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Sie saßen in der letzten Stuhlreihe

Sie saßen in der letzten Stuhlreihe im Kino. Kill Bill, Teil 2 lief gerade an, da hielt Darleen es nicht mehr länger aus. Sie krabbelte auf Keno’s Schoß und setzte sich rittlings auf seine Oberschenkel. Ihre Hände vergruben sich verzweifelt in seinen Haaren und ihr Mund küsste forschend und zittrig vor Aufregung Keno’s Lippen ab. Sie streckte ihre Brust heraus und atmete heftig. Da! Jetzt legten sich seine Hände auf ihren Hintern und fuhren zärtlich Darleen’s Rücken hoch. Ihr entfuhr ein wohliges Seufzen. Keno strich sanft durch ihre langen Haare und kraulte dann ihren Nacken.

Und er schaffte es einfach nicht, anders zu küssen, obwohl er John versprochen hatte, nur ihn so zu verwöhnen. Darleen ging ab wie eine Rakete. Das war so anders, was Keno mit ihr machte, so sinnlich, so erotisch. Was sie bisher mit anderen Jungs erlebt hatte, war dagegen … indiskutabel!!

Oh mein Gott, ihre Scham pulsierte regelrecht. Seine Zunge massierte ihre Lippen, drang fordernd in ihren Mund ein und vollführte einen Tanz mit Darleen’s Zunge. Sie fand, er sah aus wie ein junger Gott, wie er da so im Halbdunkel mit geschlossenen Augen unter ihr begraben war.

„Oh, mein Gott, Keno“, keuchte sie irgendwann atemlos auf, „was machst du nur mit mir?“

Keno lächelte verlegen. „Ich küsse dich“, flüsterte er zurück, „ansonsten bin ich ganz brav.“

Sei böse, sei böse, schrie sie innerlich. Wenn das brav ist, dann will ich wirklich die ungezogene Seite von dir erleben!!

Oh Mann! Warum drehte dieser Tarantino bloß so kurze Filme?!!! Darleen kam es vor, als hätten sie gerade erst begonnen, sich zu küssen, als auch schon der Abspann lief und das Licht hochgedimmt wurde. Schnell rutschte sie wieder auf ihren Sitz. Und sofort vermisste sie schmerzlich Keno’s Lippen, seine Hände … und seinen Ständer in ihrem Schritt, an dem sie sich so köstlich gerieben hatte. Darleen merkte, wie ihr Gesicht knallrot anlief. Wow! Das war der geilste Kinobesuch ihres Lebens. Sie linste zu Keno rüber und blickte frontal in den lachenden Blick seiner Augen.

„Möchtest du noch einen Film sehen oder sollen wir irgendwo was trinken geh’n?“, fragte er sie und legte dabei den Kopf ein wenig schräg.

NIMM MICH, schrie Darleen innerlich, während sie sich räusperte.

„Ich weiß nicht …“ Himmel, warum klang ihre Stimme nur so zittrig und schwach? „Worauf hast du denn Lust?“

Keno lächelte leicht und sagte erst mal gar nichts, während sein Blick mit ihrem verschmolz.

„Hmm?“, fragte Darleen unsicher nach, um ihre Nervosität zu überspielen.

„Also, ich würde sagen, wir machen genau das, wozu du Lust hast“, antwortete er galant.

Deflorier mich, erwiderte Darleen in Gedanken und einen kurzen Moment rutschte ihr das Herz in die Hose, weil sie nicht sicher war, ob sie gerade laut gesprochen hatte.

„Wir könnten rüber ins „Milky Way“ geh’n, einen Erdbeer-Flip trinken und uns in einer lauschigen Ecke unterhalten“, schlug Keno vor.

Darleen war begeistert. Da würden sie sicher von einigen Leuten geseh’n, auch aus ihrer Jahrgangsstufe. Samstags war im „Milky“ die Hölle los. Sie nickte begeistert.

„Ja! Super Idee!“, stimmte sie zu.

