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21: Sankt Martin und der Pfarrer:

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Es ist der 11.11. und somit der Tag des St. Martin von Tours. Der wurde im Jahr 316, in Sabaria, im heutigen Ungarn, geboren. Sein Vater war hoher Offizier beim römischen Heer. Martin wurde ebenfalls römischer Reitersoldat und soll eines Tages, vor den Toren von Amiens, seinen Mantel, mit dem Schwert zerteilt haben, um das Teilstück einem frierenden Bettler zu überlassen. Später ist Martin dann aus dem Heer ausgeschieden und zum Christentum übergetreten. Martin lebte als Eremit, am Rande der Stadt Poitier, bevor er unter einem Vorwand nach Tours gelockt wurde. Als er dort ankam wurde er zum Bischof gewählt. Der Sage nach soll er noch versucht haben die Wahl zu verhindern, indem er sich versteckt hatte, doch sollen Gänse, mit lautem Geschrei, sein Versteck verraten haben. Aus diesem Grunde gibt es auch traditionell Gänsebraten am 11.11. eines jeden Jahres. Eigentlich sollte man sich für die Hilfe der Gänse bedanken, doch wie dies so oft bei der Menschheit der Fall ist, äußert sich diese Dankbarkeit sehr seltsam: Durch das jährliche Schlachten der wachsamen Helfer.

Martin gründete das Kloster in Tours, sowie weitere Klöster im Land: Er blieb 27 Jahre lang Bischof. Im Jahr 397 ist dann Bischof Martin verstorben. Weil Martin so viel für die Bevölkerung gemacht hatte, wurde er vom Merowingerkönig Chlodwig I. zum Schutzheiligen des Frankenreiches ernannt. Eine Prämisse seines Handelns war: Teilt das was Euer ist und gebt denen die wenig, oder nichts haben.

Wir Katzen begrüßen ausdrücklich diesen Ansatz und so war ich am 11.11. bestrebt dem Schachspieler Igor, der wirklich nur das notwendigste zum Essen hat, etwas für seinen Magen zu organisieren. Igor kommt aus Russland, ist ein ausgemergeltes, schmales Männchen von etwa 1,50 Meter Größe. Mit ausgelatschten Halbschuhen, einem alten, unmodernen Anzug und einem abgewetzten Mantel ist er oft in der Schachecke, im Stadtpark und duelliert sich schachtechnisch mit den besten Spielern im Umkreis. Als Einsatz wird etwas Geld angeboten und Igor gewinnt praktisch immer, weil er so viele Schachzüge, im Voraus, vorhersieht und ausführt. Das gewonnene Geld schickt er dann nach Russland, wo der Rest seiner Familie lebt.

Was liegt eigentlich näher als die Grundvoraussetzungen: Hilfe für meinen Freund Igor und den Tag von Sankt Martin zusammenzuführen? Und wer müsste wohl mehr Verständnis für die geschichtlichen Ereignisse, die Nächstenliebe und das Teilen haben, als unser ortsansässiger, protestantischer Pfarrer? Deshalb bin ich zur Mittagszeit in Richtung des Pfarrhauses, am Rand des Marktplatzes geschlichen und durch das Fenster in die Küche des Pfarrhauses gelangt. Die Ehefrau des Pfarrers ist wohl in einem anderen Raum und so kann ich mich kurz umschauen: Eine moderne Küche mit vielen Fächern um die Gewürze zu lagern. Schränke für Töpfe, Pfannen, Besteck und Teller und ein eingebautes, gut gefülltes Weinregal. Die chromblitzenden Herde haben insgesamt 6 Flächen, auf denen Essen erhitzt werden kann. Ein großer Backofen, in dem sogar ein Truthahn Platz hätte, wurde ebenfalls nicht vergessen. Auf einer Herdplatte brutzeln in der Pfanne zwei Gänsekeulen vor sich hin. Auf einem Beistelltisch ist ein weiterer Teller, auf dem sind nochmals zwei Gänsekeulen, die noch etwas dampfen, aber schon fertig gebraten sind. Ich springe auf diesen Tisch und nehme für den armen, hungrigen Igor, eine saftige, kross angebratene und gekochte Gänsekeule aus dem Teller, zwischen meine Zähne. In diesem Moment kommen der Pfarrer und seine Ehefrau ins Zimmer, blicken mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund zu mir und schauen mir zu, wie ich mit der Gänsekeule seelenruhig den Raum, wieder durchs Fenster verlasse. Da ich das Fleisch in meinem Mund trage, kann ich mich miauend nicht bedanken, doch das mache ich mit einem aufrecht stehenden und schwingenden Schwanz, denn ich will mich neben meinem Dankeschön, auch noch rasch in Richtung des Stadtparks machen, damit der arme Igor an diesem Tag noch eine warme Mahlzeit einnehmen kann.

