Читать книгу Rayan - Das Blut Von Zarifa - Indira Jackson - Страница 29
Anfang Juni 2015 - Rub‘ al Khali: Auf dem Weg nach Farah - Voller Erleichterung
ОглавлениеZwei Monate später war das Wunder geschehen! Wie ein bösartiger Racheengel war „Mohammed“ zurückgekehrt. Und er war nicht alleine gekommen, sondern hatte fast siebenhundert bedrohlich aussehende Krieger auf wunderbaren, edlen Pferden mitgebracht. Es hatte den Fürsten nur wenige Minuten Überlegung gekostet, dann hatte er sich ohne Kampf unterworfen. Seine schlecht trainierten Wachposten waren ein Witz gegen die gut ausgebildeten und vor allem für ihre Rücksichtslosigkeit Fremden gegenüber bekannten Tarmanen. Scheich Rayan Suekran al Medina y Nayran machte keine halben Sachen!
Der Mann, den Anbar als Mohammed kennen gelernt hatte, stellte sich als berühmter, sehr mächtiger, vor allem aber gefährlicher Mann heraus. Und noch viel wichtiger: Er hatte sein Versprechen gehalten, zurückzukommen. Um ihn zu befreien, aber auch um dem Fürsten ein für alle Mal klar zu machen, dass er eine Grenze überschritten hatte.
Nachdem die Tarmanen ihn dann aus dem Camp mitgenommen hatten, war Anbar zugegebenermaßen zuerst misstrauisch gewesen. Vor allem als er Zeuge wurde, was sie in ihrer Wut mit Mulai anstellten. Der zahlte jede Misshandlung, die er je ausgeübt hatte, mit Zinsen zurück. Aus einem Impuls heraus war es der ehemalige Kaufmann selbst gewesen, der das Leben seines Peinigers beendet hatte. Er wollte die Schreie des Gequälten nicht mehr hören, und auch wenn er sich viele Male nichts sehnlicher gewünscht hatte, als den Sadisten eines Tages in der Rolle des Unterlegenen zu sehen, hatte er für sein Leben genug Leid um sich herum ertragen müssen. Also nahm er das Messer, das er Rayan kurz vor dessen Flucht besorgt hatte, und das dieser ihm in einer Art symbolischer Handlung wieder überreicht hatte, und rammte es in Mulais Herz. Er war sich sicher gewesen, dass der stolze Scheich ihn für diese Eigenmächtigkeit bestrafen oder gar töten würde, doch er hatte nicht anders gekonnt, es war einfach über ihn gekommen. Und nichts war passiert! Anbar konnte nicht glauben, dass er mit seinem Ungehorsam einfach so davonkommen würde. Doch sein Retter hatte Verständnis für seine Emotionen gezeigt. Es war der Moment gewesen, an dem er zum ersten Mal seit langer Zeit überlegte, ob er vielleicht doch noch einmal einem anderen Menschen würde vertrauen können. Erst viel später merkte Anbar, wie wichtig es für ihn gewesen war, sowohl die Qualen, als auch den Tod seines Peinigers mitzuerleben. Denn aufgrund dieser Erinnerungen hatte der Sklaventreiber keine Macht mehr über ihn. In seinen Träumen in der Nacht erschien er ihm auf einmal weitaus weniger mächtig und kaum noch sehr bedrohlich.
In den nachfolgenden Tagen, während sie in Richtung der Oase von Farah ritten, beobachtete Anbar den Scheich ganz genau und registrierte die Zuneigung, die die Tarmanen ihrem Herrn entgegen brachten. Und auch sein Sohn war ein wunderbarer Mensch. Es war bemerkenswert, dass dieser Tahsin, trotz seiner Macht und des Reichtums seines Vaters, ein ganz normaler Junge war. Weder arrogant noch verwöhnt. Und mit welcher Eleganz er gegen Mulai gekämpft hatte!
Anbar war erschrocken, als Mulais Blick bei der Wahl für den Kampfpartner zuerst auf ihn gefallen war. Er war kein Krieger und hätte in seinem geschwächten Zustand keine Minute überstanden. Doch Rayan hatte ihn erneut beschützt! Der Scheich hatte den Feigling darauf hingewiesen, dass er sich nur unter den Kriegern einen Gegner auswählen durfte. Somit war die Wahl des Sklaventreibers auf den Jungen gefallen und Anbars Herz hatte sich erneut vor Angst zusammengezogen. Was, wenn der Prinz zu Schaden kam? Oder wenn er Mulai unterlag? Würden die Tarmanen den Sadisten wirklich gehen lassen? Anbar wusste, dass es so war, denn Scheich Rayan war ein Mann, der zu seinem Wort stand. Nicht auszudenken, wenn sein Peiniger einfach so davon kam! Doch wenn der ehemalige Handlanger des Fürsten geglaubt hatte, sich mit Rayans Sohn den leichtesten Gegner ausgesucht zu haben, hatte er sich getäuscht. Tahsin war zwar sichtlich unerfahren gewesen, aber das glich er leicht durch seine Schnelligkeit und die gut eintrainierten Bewegungen aus. Und so entschied er den Zweikampf in relativ kurzer Zeit für sich. Anbar hatte das Schauspiel mit offenem Mund verfolgt. Ein unglaubliches Gefühl der Erleichterung durchflutete seinen ganzen Körper. Sein Peiniger war endlich geschlagen. Direkt im Anschluss an den Kampf hatten die Tarmanen den Bewusstlosen in Fesseln gelegt und mit der Folter begonnen. Vermutlich hätten die Männer noch stundenlang so weitergemacht, wenn Anbar sich nicht ein Herz gefasst, und das Messer in Mulais Brust gerammt hätte. Mit dieser Tat war dieses furchtbare Kapitel seines Lebens endlich abgeschlossen!