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02: Frau Spritzer:

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Ob der tatsächliche Name von Frau Spritzer, auf Frau Müller, Maier oder Schulze lautet, interessiert in Tierkreisen wahrlich kein Schwein. Sie hat einfach den Namen Frau Spritzer von der Gemeinschaft der Vögel und vierbeinigen Lebewesen „verliehen“ bekommen. Es ist kein Ehrennamen, denn Frau Spritzer ist eine Tierhasserin und sie spritzt mit Hilfe eines Gartenschlauches sowohl Vögel, als auch Katzen von Bäumen und Mauern ihres Grundstückes. Ihr Grundstück ist in weiten Teilen mit Beton und Knochensteinen bedeckt und nur an wenigen Stellen sind grüne Vegetationsinseln vorhanden. Vögel mag die Frau nicht, denn die machen bereits früh am Morgen Krach und die Exkremente der Flugkünstler gelangen auch einmal auf den Boden oder eine Fensterscheibe. Hunde mag sie nicht, denn die Bellen und verschmutzen die Bürgersteige der Stadt, außerdem sind sie unhygienisch. Katzen mag sie auch nicht, denn die sind vorwiegend nachts unterwegs und in der Paarungszeit sehr laut. Es wundert mich dann auch nicht, dass Frau Spritzer auch keine Menschen mag, aber das beruht wohl auf Gegenseitigkeit, auch wenn sich das soziale Umfeld bemüht dies zu verheimlichen.

Wenn es irgendwie geht versucht man ihr nicht auf der Straße zu begegnen. Sollte man zur gleichen Zeit aus der Haustüre herauskommen, versuchen die Nachbarn so zu tun, als wenn sie etwas in ihrer Wohnung vergessen hätten, und deshalb nochmals dringend zurückmüssten. Eine andere Strategie ist, angeblich das Telefon im Haus gehört haben zu wollen und deshalb sofort wieder in die Wohnung zurückkehren zu müssen, obwohl man in Wirklichkeit nur noch ein Handy hat, und das hat man einstecken.

Wenn Frau Spritzer streng ihre Umgebung unter ihrer Brille heraus betrachtet, ist sie sehr auf Gewissenhaftigkeit bedacht. Fahrzeuge, auch der direkten Hausnachbarn, werden rigoros den Behörden gemeldet, wenn sie falsch parken, oder beispielsweise bei einem Umzug zu lange vor Häusern stehen. Das gleiche rigorose Verhalten legt sie an den Tag, wenn Einkäufe auszupacken sind, oder Koffer und andere Utensilien für ein verlängertes Wochenende oder einen Urlaub eingeladen werden.

Frau Spritzer kann also mit dem Begriff „Irenik“, für die Friedenslehre überhaupt nicht anfangen. Selbst der Pfarrer meidet sie so gut es geht, auch wenn sie immer wieder Blumen für die Kirche bringt. An diesen kleinen Beispielen sieht man: Sie ist eindeutig ein „immerwährender Quell der Freude“ und eine „überschwänglichen Begeisterung“ macht sich sofort bei ihrer Anwesenheit breit. Die strenge Frau hat ihre Umgebung am liebsten besenrein, besser noch antiseptisch, aber wenn wir gerade das Thema Sauberkeit betrachten, ihre menschliche Umgebung in der Pfalz behauptet, dass „sie nicht mehr ganz sauber ist“! Dieser Ausspruch hat aber mehrere Bedeutungen: Die erste Auslegung betrifft den eigentumstechnischen Bereich, dann kann man dem Betreffenden nicht vertrauen, oder ihm zumindest Unsauberkeiten im geschäftlichen Handeln zutrauen. „Der oder die ist nicht ganz sauber“, heißt dann: Illegale Geschäfte werden vorgenommen, Diebstähle (Coon: „Der macht lange Finger“, heißt: Der stiehlt), Bestechungen, Steuerhinterziehungen und die ganze Bandbreite der gerichtlich verwendbaren Eigentumsdelikte.

Die zweite pfälzische Bedeutung für den Ausspruch: „Die ist nicht mehr ganz sauber“, betrifft die geistige Verfassung eines Menschen. Weitere Aussagen die geistige Vollständigkeit eines Pfälzers kritisch zu hinterfragen sind: „Der hat ja einen Sprung in der Schüssel“, oder: „Bei dem ist im Hirnkästchen etwas durcheinander geraten“, auch: „Der hat nicht alle Latten im Zaun“, auch: „Die hat nicht mehr alle Tassen im Schrank“!

