ein Praktikum in einem der verschiedenen Sozialwerke, die zur Arbeit der Heilsarmee gehörten, sei es in einem Hilfsposten, einem Kinder-, Mädchen-Frauen- oder Männerheim. Im Vordergrund aber stand der Schulbetrieb mit seinen verschiedenen Unterrichtsfächern, inklusive Prüfungen und Bewertungen.

Freie Zeit war eher rar und musste gelegentlich dringenden Anliegen geopfert werden. Für mich war sie besonders kostbar, weil ich sie mit Peter verbringen durfte. Dafür hatten meine Mitkadettinnen mehr Zeit, um Persönliches zu erledigen oder sich auch mal aufs Ohr zu legen. Tagsüber sahen Peter und ich uns meist nur von Weitem und wir grüßten uns dann stumm. Gespräche mit den Männerkadetten waren ohnehin nicht gestattet – es sei denn, es ging um berufliche Belange. Diese Regelung war nicht immer leicht zu verkraften, doch wussten Peter und ich, dass sich dies irgendwann ändern würde. Zu jener Zeit galten ja auch in staatlichen Institutionen und Lehranstalten in der Schweiz ganz allgemein viel strengere Regeln als heute. Das Internat der Heilsarmee war hier also nichts Außergewöhnliches.

Bei jeder Gelegenheit wurde gesungen und musiziert im Hause. Gesang erfüllte auch während der Hausarbeiten die Räume. Unsere gesanglich und musikalisch begabte Zusammensetzung der Schüler erlaubte es, im Laufe der Monate vier Kassetten mit beliebten Liedern herauszugeben, drei auf Deutsch und eine auf Französisch. Jeder der „Soldaten Jesu Christi“ war willens, zum guten Gelingen des Aufenthaltes beizutragen.

Was ich als Kind aus den Bergen nun in der Stadt oft sehr vermisste, war die freie Natur. Meine Kindheit hatte ich mehr draußen als im Inneren eines Gebäudes zugebracht. Ich hätte als eine Art Halbwilde bezeichnet werden können und tat mich jetzt schwer, über längere Zeit ohne frische Luft auszukommen. Nicht dass es am regelmäßigen Lüften gefehlt hätte – wir sperrten die Fenster bisweilen weit auf –, aber es kam meist nur mehr oder weniger verbrauchte Stadtluft herein. Das war überhaupt nicht zu vergleichen mit einer würzigen, frischen Brise aus den Bergen. Die Männer hatten die Gelegenheit beim Schopf gepackt und joggten frühmorgens auf einem Waldweg zur Aare hinunter, um sich mit frischer Luft für den Tag einzudecken. Warum wir Frauen das nicht fertigbrachten? Dazu hätten wir wohl früher aufstehen müssen. Ich nahm allerdings jede Gelegenheit dankbar an, das Haus verlassen zu dürfen oder mit anderen Leuten zusammenzutreffen.

Bibel, Blech und Gottvertrauen

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