Sie ergatterten doch tatsächlich einen netten Platz in einer Ecke mit Blick auf das restliche Lokal, welches im Stil der 50er Jahre eingerichtet war. Viel Chrom – an allen Ecken und Enden. Keno ging zur Theke, damit es nicht so lange dauerte, bis sie ihre Bestellung erhielten. Darleen’s Blick klebte an ihm, an seinem Körper, seinem Gang, seinem … Alles. Er hatte sich wirklich verändert in den letzten zwei Jahren. Das Tae-Kwon-Do-Training mit John hatte ihm Kraft und Muskeln beschert und auch seinem Selbstbewusstsein nicht geschadet. Darleen erinnerte sich daran, wie unscheinbar Keno früher war – wie ängstlich. Heute schritt er durch die Menschenmenge und die Leute machten ihm unwillkürlich Platz. Und er war unglaublich sexy! Es gab wenig Jungs an ihrer Schule, die sich die Haare länger wachsen ließen, aber zu ihm passte es total, fand Darleen – und nicht nur sie allein war dieser Meinung.

Und ich würde auch suuper zu ihm passen, seufzte sie innerlich. Doch irgendwie wagte sie nicht, sich große Hoffnungen zu machen. Selbst nach ihrer Knutscheinlage eben im Kino. Bei jedem anderen Jungen hätte sie gesagt, sie wäre nun mit ihm „zusammen“. Doch bei Keno kam ihr der Gedanke nicht. Er verhielt sich – trotz allem – zu zurückhaltend. Und eigenartigerweise fand Darleen, dass irgendetwas fehlte, wenn John nicht neben ihm stand. Das lag sicher daran, dass die beiden so unzertrennlich waren. Manche Leute zerrissen sich schon ihre Mäuler darüber. Natürlich wagte niemand, ein Wort an John zu richten. Und Keno hatte sowieso keine anderen Freunde. Doch Darleen schnappte ab und zu schon mal eine gehässige Bemerkung auf.

John sollte wirklich mal ein wenig mehr ausgehen. Alle Mädchen auf der Schule würden einen kleinen Finger hergeben, um mit John Garland einen schönen Abend verbringen zu dürfen. Schließlich war doch nichts dran an den Gerüchten. Nach der Knutscherei eben wusste Darleen das nun ganz genau!!

Bestimmt zwei Stunden saßen sie im „Milky Way“, tranken etliche Shakes und unterhielten sich über „Gott und die Welt“. Ab und zu fanden ihre Hände auf dem Tisch zueinander und verknoteten sich, während ihre Blicke ineinander versanken. Und auch der eine oder andere Kuss landete auf Darleens Lippen. Etliche Schulkameradinnen nahmen sie ins Visier und schon seit langem hatte sie sich nicht mehr so auf den Montag gefreut.

„Sag mal“, fragte Darleen ihn irgendwann, „warum gehen du und John nicht häufiger mit Mädchen aus? Ihr beide könnt euch doch wirklich vor Angeboten nicht retten.“

Keno atmete überrascht ein und zog ein wenig die Augenbrauen hoch. Mit solch einer direkten Frage hatte er nicht gerechnet.

„Tja, ich weiß auch nicht. Wir sind wohl einfach nicht so die Party-Typen, denk‘ ich.“

Darleen lachte. „Versteh mich nicht falsch. Ich find’s super, dass du mich gefragt hast und nicht irgendeine andere. Es ist nur … die Leute hier … die finden das manchmal … eigenartig.“ Sie druckste herum. „Das ist für die … nicht normal.“

„Normal“ wiederholte Keno trocken. Doch er wusste natürlich worauf Darleen hinaus wollte.

„Du weißt schon! Sie denken, ihr wärt … schwul!“ Darleen verzog den Mund entschuldigend.