Eine dritte Bedeutung von „Du bist ja nicht mehr ganz sauber“, wird angewandt, wenn sich jemand gegenüber seinen Chefs oder gegen eine Behörde mehr gewehrt hat, als sich das der Normalbürger, auch nur ansatzweise trauen würde. Dann ist dieser Ausspruch so etwas wie ein bewundernder Ritterschlag für den gezeigten Heldenmut. Es liegt in der Natur der Sache, dass der Ausspruch in diesem Zusammenhang nur äußerst spärlich angewandt wird, denn so viele Helden hat halt auch die Pfalz nicht zu bieten.

Frau Spritzer gehört eindeutig der zweiten Spruchauslegungsgruppe an. „Die iss joh hirnrissisch“ (Coon Übersetzung: Diese Frau hat ja Risse in ihrem Gehirn und verfügt deshalb nicht mehr über alle, sozial notwendigen, gehirntechnischen Denkfähigkeiten)(auch an dieser Übersetzung zeigt sich wieder einmal mit welch knappen Wörtern das Pfälzische, äußerst komplexe und komplizierte Zusammenhänge darstellen kann).

Das Anwesen von „Frau Spritzer“ gehört eigentlich nicht zu meinem Gebiet, aber die Kater aus dem betreffenden Bereich haben mich um meine Mithilfe gebeten und so inspiziere ich die Gegebenheiten vor Ort, um mir ein eigenes Urteil zu bilden. Vielleicht kann ich den hilfesuchenden Tieren eine sinnvolle Unterstützung sein. Das Grundstück hat nur wenige Insekten und wo es keine Insekten und keine Nistplätze gibt, kann kein Vogel überleben. Hier zeigt sich wieder einmal überdeutlich: Jeder Eingriff jetzt, wirkt sich auch auf die Zukunft aus. Alle Flächen die der Mensch versiegelt fehlen für ein gesundes, biologisches Gleichgewicht. Von einem Baum, des Nachbargrundstücks aus habe ich eine gute Übersicht über den Garten und die Mauern des „Spritzeranwesens“. Frau Spritzer sitzt, gut getarnt unter einem Vordach und beäugt misstrauisch die Umgebung. Kaum will sich ein Vogel niederlassen, weil er vielleicht ein Beuteinsekt für sich oder seine Jungen sieht, nimmt Frau Spritzer den bereitliegenden Wasserschlauch, in dem eine Regulierungsdüse angebracht ist, die jetzt rasch gedreht wird, um den Vogel, mit dem Wasserstrahl, wegzuspritzen. Versuchsweise stellt sich auch ein ortsansässiger Kater zur Verfügung, der probeweise auf der Mauer entlang marschiert. Sofort schnappt sich Frau Spritzer wieder den Schlauch mit der Düse und es gelingt ihr den heftigen Wasserstrahl, auf den Kater zu richten und diesen von der Mauer zu „schießen“. Schon nach kurzer Zeit steht für mich fest, dass sofort gehandelt werden muss. Ich beobachte Frau Spritzer und ich beobachte auch ihr Haus. Einige Fenster stehen einen Spalt weit auf und dies bringt mich auf eine Idee. Bestimmt gehen noch drei Stunden vorüber, bevor die hagere, grauhaarige Frau zufrieden wieder ihre Brille putzt, aufsteht und ins Haus geht. Wahrscheinlich will sie sich etwas zum Essen bereiten. Der Wasserschlauch bleibt vor Ort liegen. Rasch schnappe ich mir die Regulierungsdüse und zerre sie hinter mir her, in Richtung der Hausmauer im Garten. Mit der Wasserdüse im Mund springe ich auf einen Fenstersims und hieve den Düsenkopf direkt neben den offenstehenden Fensterspalt. Dort öffne ich langsam den Düsenkopf und Wasser sprudelt heraus. Zum Glück bin ich nicht wasserscheu und deshalb ziehe ich auch noch Schlauch nach und lasse den offenen Düsenkopf in den offenstehenden Fensterspalt rutschen. Mit beiden Vorderpfoten drücke ich auf den Wasserschlauch, damit dieser auch richtig verankert ist. Nass, aber zufrieden mit meinem Werk mache ich es mir wieder im Baum des Nachbargrundstücks bequem und beobachte die Aktivitäten auf dem Anwesen von Frau Spritzer. Stunde um Stunde läuft Wasser in das Zimmer hinter dem Fenster, in das ich den Wasserschlauch eingebracht hatte. Von Frau Spritzer keine Spur. Sie muss ausgiebig beim Essen gewesen sein, vielleicht hat sie aber auch für einige Stündchen einen Mittagsschlaf gehalten, und ist in dieser Zeit ihrer Umwelt nicht auf den „Wecker gegangen“, auf jeden Fall wird das laufende Wasser den Raum sehr gut durchfeuchten. Erst nach Stunden kommt sie aus dem Haus gehastet. Von meinem Beobachtungspunkt aus kann ich hören wie sie immer wieder verzweifelt: „O Gott, oh Gott“ ausruft und dann zum Wasserschlauch gelaufen kommt. Sie zerrt am Wasserschlauch, der aber etwas verkantet ist und sich deshalb einige Augenblicke gegen die Fensterentnahme wehrt. Nach einiger Zeit kann sie aber doch den Schlauch ganz herausziehen, wobei sie sich selbst einnässt. Dann wird der Düsenkopf zugedreht, anschließend auch der Haupthahn am Anschlussstück des Wasserschlauches. Frau Spritzer schaut sich misstrauisch um, kann aber keinen „Rabauken“ erblicken, der ihr das alles angetan hat. Wutschnaubend geht sie ins Haus zurück, öffnet die Fenster und dann kann ich sie mit einem Eimer und vielen, ich würde sogar sagen sehr vielen trockenen Tüchern hantieren sehen. Einige Vögel sitzen oberhalb meines Beobachtungspunktes im Baum und pfeifen fröhlich und begeistert vor sich hin. Einige der Vögel trauen sich sogar auf das Geländer der Tierhasserin und einige, besonders rachsüchtige, hinterlassen sogar einige Fäkalreste auf den Fensterscheiben. Jetzt hat sie offensichtlich sogar noch die Polizei verständigt, die natürlich auch nichts feststellen kann, denn wenn man nach Fingerabdrücken sucht und nicht nach Tatzenabdrücken, oder leichten Bissspuren, dann ist das Resultat entsprechend. Verstohlen kratzen sich auch zwei der anwesenden Polizisten an der Stirne und zeigen auch damit: „Die Frau ist nicht ganz sauber“!

