Читать книгу Heute beißen die Fische nicht - Ina Westman - Страница 22
EMMA
ОглавлениеJoel überredet mich nach langer Zeit zu einer gemeinsamen Einkaufstour. Normalerweise macht er sich zufrieden summend mit der Einkaufsliste allein auf den Weg, das bedeutet Abwechslung, und er kommt für eine Weile von seiner Familie los, oft ist er den ganzen Tag unterwegs. In den Schären wird er lockerer und sozialer, er kennt alle Einwohner des Dorfes und unterhält sich mit ihnen über das Wetter und über Boote.
Aber jetzt besteht er darauf, dass Fanni und ich mitkommen, er sagt, auch Fanni müsse ab und zu unter Leute und ein Eis essen. Ich willige ein, um einen Streit zu vermeiden.
Das hätte ich nicht tun sollen. Auf dem Weg vom Anleger zum Laden verkrampft sich Fanni, die zwischen uns geht. Schon von Weitem sehe ich eine Familie, deren Mutter uns schiefe Blicke zuwirft. Ich umfasse Fannis Hand fester. Fanni merkt es und blickt zu Boden, sie versucht, so zu tun, als wäre sie unsichtbar.
Ich versuche zu bremsen, aber Joel zieht uns weiter. Der älteste Sohn der Familie schlurft hinter seinen Eltern her, wirft uns einen Blick zu, und ich grüße ihn fröhlich. Er lächelt und sagt hei, sein Lächeln ist übermütig. Seine Mutter dreht sich um und äußert vernehmlich: »Komm jetzt, Lauri, wir spielen nicht mit Negerkindern.«
Wut schäumt in mir auf. Ich halte Fanni weiterhin fest an der Hand und blicke auf Joel, dessen Mund zu einer straffen Linie zusammengekniffen ist.
Dann betrachte ich die Kinder: Sie haben Kartoffelnasen, matte, wimpernlose, tief liegende und kleine Augen, blassrosa Haut und dünnes Haar. Neben Fanni sehen sie mit ihrem anämischen Weiß eigenschaftslos aus, wie aus Hefeteig geformte, unfertige Figuren, bei denen der Künstler die Farben vergessen hat.
Ich schaue Fanni an: dickes, lockiges Haar, große dunkle Augen mit langen Wimpern, runder, schöner Mund und kupferfarbene Haut. Fanni ist ein schönes Kind, selbst ein Rassist kann diese Tatsache nicht leugnen.
Ich atme tief ein und aus, Fanni darf meine Wut nicht bemerken. Sie muss lernen, dass solche Menschen egal sind, sie muss sie ignorieren, über ihnen stehen, jedenfalls solange wir in diesem Land leben. Ich muss ihr mit gutem Beispiel vorangehen. Mit Hass erreicht man nichts, ich muss Großvaters Lehren von der Liebe und der Gelassenheit, die sich auf alles erstreckt, befolgen. Diese Leute sind es nicht wert, von mir gehasst zu werden.
Letzten Endes können diese Kinder ebenso wenig für ihr Wesen und ihren familiären Hintergrund wie Fanni. Es ist nicht ihre Schuld, dass ihre Eltern Idioten sind. Wir alle versuchen, unsere Kinder zu schützen und sie nach unserem eigenen Weltbild zu formen, und glauben dabei auch noch, richtig zu handeln. Aber wer kann das wissen? Wer weiß, welche Farbe die Welt einmal annehmen wird, wer die künftigen Klimakatastrophen überlebt, ob die Grenzen fallen oder zuwachsen, ob Fanni und die sogenannten Arier lernen müssen, einträchtig zusammenzuleben oder in separaten Bunkern und im Krieg gegeneinander?
Es scheint, als gehörte diese blasse Familie mit ihrer glotzenden Mutter einem untergehenden Volk an, um das wir uns eigentlich nicht zu scheren brauchen. Jedenfalls nicht jetzt und auch nicht auf der Insel.
Also streiche ich einem der Kinder übers Haar, seine Mutter zuckt zusammen, als ich es anfasse, vielleicht glaubt sie, ich wollte es schlagen, aber ich lächle das Kind an und sage: »Vielleicht wirst du einmal klüger sein als deine Mutter.«
Joel starrt die Mutter an und sagt vernehmbar zu mir: »Was hier wieder für ein Pack herumläuft.«
Der Familienvater hat sich bereits in den Laden geflüchtet. Als wir hineingehen, versteckt er sich zwischen den Regalen und sorgt dafür, dass er immer anderswo ist als wir. Als seine Frau nicht hinsieht, versucht er mich versöhnlich anzulächeln. Ich wende den Blick ab.