Warum in den Pfarrer und seine Frau dann so plötzlich Bewegung gekommen ist und sie mir ein Hackebeilchen und einen Teller nachgeworfen haben, kann ich Euch nicht sagen. Aber ein Gedanke schwirrt mir doch durch den Kopf: Dieser Pfarrer ist wirklich ein seltsamer Heiliger. Sanftmut predigen und dann Teller und sogar ein Beil nach mir schmeißen. Erstaunt haben mich diese Wurfhandlungen dennoch, denn heißt es nicht immer: „Geben ist seliger denn nehmen“? Auch das Gezeter, die Drohungen und die wütenden Schimpfkanonaden, kann ich nicht nachvollziehen, denn lehrt uns nicht der Herr die Sanftmut und das begütigende Wort? Ist es nicht so, dass ein jeder die Last des anderen tragen soll?

Jetzt nehme ich sogar dem Pfarrer diesen Weg ab, einem wirklich Hungrigen Speise vorbeizubringen und was ernte ich mal wieder als Dank? Wie sagt es so schön ein polnisches Sprichwort: „Die Dankbarkeit ist in den Himmel aufgestiegen und hat die Leiter mitgenommen“! Als ich mich nochmals umblicke ist der wütende Pfarrer aus seinem Haus gekommen und hat mir, mit seiner Faust gedroht. Zuerst überlege ich ob ich zurück rennen soll um dem Kerl einige Pfotenhiebe überzubrennen, damit er wieder zum Thema Demut zurückfindet, aber dann würde in der Zwischenzeit die Gänsekeule für Igor kalt werden. Zudem: Der Pfarrer läuft mir ja nicht davon, denn ich weis wo er wohnt. Der hungrige Igor ist jetzt wichtiger. Also noch einen Laufgang draufsetzen, in den Stadtpark düsen und Igor die Keule hinstrecken. Mit Tränen in den Augen wird die gemeinsame Gabe des Pfarrers und mir von ihm genommen und heißhungrig gegessen. Das erinnert mich an Goethe, der in „Das Göttliche“ geschrieben hat: „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut, denn das allein unterscheidet ihn von allen anderen Wesen, die wir kennen“. Nach dem Essen hat Igor noch eine Partie Schach mit mir gespielt, die er wieder eindrucksvoll gegen mich gewonnen hat. Den Pfarrer habe ich mir aber zur Wiedervorlage vorgemerkt! Warte nur Freundchen, jetzt mache ich schon deine Arbeit: Gebe den Hungernden und Bedürftigen, verteile den Überfluss der sich in deinem Haus angehäuft hat, und du wirfst mit einem Beilchen nach mir. Du bist so was von vorgemerkt, du darfst dich schon heute auf meine Antwort freuen – mit Zins und Zinseszins!

Zum Schein: Sanftmut und Friede predigen, aber Kriegsbeile werfen - erinnert mich irgendwie an die Weltpolitik.

Conn: Happy Years

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