Keno blickte ihr ernst in die Augen. „Und wenn das so wäre …?“

Darleen klappte der Unterkiefer runter. „Wie …“

„Na ja, wenn das so wäre. Würdest du uns dann trotzdem noch … wie soll ich sagen? Mögen?“

Darleen sah ihn entgeistert an. „Natürlich! Was für eine Frage. John ist doch mein Bruder.“

„Und ich?“

„Du? Aber … du bist doch nicht schwul! Oder hab ich eben was falsch verstanden?“ Sie lachte verunsichert.

„Und wenn ich nun auf Mädchen und Jungs steh‘? Was dann?“

Keno wusste selbst nicht genau, warum er plötzlich diese Diskussion begann. Er versaute sich seinen ganzen Abend. Bisher lief alles so super. Und es hatte ihm tatsächlich viel Spaß gemacht. Darleen war einfach süß und hatte ihn im Kino total angetörnt. Er winkte ab.

„Vergiss es, Darleen! Ich rede zu viel! – Möchtest du noch was trinken?“

Doch Darleen wurde auf einmal einiges klar. Ich bin nur ein Alibi! Er mag mich eigentlich gar nicht! Mein Bruder ist schwul! Ach du Scheiße!!! Er und Keno! Das darf niemals rauskommen! Wenn Dad das erfährt ist die Hölle los. Wo er doch immer so stolz auf seinen Sohn ist. Aber Keno … er hat mich angelogen, hat mir was vorgemacht.

Darleen traten Tränen in die Augen. Und Keno wusste, dass er zu viel gesagt hatte. Er hatte alles falsch gemacht.

„Darleen“, setzte er sanft an und griff nach ihrer Hand, „ich wollte wirklich gerne mit dir ausgeh’n. Und im Kino … das war nicht gespielt. Ich mag dich wirklich…“

„Ja?“, presste sie bemüht hervor, „Wie weit würdest du denn heute Abend mit mir gehen, Keno Catler?“, provozierte sie ihn leise. Dabei stand sie langsam auf. „So weit wie ich gerne gehen würde? Ich glaube kaum. Denn John wartet zu Hause … total verzweifelt, weil er einen Samstagabend mal ohne dich verbringen muss. Du solltest jetzt besser zu ihm gehen. Denn da willst du ja eigentlich sein … wenn du ehrlich bist!“

Sie kam sich vor wie eine hysterische Schauspielerin. Doch ganz ohne Vorwurf sollte Keno ihr nicht davon kommen. Wäre sie nur nicht so verknallt in ihn! Dann würde sie ihm eine Szene hinlegen, die sich gewaschen hatte. Aber so tat ihr sein verzweifelter Gesichtsausdruck doch tatsächlich auch noch Leid.

„Darleen, bitte!“ Keno sah sie zerknirscht an.

Darleen schmiss ihre langen Haare mit einer schnellen Geste auf den Rücken. „Ich geh jetzt nach Hause, Keno. Lass mich bitte! Ich möchte ein paar Schritte alleine geh’n!“

Und sie drängelte sich durch den vollen Laden, trat durch die Türe und war weg.

Keno zog seine Jacke über und eilte ihr hinterher. Vor dem Eingang kramte er sein Handy hervor und wählte John’s Nummer. Während er das Handy gegen sein Ohr drückte, folgte er Darleen mit ausreichendem Sicherheitsabstand.

Es klingelte.

„Ja“, meldete sich John etwas atemlos.

„Ich bin’s!“

„Ich weiß … bin doch nicht blind. Hab‘ deine Nummer erkannt! Was ist?“

„Bist du alleine?“

„Ja, verdammt! Mach hin! Ich hol mir grad‘ einen runter und entweder hast du ein paar versaute Kommentare für mich auf Lager oder du legst wieder auf.“ Er stöhnte langgezogen und sein Atem ging schwer.

„Darleen weiß es!“, stieß Keno knapp hervor.

John stöhnte wieder leise und japste dann: „Was … was weiß sie? – Ohh, Cat … sag was, sag mir was Versautes, komm!“, bettelte John eindringlich.

Keno atmete tief ein. Das konnte doch alles nicht wahr sein. Genieß es, bevor ich dich auf den Boden der Tatsachen zurückhole, dachte er genervt. Also gut.

