Читать книгу Heute beißen die Fische nicht - Ina Westman - Страница 24
JOEL
ОглавлениеEs ist nicht leicht, Emma von der Insel wegzulocken. Dennoch bin ich sicher, dass die Isolation sie nur noch ängstlicher macht und ihre Angst dann mit der Zeit auch Fanni ansteckt, falls das nicht schon geschehen ist.
Wir können nicht ewig auf der Insel bleiben. Wenn man Menschen lange meidet, wird es immer schwerer, ihnen gegenüberzutreten. Auch Fanni muss lernen, die Reaktionen und Beleidigungen der Leute zu ertragen und richtig mit ihnen umzugehen. Einen anderen Weg gibt es nicht, wir können das Verhalten der anderen nicht beeinflussen, lediglich Fanni stark genug machen, sodass sie damit leben kann, anders zu sein.
Ich selbst glaube schon aufgrund meiner Arbeit, dass Rassismus durch Begegnungen verschwindet, dadurch, dass sich die Leute an Menschen mit unterschiedlichem Aussehen gewöhnen und infolge ihrer eigenen Erfahrung sehen, dass die Hautfarbe keine Rolle spielt. Das hat auch Emma vor der Adoption geglaubt, wir sprachen ausführlich darüber und fragten uns, wie wir mit Rassismus umgehen würden, ob wir ihn ertragen könnten. Wir beschlossen, ihn zu ertragen, aber Emma hat unsere Abmachung nicht eingehalten. Inzwischen will sie Fanni nur noch vor der Welt verstecken. Oder will sie sich selbst vor der Welt verstecken, ist es das?
Schließlich halte ich den Stillstand auf der Insel nicht mehr aus und zwinge Emma, mit zum Einkaufen zu kommen. Eigentlich fahre ich gern allein zum Laden, aber ich will, dass Fanni mal von der Insel herunter und unter Leute kommt, damit sie sieht, dass es dort nichts zu befürchten gibt.
Fanni ist begeistert, dass sie uns begleiten darf und ein Eis bekommt, endlich vergisst sie einmal die Angst, die Emma um sie herum gesät hat.
Börje, der alte Ladeninhaber, begrüßt uns fröhlich. Er sieht aus wie sechzig, ist aber angeblich schon achtzig, bei den Schärenbewohnern ist das Alter schwer zu schätzen, sie werden schnell alt, hören dann aber mit dem Altern auf. Börje geht gebückt, ist jedoch flink und hat stets dieselbe abgewetzte Kapitänsmütze auf. Nur die Pfeife fehlt, oder aber sie ist sein geheimes Laster und wird erst hervorgeholt, wenn der Herbst kommt und die Sommergäste die Schären verlassen haben.
Er fragt mich oft nach Fanni und Emma, und ich behaupte jedes Mal, sie fühlten sich auf der Insel so wohl, dass sie zum Einkaufen nicht mitkommen wollten. Börje weiß, dass ich lüge, nickt aber höflich. Die Schärenbewohner gehören selbst zu einer Minderheit, wenn auch nur einer sprachlichen, sie würden Fanni nie schief anschauen. Es scheint, als würden sie ihre Hautfarbe nicht einmal bemerken. In den Schären kommen und gehen alle möglichen Leute, so ist es schon immer gewesen, hier ist das keine große Sache. Allen wird geholfen, alle sind auf die gleiche Art dem Meer ausgesetzt, und das Meer wählt nicht nach Hautfarbe aus, wer ertrinkt.
Der Ladeninhaber tätschelt Fanni auf dem Anlegesteg freundlich den Kopf und fragt sie, ob sie schon fischen war. Sie unterhalten sich über die Fische, die Fanni gefangen hat, und darüber, wie man den Räucherkasten verwendet. Ich betanke das Boot und plaudere dabei mit Börje über das Knacksen des Motors und über eine Inspektion. Das Leben kommt mir endlich mal wieder normal und leicht vor. Fanni ist fröhlich und gesprächig, aber als wir in das Geschäft gehen, macht eine bescheuerte Frau eine Bemerkung über Negerkinder. Sie trägt zu enge Shorts und Schuhe mit hohen Absätzen. In den Schären!
Ich zügle meinen spontanen Impuls, der Frau auf die Schnauze zu hauen, und warte, dass Emma etwas Spitzes sagt, so wie es ihre Art ist. Aber Emma schweigt.
Das macht mich noch rasender. Wie kann sie darüber hinwegsehen, warum verteidigt sie Fanni nicht mehr und stopft den Rassisten nicht das Maul?
Ich schaue Emma zornig an und sage betont laut: »Hier in den Schären hat sich inzwischen jede Menge neureiches Pack eingenistet. Die sollten wieder verschwinden.«
Im Laden gehe ich zu dicht an der Frau vorbei und stoße sie an der Schulter an, während Emma und Fanni Gemüse holen. Als sich die Frau wütend umdreht, meine ich bloß: »Oh, sorry. Leuten, die hier nicht hergehören, stößt leicht mal etwas zu.«
Die Frau verlässt mit ihrer Familie so schnell wie möglich das Geschäft.