Читать книгу Rayan - Das Blut Von Zarifa - Indira Jackson - Страница 36

11. Januar 2016 - Zarifa: Krankenhaus - Anschuldigungen

Оглавление

„Du verdammter Mistkerl!“, schimpfte Leila leise vor sich hin. Sie hatte an Rayans Bett Platz genommen und hielt seine Hand. Es war ihre Art, mit ihrem Schmerz umzugehen. Sie war nicht Carina, die nach außen ihre Stärke demonstrierte, und nur hier in diesem Zimmer ihre Trauer zuließ.

Seitdem bekannt war, dass die Scheicha wieder schwanger war, bestand der Doktor darauf, dass sie sich regelmäßig im Zimmer nebenan niederlegte. Sie müsse an ihr Kind denken, egal wie sehr sie sich auch um ihren Ehemann sorgte, der inzwischen immer weniger wie er selbst aussah. Und außerdem war da ja auch noch Sheila, für die Carina ebenfalls tagsüber eine tapfere Miene demonstrierte. Rayans inzwischen acht Monate alte Tochter war zu jung um die tragischen Ereignisse um ihren Vater zu verstehen. Umso wichtiger war es der Scheicha, sie so wenig wie möglich von ihrer inneren Pein spüren zu lassen. Julie war ihr dabei eine große Hilfe und auch Daoud stellte sich als hervorragender Babysitter heraus. Sie konnten ohnehin nichts tun als warten. Bis Rayan wieder erwachte. Keiner traute sich den Gedanken laut zu äußern, der mittlerweile das ganze Tal erfasst zu haben schien: FALLS er wieder erwachte.“

Obwohl sie all das wusste, hatte Leila schließlich nichts mehr in Alessia gehalten. Sie konnte verstehen, dass es für ihren Partner Hanif angesichts der bedrohlichen Situation nicht infrage kam, Zarifa zu verlassen. Noch nicht einmal für wenige Tage. Und die täglichen Telefonate konnten nicht verhindern, dass sie sich ausgeschlossen fühlte. Fast alle von Rayans Freunden waren bei ihm, nur sie nicht. Dann hatte Hanif ihr von den Befürchtungen des Arztes berichtet, dass ihr Herr mit geistigen Schäden wieder erwachen könnte. Ihre Reaktion auf diese Nachricht war so temperamentvoll gewesen, wie immer. Und sie hatte ihre Entscheidung, etwas zu unternehmen, innerhalb von Sekunden getroffen. Bereits drei Tage später hatte sie sich kurzerhand in Rayans Transall begeben, die in regelmäßigen Flügen Zarifa von Alessia aus mit allerlei Dingen versorgte. Was man in früheren Tagen umständlich mit Karawanen hatte heranschaffen müssen, hatte Rayan in einem ersten Schritt durch Abwürfe aus Transportflugzeugen realisieren lassen. Doch diese Methode barg die Gefahr der Beschädigung der Waren und löste nicht das Problem des Personentransportes aus Zarifa heraus. Darum hatte er eine Möglichkeit geschaffen, in einem Seitental zu landen. Seitdem gab es diese Flugverbindung. Dass sie zudem das in den Bergen gewonnene Gold nach Alessia transportierte, war Leila nicht bekannt. Hanif hatte sein Wort gegeben, diese Information für sich zu behalten und als Ehrenmann stand er zu dieser Zusage. Selbst seiner Lebensgefährtin gegenüber.

Als Leila das Krankenzimmer zum ersten Mal betreten hatte, hatte sie wenig damenhaft geflucht. Ihren Beschützer derart wehr- und reglos in einem Krankenbett liegen zu sehen, angewiesen auf allerlei Geräte - inklusive dieses Blasenkatheters - war auch für die nicht gerade zimperliche Frau aus Alessia schwer zu verdauen. In ihren kühnsten Träumen hatte sie sich nicht ausgemalt, ihn einmal derart blass und hilflos zu sehen. Grimmig gratulierte sie sich zu ihrem Kommen. Das war inzwischen über eine Woche her und langsam begann Leila, zu verstehen, warum alle um sie herum derart angespannt waren. Diese Warterei war wirklich nervenaufreibend.

