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EMMA

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Ich denke an die Insel und an meine zusammengeschrumpfte Welt, als ich wieder einmal vor sechs Uhr morgens mit Kopfschmerzen aufwache, so wie inzwischen fast immer. Ich taste nach den Schmerztabletten und dem Wasserglas auf dem Nachttisch, ich muss das Medikament nehmen, bevor an Aufstehen überhaupt zu denken ist. Fanni säuselt in meinem Arm, sie riecht nach Schlaf, säuerlich und süß zugleich. Joel hasst unser neues Familienbett, seiner Meinung nach gehört ein Doppelbett dem erwachsenen Paar und nicht dem Kind, aber ich gebe nicht nach, nicht mehr. Ich will Fanni Tag und Nacht in meiner Nähe haben, ohne ihren Atem kann ich nicht einschlafen. Joel fühlt sich durch Fannis Bewegungen und Geräusche gestört, immer öfter schläft er auf einer Matratze im Wohnzimmer, in windstillen Nächten sogar im Boot. Ich kann ohne Joel schlafen, aber nicht ohne Fanni.

Leise stehe ich auf und gehe auf die Terrasse. Großvater sitzt auf dem Buddha-Felsen, so wie fast jeden Morgen. Das Gesicht auf die offene See und den Sonnenaufgang gerichtet, meditiert er dort oft. Er wacht früh auf, so wie ich. Dann tappt er zum Felsen, lässt sich im Lotussitz vor der kleinen Buddha-Statue nieder und kehrt eine Stunde später zurück, um Morgenkaffee oder -tee zu trinken, bevor er sich in seine eigene Hütte zurückzieht, um weiter zu meditieren. Er lebt dort still vor sich hin, ohne sich um uns zu kümmern.

Ich störe ihn nie bei seiner Morgenmeditation. Ich sitze auf der Terrasse, trinke Kaffee und genieße die Stille, danach trinken wir zusammen eine Tasse Kaffee oder chinesischen Tee und reden über dies und das, Hauptsache, wir haben zuvor in aller Ruhe für uns sein dürfen.

Wir sitzen still nebeneinander auf der Terrasse und hören dem Schreien der Seevögel zu. Den Tee koche ich nach Großvaters chinesischen Lehren. Stets wähle ich die Sorte, die zum jeweiligen Tag passt: weißen, grünen oder schwarzen oder einen Kräutertee, der eine bestimmte Körperfunktion anregt. Aber wenn wir wegen starken Windes oder wegen unruhiger Vorfahren schlecht geschlafen haben, trinken wir starken Kaffee aus dem Kessel.

Zerstreut streichle ich die Narbe an meinem Kopf.

»Ich habe inzwischen Halluzinationen«, sage ich, nachdem ich die erste Tasse Tee getrunken habe. »Auf dem Meer habe ich mitten im Nebel ein Boot gesehen, das gar nicht da war. Ich dachte, es sei echt, und habe fast einen Panikanfall bekommen. Joel ist wohl auch erschrocken, auch wenn er den Vorfall später nicht erwähnt hat. Manchmal nehme ich sogar noch mehr wahr, Stimmen, Gestalten am Ufer, Gesichter im Wasser, alle möglichen seltsamen Sachen. An einem Abend war ich auf dem Weg in die Sauna und habe durchs Fenster eine Frau auf der Pritsche sitzen sehen. Zuerst bin ich natürlich erschrocken, aber da war niemand. Ich weiß nicht, woher die Halluzinationen kommen, aber ich kann mit Joel nicht darüber reden und weiß nicht, mit wem ich es sonst tun könnte. Wenn ich dem Arzt etwas davon sage, bekomme ich noch mehr Medikamente und kapiere danach überhaupt nichts mehr.«

Großvater antwortet, indem er in seine Teetasse lächelt. Mit Joel spricht er nie über seinen Buddhismus, seine Engeltherapie oder über Großmutters Anwesenheit im Zimmer. Joel steht auf der Seite der Wissenschaft, nicht auf der des Hokuspokus.

»Ich mache mir langsam Sorgen und frage mich, was diese Halluzinationen zu bedeuten haben. Werde ich verrückt, oder sterbe ich? Wenn man anfängt, Tote zu sehen, heißt das dann nicht, dass man selbst stirbt?«

»Nein, das heißt es nicht«, antwortet Großvater in seiner ruhigen Art. »Der Mensch sieht alles Mögliche, wenn er es braucht. Ich habe nie Geister gesehen, aber ihre Anwesenheit sehr wohl gespürt.«

Ich weiß, dass er Großmutter meint, deren Nähe er oft wahrnimmt, vor allem auf der Insel. Allerdings hat Großmutter erklärt, sie werde ihm nach ihrem Tod überallhin folgen, sodass es ihm vielleicht gar nicht möglich wäre, ihre Anwesenheit nicht zu spüren, selbst wenn er es wollte.

»An diesem Ort gibt es ein besonderes Magnetfeld, das habe ich immer gespürt, schon als Kind«, fährt Großvater fort. »Konzentriere dich nicht darauf, deine Gedanken oder Halluzinationen abzuwehren, lass sie kommen und gehen, höre, was sie dir zu sagen haben. Hab keine Angst. Schau dir Fanni an: Ihr ist es egal, ob ihre Fantasiegefährten real sind. Sie weiß, dass sie nicht real sein müssen, fühlt sich aber mit ihnen wohl, weil sie sie zum Spielen braucht oder um die Wirklichkeit zu verstehen, um etwas Neues zu lernen. Für Kinder ist das einfach, Erwachsene machen es sich schwer. Manchmal fällt es leichter, mit den Toten als mit den Lebenden zu sprechen.«

Großvater hat recht, wie immer, auch wenn Joel das nicht glaubt. Ich beschließe, die Fantasiegefährten zuzulassen und mich über den Sommer zu freuen, über meine Familie, über diesen Sommer, den wir noch haben.

Heute beißen die Fische nicht

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