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11. Januar 2016 - Zarifa: Krankenhaus - Sorgen um Carina, Sorgen um Rayan

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„Wo bin ich?“, fragte Rayan schwach.

Perplex starrte Leila ihren Freund und Herrn an. Seinen sonst so klaren Blick derart verschleiert zu sehen, schürte ihre Ängste. Langsam ergriff sie das Kissen, das sie vorsorglich schon neben sich gelegt hatte. Würde sie es nun wirklich zum Einsatz bringen müssen? Sie musste sich räuspern, bevor sie ihre Stimme dazu brachte, normal zu funktionieren. In ihr tobten einfach zu viele Emotionen zur gleichen Zeit: Freude - dass Rayan in die Welt der Lebenden zurückgefunden hatte, aber auch diese panische Furcht, dass sie ihren Schwur, ihn nicht als geistig zurückgeblieben weiterleben zu lassen, würde einlösen müssen. Mit Erschrecken erkannte sie den Schwachpunkt ihres Plans: sie selbst würde eine Entscheidung treffen müssen. Doch ihr blieb nicht viel Zeit - sicher würden die Geräte im Kontrollraum dem Arzt und seinen Helfern mitteilen, dass der Patient bei Bewusstsein war? Wenn sie also ihre „Sterbehilfe“ unbemerkt durchführen wollte, musste sie schnell agieren. Ihr Herz raste, denn noch ein Fakt fiel ihr erst jetzt auf: Würden die Werte gespeichert werden? Die Finger, die das Kissen hielten, zitterten unkontrolliert. „Oh Allah gib mir Kraft!“, flehte sie.

Stammelnd beantwortete sie Rayans Frage: „Hier, zu Hause“, und ergänzte dann schnell „In Zarifa. Im Krankenhaus, um genau zu sein.“

Rayans Blick richtete sich auf sie und er versuchte ein Lächeln, was ihm nur teilweise gelang. „Das kann nicht sein“, flüsterte er kaum hörbar. „Ich muss immer noch träumen … denn du kommst nie hierher.“

Nun grinste Leila breit. Offenbar hatte er sie doch erkannt! Sie spürte Erleichterung, doch das Misstrauen blieb. Testhalber neckte sie: „Um meinen Herrn und Meister von den Toten zu erwecken, ist mir kein Weg zu weit. Da komme ich sogar in dein rückständiges Kaff!“

Es war ein üblicher Scherz zwischen den beiden gewesen, weil Leila sich in der Vergangenheit als bekennende Städterin stets geweigert hatte, nach Zarifa zu kommen. Ohne dass sie dies hätte begründen können, hatte sie das Gefühl gehabt, in diesem Teil von Rayans Welt nichts zu suchen zu haben. Und vermutlich hätte sie sich tatsächlich gelangweilt. Sie brauchte die Aktivität der Stadt und Alessia war ihr gerade noch groß genug. Mehrere Male pro Jahr unternahm sie Reisen in die Metropolen der Welt. Sie liebte Madrid, aber auch Rom hatte es ihr angetan. Da passte die Ruhe und Besinnlichkeit Zarifas nicht so recht ins Bild. Würde er nun auf ihren so typischen Schlagabtausch eingehen? Es wäre der Beweis, dass sein Geist keinen Schaden davongetragen hatte.

„Wo ist Carina? Geht es ihr gut?“, riss Rayan sie aus ihren Gedanken. Zu ihrem Leidwesen ignorierte er ihre heitere Bemerkung. „Es geht ihr nicht gut“, stellte er dann fest. Um dann nochmals drängend zu fragen: „Was ist mit ihr? Warum leidet sie?“

„Aber sind diese Fragen nicht völlig logisch?“, beruhigte Leila sich selbst. „Er sorgt sich um die Frau, die er liebt! Welch besseren Beweis könnte es geben, dass mit seinem Verstand alles in Ordnung war?“

Nun konnte die sonst so starke Leila eine kleine Träne nicht mehr unterdrücken. Wenn er sich an seine Ehefrau erinnerte, schien sein Gehirn normal zu funktionieren. „Du Dummerchen!“, sagte sie sanft. „Sie leidet wegen DIR! Wir haben uns alle Sorgen um dich gemacht …“

Rayan dachte angestrengt nach. Er war in der Wüste gewesen, oder? Aber warum erinnerte er sich dann nicht mehr daran, wie er hierhergekommen war? Je länger er versuchte, sich zu konzentrieren, desto mehr drehte sich das Zimmer um ihn und er schloss die Augen wieder in der Hoffnung, dass der Raum aufhören möge, sich zu bewegen.

Verwirrung war eine Nachwirkung des langen Komas, auf diese Tatsache hatte sie Doktor Scott schon hingewiesen. „Ich kann ihnen nicht genau sagen, in welchem Zustand er erwachen wird - falls er erwacht! - auf jeden Fall ist es normal, wenn er Kreislaufbeschwerden hat. Selbst völlige Desorientierung während einiger Tage ist noch im Bereich der Norm. Wir müssen abwarten, bevor wir sagen können, ob er permanente Hirnschäden davongetragen hat. Sie müssen auch mit dem Schlimmsten rechnen: dass er nie wieder der Alte wird, weil zu viele Nerven im Gehirn geschädigt sind.“

Leila war es bei dieser Vorstellung kalt den Rücken hinuntergelaufen. Sofort war ihr klar geworden, dass Rayan es niemals wollen würde, in so einem Zustand weiterzuleben. Und sie hatte sich fest vorgenommen, diese Situation zu verhindern. Es war der Grund, warum SIE sich auf den Weg hierher gemacht hatte. Doch das würde außer Hanif niemals jemand erfahren. Noch dazu, weil ihr „Einsatz“ mittlerweile unnötig schien. Allah sei Dank!

Sie dachte kurz daran, wie sie und Hanif gemeinsam Carina versichert hatten, dass sie sich noch ausruhen konnte, dass es noch dauern würde, bis die Rückführung aus dem Koma erfolgreich wäre. Denn die Anwesenheit von Rayans Ehefrau wäre wohl kaum passend, wenn Leila im Falle einer Behinderung einfach das Kopfkissen auf den Mund ihres Freundes gedrückt hätte, bis es vorbei gewesen wäre. Auf diese Weise hätte niemals jemand erfahren, dass der ehrwürdige Scheich nicht mehr alle Sinne beisammengehabt hatte. Jeder würde die Tragödie beweinen, dass Rayan nie mehr erwacht war.

Langsam, als hätte er Leilas Gedanken gehört, öffnete Rayan seine Augen erneut. Er war nicht in der Lage, zu sagen, was genau passiert war. Aber eine Szene stand ihm noch ganz deutlich vor dem inneren Auge: „Da war ein Mann - er hat mich angeschossen!“ Ganz entgegen seiner sonstigen Art klang es nicht wütend, sondern erschöpft.

Leila nickte zustimmend. Erneut hätte sie am liebsten laut gejubelt. Rayan erkannte nicht nur sie und Carina, wie es schien, konnte er sich zumindest an das Wesentliche erinnern. Das war der Beweis! Es konnte alles nicht so schlimm sein! Und fast hätte sie doch noch geweint, während sie den Rufknopf am Bett betätigte. Schon wenige Sekunden später kam Frau Scott ins Zimmer geeilt. Jassim und Hanif folgten ihr dichtauf.

Rayan - Das Blut Von Zarifa

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