„John“, flüsterte er und legte seine Hand dabei um Mund und Handy, „ich lieg‘ nackt vor dir auf dem Bauch und streck‘ dir meinen Hintern entgegen. Wenn du jetzt kommst, dann spritz auf meinem Arsch ab, ja? Bitte! Und fass mich dabei an … zwischen den Beinen …“

Ein kehliges abgehacktes Aufstöhnen und Keno wusste, dass John fertig war.

„Na, das hättest du auch ohne mich geschafft“, grinste er nun doch. Er hörte ein Rascheln und sah vor seinem inneren Auge, wie John sich gerade mit einem Kleenex trocken rieb.

„Kannst du jetzt wieder klar denken?“, fragte Keno nervös.

Er hörte, wie John an einer Flasche trank. „Ja“, keuchte er befreit, „was willst du eigentlich? Ich denk‘, du verführst meine Schwester. Und was soll sie wissen?“

„Sie weiß von uns“, erklärte Keno und verzog sein Gesicht in Erwartung des nun folgenden Ausrasters.

„Waaas?“ John war fassungslos. „Woher?“

Jetzt kam der Moment der Wahrheit. „Ich fürchte … von mir“.

„NeinNeinNeinNeinNein“, John beruhigte sich überhaupt nicht mehr. „Cat, wie hast du das denn angestellt? Bist du noch zu retten?!“

Keno raufte sich verzweifelt die Haare. „Ich weiß auch nicht. Es hat sich irgendwie ergeben!“

„Es hat sich ergeben?“ Jetzt äffte John ein Mädchen nach.

„Ooh, Keno! Ich bin so verknallt in dich! Küss mich!“ Und jetzt mit tiefer Stimme. „Nein, nein, Darleen. Das geht nicht! Ich küsse nur deinen Bruder!“

„Hör auf!!“, ranzte Keno ihn an. „Ich bin selbst nicht glücklich darüber!“

„Nicht glücklich … VERDAMMTE SCHEISSE!“, brüllte John.

„Jetzt reiß dich zusammen, verdammt nochmal“, befahl Keno fluchend. „Sie ist auf dem Weg nach Hause. Ich folge ihr, damit sie sicher ankommt. Vielleicht fängst du sie ab und redest mit ihr. Glaub mir, sie ist sauer auf mich. Aber sie war cool, als sie in Erwägung zog, dass du schwul sein könntest.“

John heulte auf wie ein Wolf. Dann brüllte er weiter.

„Sie zieht in Erwägung …? Ich kann meiner Schwester nie wieder in die Augen sehen, Mann! Kapierst du das?“

Keno zog die Luft ein, als hätte er sich verbrannt.

„Das heißt also, das Schlimmste auf der Welt wäre, dass irgendjemand – und speziell deine tolle Familie – erfahren könnte, dass du schwul bist, John Garland? Der tolle John. Der coole John. Der John, der immer alles im Griff hat, der sich aber mit dem verschwitzten Hemd seines Freundes einen runterholt? Nein! Ganz klar! Du kannst auf keinen Fall deiner Schwester wieder in die Augen seh’n. Ich bin dir einfach zu peinlich, was?! – Weißt du was? Lüg‘ sie doch einfach an! Dir glaubt sie bestimmt. Aber wenn du das tust, dann kannst du dir jemand anderen suchen, der dir am Telefon eine Wichsvorlage gibt. Du feiges Arschloch!“

Keno war so aufgewühlt, dass er es kaum schaffte, das Gespräch wegzudrücken. Inzwischen hatte Darleen ihr Zuhause erreicht und schloss die Eingangstüre auf.

Keno rannen einige zornige Tränen die Wangen runter. Was sollte er jetzt bloß machen? Bei ihm zu Hause wartete nur sein cholerischer Vater auf ihn. Wie so oft war er auf sich allein gestellt.

Wie konnte er nur alles so falsch machen? Verdammt!


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