Für diesen Tag gilt auf jeden Fall: Heute ist genug gespritzt Frau Spritzer.

Als die Polizisten unterwegs zu ihrem Einsatzfahrzeug sind, kann ich sie gut hören: „Dii ald hodd awwer ah een knall weck. Dii kann ned meer knusprisch soi“ (Coon Übersetzung: Die ältere Dame hat aber auch einige, geistige Minderleistungen aufzuweisen. Es ist eindeutig, dass sie der aktuellen Realität nicht mehr entsprechend Folge leisten kann). Die anderen Beamten nicken und lachen und einer meint ergänzend: „Fast wie der 23-jährige Autofahrer, der uneingeschränkt seinem Navigationsgerät vertraut hat und am Wochenende, in einem Ort an der Mosel, sein Fahrzeug in eine überflutete Unterführung gefahren hat, bis der Wagen, im wahrsten Sinne des Wortes abgesoffen ist. Die Feuerwehr und die Polizeidienststelle haben den Fahrer dann gerettet und auch das Fahrzeug wieder herausgezogen“. Ein weiterer Polizist witzelt: „Der hat vielleicht angenommen dass er ein Amphibienfahrzeug lenkt“. Allgemeines Gelächter.

Einer der Beamten fragt: „Was schreiben wir denn nachher in unseren Bericht“? Nach kurzem Nachdenken meint ein grinsender Beamter: „Eine ältere, geschädigte Frau hat Anzeige erstattet, weil eine unbekannte Person, ihren Wasserschlauch, auf ihrem Gelände, ins Haus geführt hat, das Wasser dann geöffnet haben soll und dadurch im Haus eine Überflutung auslöste. Die Haustüre war verschlossen gewesen und am betreffenden Fenster und auch an anderen Fenstern waren keine Einbruchsspuren feststellbar. Ein Täter konnte nicht ermittelt werden. Die Geschädigte wird ihrer Versicherung die Wässerung anzeigen“. Heiteres Gelächter, dann fahren die Beamten gut gelaunt weg und ein weiterer Vogel gibt noch Verdauungsreste auf dem Grundstück von Frau Spritzer ab.

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