Читать книгу Heute beißen die Fische nicht - Ina Westman - Страница 15
JOEL
ОглавлениеIch war bei Frauen nicht besonders beliebt, als ich Emma traf. Genauer gesagt traf sie mich. Ich war nach einer langen Beziehung getrennt, war verlassen worden und wusste nicht, was ich mit meiner ganzen Freiheit anfangen sollte. Ich war schon so weit gewesen, eine Familie zu gründen, aber meine Lebensgefährtin hatte etwas anderes gewollt. Einen anderen Mann, um genau zu sein.
Dennoch verlief die Trennung einvernehmlich. Ich bat sie, ihre Sachen und ihre Möbel zusammenzupacken und möglichst bald zu verschwinden. Danach haben wir nicht mehr miteinander geredet, und ich habe sie auch nicht mehr gesehen.
Die Leute interessieren sich immer dafür, wie man sich kennengelernt hat. Jedes Paar muss eine Art Urgeschichte entwickeln, die man den Freunden und den Kindern erzählt, dabei kann man im Lauf der Jahre die Fügung des Schicksals und bedeutsame Sätze ergänzen. Wenn sich ein Paar trennt, stirbt mit der Beziehung auch die dazugehörige Geschichte. Ich kann mich nicht einmal mehr daran erinnern, wie ich meine Ex kennengelernt habe. Alles, was mit ihr zu tun hat, habe ich bewusst vergessen. Weder sie noch das Leben, das wir einmal geteilt haben, spielen für mich noch eine Rolle.
Aus einer Sendung, die Emma sich anschaute und die ich am Rande mitbekam, habe ich gelernt, dass eine solche Urgeschichte sogar die Länge einer Beziehung voraussagt. Diejenigen, die eine starke gemeinsame Erzählung haben, halten es länger miteinander aus – sogar ihr Leben lang, sagte die schön geschminkte TV-Therapeutin und schaute bedeutungsvoll in die Kamera.
Unsere Geschichte fing überhaupt nicht besonders an. Keine Liebe auf den ersten Blick, wir waren nur zufällig beide von unserem Leben gelangweilt. Ebenso gut hätten wir uns nicht begegnen können. Ich bin sicherlich an vielen Frauen meines Lebens nur deshalb vorbeigelaufen, weil ich nicht weiß, wie man sich Frauen nähert. Doch zum Glück bin ich nicht so abstoßend, dass die Frauen immer einen weiten Bogen um mich gemacht hätten.
Mit ihrem kurzen blonden Haar sah Emma aus wie eine Feministin. Ich hatte sie von Weitem betrachtet, denn sie war die einzige Frau in der Bar, die den Eindruck machte, als käme sie direkt aus dem Wald, darum fand ich sie interessant. Aber eine Frau in einer Bar anzumachen, ist nicht mein Ding, ebenso wenig wie willkürliches Dating oder gar irgendwelche Blind Dates, die die Ehefrauen meiner Freunde hartnäckig für mich zu organisieren versuchten. Darum begnügte ich mich damit, sie und ihre Freundinnen aus der Distanz zu beobachten.
Als sie auf mich zukam, glaubte ich zuerst, sie wolle sich am Tresen etwas zu trinken holen. Aus der Nähe sah ich, dass sie überraschend braun war und hinreißende Sommersprossen hatte. Mit ihren schrägen Augen und ihrem breiten Lächeln erinnerte sie mich an eine erwachsene Pippi Langstrumpf. Anfangs wirkte sie außerdem wie die stärkste Frau der Welt. Ich fragte mich, ob ich für so eine Frau überhaupt genug Energie hatte. Aber dann verliebte ich mich unmerklich in sie. Sie reiste viel, und zu Beginn fiel es mir schwer, ihr zu vertrauen. Lange hielt ich einen gewissen Abstand, sicherheitshalber. Ich hatte bis dahin keine guten Erfahrungen mit Frauen gemacht, meine Mutter eingerechnet. Aber allmählich verstand ich, dass Emma eine Frau mit Prinzipien war: Sie würde mich eher verlassen als mich betrügen.
Als wir einmal über meine Eifersucht stritten, sagte sie: »Du brauchst überhaupt nicht eifersüchtig zu sein. Ich habe mit Männern von allen Kontinenten gefickt und muss das nicht mehr tun. Die Männer sind überall gleich, aber du bist der Beste von ihnen.«
Dieser Logik war schwer zu widersprechen, und ich wollte das Thema auch nicht vertiefen, geschweige denn mehr von den verschiedenen Kontinenten hören. Von da an versuchte ich, meine Eifersucht für mich zu behalten, auch wenn ich Emma für die faszinierendste Frau der Welt hielt und es unfassbar fand, dass nicht alle Männer das sahen.