Читать книгу Bibel, Blech und Gottvertrauen - Hildi Hari-Wäfler - Страница 20
Die Hochzeit
ОглавлениеMeine drei Wochen Brautferien verbrachte ich in Adelboden bei meiner Mutter. Dort konnte ich in aller Ruhe die Hochzeit vorbereiten. Eine lustig-ernste Episode kam noch dazwischen. Meine neue Uniform, die ich nur gerade an der Aussendungsfeier getragen und dann wieder sorgfältig eingepackt und beiseitegelegt hatte für meinen großen Tag, wies zwei, drei, kleine Löchlein am Ärmelansatz auf, die mit bloßem Auge kaum sichtbar waren. Zum Glück gab es eine begabte Kunststopferin, die den Schaden beheben konnte. Ihr Einkommen war stets auch ein wenig vom Werk der Motten abhängig. Das Glück unserer Ehe würde allerdings nicht von solchen Äußerlichkeiten abhängen. Es fiel Peter und mir nicht schwer, in der Heilsarmeeuniform zu heiraten. Sie war unser Ehrenkleid, und meine weiße Schärpe setzte einen besonderen Akzent.
Peter war vor der Hochzeit schon seit einiger Zeit in „La Résidence“ in Lausanne tätig gewesen, einem Wohnheim für obdachlose Männer und ein Aufenthaltsort für Passanten und Asylbewerber. Peter hatte sich einmal spaßhaft geäußert, er würde in den ersten drei Jahren am liebsten alle sechs Monate den Arbeitsplatz wechseln, um an möglichst vielen Orten Einblick zu erhalten. Sein Wunsch schien sich tatsächlich zu erfüllen. Er hatte zuerst in der Offiziersschule den Sommer über nach dem Rechten gesehen und vertrat zu Beginn des neuen Kurses einen Offizier, der aus London erwartet wurde. Dann sprang er als Krankheitsvertretung im Heilsarmeekorps in Thun ein, stand als Verantwortlicher der kleinen Gemeinde in Bärau vor, kam von dort als Assistent in eine große Gemeinde in Bern und war inzwischen wieder „Lückenbüßer“ in Lausanne, wo das Leiterehepaar auch mit gesundheitlichen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Gehörte er wohl zu den Leuten, die man überall einsetzen oder eventuell auch nirgends brauchen konnte? Ich war guten Mutes, würde ich ihm nach der Hochzeit doch für einige Monate nach Lausanne folgen.
In den letzten Tagen vor der Hochzeit tobte ein Föhnsturm durchs Tal und riss einige Hausdächer weg. Voller Dankbarkeit stellten wir fest, dass unser Dach den Naturgewalten widerstanden hatte.
Dann brach ein wunderschöner Samstagmorgen an. Tags zuvor hatte es unaufhörlich geschneit und die ganze Natur in Weiß gehüllt. Nun strahlte die Sonne in der ganzen Kraft, die sie vier Wochen vor Weihnacht noch aufzubringen vermochte. So vieles war diesem Tag vorausgegangen und nun sollte das Warten auf meinen Bräutigam ein Ende haben, sollte die Liebe zur Erfüllung kommen. Ich war sicher, dass wir einander für immer angehören würden und nur der Tod uns würde trennen können. So fiel es mir dann auch nicht schwer, Peter vor versammelter Gemeinde im bis auf den letzten Platz gefüllten Saal der Heilsarmee mein Ja-Wort zu geben. Unser ehemaliger Schulleiter Oberst Silfverberg und seine Gattin übernahmen die Trauung. Kinder streuten Blumen, sangen Lieder, sagten Gedichte auf, die Brassband gab ihr Bestes. Unverhofft platzte ein einstiger Postkollege von Peter mit Telegrammen mitten in die Veranstaltung und verlangte an Ort und Stelle eine Unterschrift von ihm. So war für Abwechslung gesorgt.
Abends feierten wir ausgiebig mit rund 100 geladenen Gästen im Jugendhaus der Heilsarmee im Stiegelschwand. Mein Patenonkel hatte es sich nicht nehmen lassen, ein Kalb zu mästen und dieses nebst anderen Beilagen zum Menü beizusteuern. Die Köchin vom Hotel Hari im Schlegeli fand in der Zwischensaison Zeit, uns mit einem Festessen zu verwöhnen, und eine ehemalige Schulkollegin legte tüchtig Hand an in der Küche. Die hübsch dekorierten Tische mit selbstgebastelten Segelschiffchen als Tischkärtchen und Gestecken aus vielfarbigen Geranienblüten, die sorgfältig vor dem einsetzenden Frost gerettet und für diesen speziellen Anlass aufbewahrt wurden, gaben dem Ganzen ein festliches Gepräge. Alt und Jung wetteiferten bis in die frühen Morgenstunden, um mit selbst gestalteten, persönlichen Beiträgen zum Programm beizutragen. Der Vielfalt waren keine Grenzen gesetzt.
Hochzeit am 24. November 1962.