„Wo zum Teufel bist du?“, nörgelte Leila an den Bewusstlosen gewandt. „Bist du überhaupt noch da? Oder sitzt du schon irgendwo im Jenseits und vergnügst dich mit irgendwelchen Jungfrauen?“ Der Arzt hatte ihr zwar versichert, dass man Rayan nun nach und nach langsam aus dem Koma holen würde, doch sie hatte da so ihre Zweifel. Es fiel ihr schwer, der modernen Medizin zu vertrauen.

Daher lenkte sie sich ab, indem sie mit ihrem Freund sprach - oder vielmehr ihm Vorwürfe machte. Auf diese Weise war es einfacher, ihre Gefühle von Trauer und Furcht zu befreien. Furcht vor dem, was sein könnte und noch mehr vor dem, was sie dann als ihre Pflicht ansah.

„Trau‘ dich ja nicht!“, schnauzte sie nun lauter. „Wehe du lässt uns hier zurück in dieser miserablen Lage und berufst dich auf einen Heldentot und tröstest dich mit anderen Weibern!“

Obwohl sie inzwischen mit Hanif liiert war, den sie aufrichtig liebte, reizte die Vorstellung, Rayan würde sich tatsächlich mit Jungfrauen im Jenseits ein schönes Leben machen, ihre Eifersucht. Sie war eine clevere Geschäftsfrau, die fest mit beiden Beinen im Leben stand. Aus diesem Grund war ihr natürlich klar, dass dies eine höchst theoretische und vor allem philosophische Frage war. Und dass es völlig irrational war, deshalb wütend zu sein. Doch war es ein Kanal für ihre inneren Ängste. Lieber saß sie hier und schimpfte ihren reglosen Freund, als dass sie ihrer Schwäche nachgab und in Tränen ausbrach.

Und so steigerte sie sich immer mehr hinein in ihre Anschuldigungen.

„Du dummer Mensch! Jetzt siehst du einmal, was du von deinem Stolz hast!“, fluchte sie lauter werdend.

Jassim steckte seinen Kopf zur Tür herein, um sich zu vergewissern, dass alles in Ordnung war, doch Leila bemerkte dies nicht einmal. Kopfschüttelnd zog sich Rayans Leibwächter wieder zurück. Jeder hatte eben so seine andere Art, mit seinem Schmerz umzugehen.

„Ich habe dir schon immer gesagt, dass du dich wegen der Narben auf deinem Rücken anstellst!“, sie spielte auf die Tatsache an, dass der Skorpion erst auf Rayan geschossen hatte, als dieser sich geweigert hatte, sein T-Shirt auszuziehen. Vermutlich wäre die Geschichte ganz anders ausgegangen, wenn der Scheich den Anweisungen des Feindes gefolgt wäre.

„Aber nein! DU stehst ja über den Dingen, was?“, nörgelte Leila weiter.

„Und jetzt stellst du dich nicht einmal den Konsequenzen. Elender Feigling!“, echauffierte sie sich weiter. „Mach gefälligst die Augen auf und sieh‘ mich an, wenn ich dich anschnauze!“, fuhr sie mit ihrer Schimpftirade fort. „Ich …“, in diesem Moment erstarrte sie. Hatte Rayan eben ihre Hand gedrückt? Aber nein - die Bewegung war viel zu schwach gewesen, als dass sie sicher sein konnte. Vermutlich hatte ihr Wunschgedanke ihr etwas vorgegaukelt.

Aber dann sah sie es: Rayans Lider flatterten und einige Sekunden später hatte er tatsächlich die Augen aufgeschlagen und sah sich verwirrt im Zimmer um. Dabei schien er sie gar nicht wahrzunehmen.

Rayan - Das Blut Von Zarifa

Подняться наверх