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18. Januar 2016 - Zarifa: Krankenhaus - Ein unleidlicher Patient

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Doktor Scott kam wie üblich zur morgendlichen Visite herein. Und wie ebenfalls bereits tägliche Routine fand er den Scheich in schlechter Laune vor.

Er unterdrückte ein Lächeln, um seinen Patienten nicht noch mehr zu reizen. Dieser Mann war es gewöhnt, dass alles nach seinen Wünschen – oder besser Anordnungen – ging. Doch seine eigene Gesundheit ließ sich nichts von ihm befehlen. Man musste sich wohl oder übel gedulden. Ob einem das gefiel oder nicht. Immerhin hatte der Mann fünf Wochen im Koma gelegen, und das nahmen ihm sein Kreislauf und seine in diesen Wochen völlig unbenutzten Muskeln übel. Wieder fit zu werden, war ein Prozess, der seine Zeit dauerte. Die Nachricht seiner Ehefrau, dass sie im vierten Monat schwanger war, hatte wie ein wahrer Jungbrunnen auf den Geschwächten gewirkt, es war der Grund gewesen, warum er schneller als normal in der Lage gewesen war, längere Zeit aufrecht im Bett zu sitzen. Jedoch war diese positive Wirkung der anregenden Neuigkeit nur von begrenzter Dauer gewesen.

Immerhin durfte Rayan seit zwei Tagen das Bett für einige Stunden verlassen – um in einem Rollstuhl zu sitzen. Denn das Bein zu belasten war noch äußerst schmerzhaft. Erfreulicherweise hielt sich der Scheich an die „Empfehlungen“ des Arztes. Aber als er das Wort „Rollstuhl“ gehört hatte, war er kurz vor einer Explosion gewesen. Doktor Scott kannte die Geschichte vom letzten Jahr, als der stolze Anführer der Tarmanen sich in einem Rollstuhl durch Paris und München hatte schieben lassen müssen. Das hätte er zu gerne gesehen! Rayan hatte sich damals geschworen, nie wieder in „so einem Ding“ zu sitzen. Tja, wie man sich täuschen konnte …

„Grinsen Sie nicht so sarkastisch“, schimpfte Rayan in diesem Moment auch schon ärgerlich.

Ertappt bemühte sich der Mediziner mit dem nötigen Ernst drein zu blicken, was ihm nicht völlig gelang. „Im Grunde ist es einfach meine Freude, Sie über dem Berg zu sehen“, antwortete er lächelnd. „Sie haben mich einige Wochen lang wirklich in Atem gehalten.“ Etwas leiser fügte er hinzu: „Und alles nur wegen dieses blöden Stolzes.“

„Was haben Sie gerade gesagt?“, zischte Rayan erbost. „Nichts!“, beeilte sich Scott zu versichern, bevor sich die Wut seines Gegenübers auf ihn entlud. Schnell widmete er sich seinen üblichen Routinechecks an seinem ungeduldigen Patienten.

Im Großen und Ganzen wusste er aber, dass er ohnehin maximal eine mündliche Abmahnung zu befürchten hatte. Der Scheich war viel zu froh darüber, in ihm einen überaus fähigen Mediziner gefunden zu haben, der das früher ziemlich rückständige „Krankenhaus“ in ein medizinisches Zentrum nach neuestem Standard umgewandelt hatte. Es war in der Größe der kleinen Stadt zwar angemessen, aber dafür mit fast allem ausgestattet, was man sich als Mediziner normalerweise in einer Metropole heutzutage wünschen konnte.

Er hatte nur auflisten müssen, was er brauchte und der Scheich hatte sich darum gekümmert, dass es geliefert worden war. Kosten spielten keine Rolle. Was für ein Traum im Gegensatz zu früher, wo er über jede einzelne Spritze hatte Buch führen müssen.

Umso mehr war es erfreulich, dass diese moderne Technik – konkret der nach allen Vorschriften korrekt ausgestattete OP - ihm jetzt selbst das Leben gerettet hatte.

Denn Rayan hätte den starken Blutverlust an seinem Oberschenkel sonst nicht überlebt. Eine Notoperation und viele Bluttransfusionen waren nötig gewesen, ihn am Leben zu erhalten. Und dann diese gefährliche Sepsis und das Koma! Ja, die letzten Wochen hatten ihnen allen viel zugemutet.

Und nun saß der Patient hier und konnte sich schon wieder darüber beklagen, dass er in einem Rollstuhl sitzen musste – als wäre dies der Untergang der Welt.

Eine weitere, recht bemerkenswerte - um nicht zu sagen eigenwillige - Vorgabe des Rats der Tarmanen war es gewesen, dass er kein Blut von Nichtverwandten für den Scheich nehmen dürfe. Er und Rayan hatten vor über zwei Jahren zum ersten Mal über die Technik von Bluttransfusionen gesprochen und der Scheich hatte den Vorgang und vor allem die Herkunft des Spenderbluts kritisch hinterfragt. Doktor Scott hatte schon damals dieses völlig veraltete Gesetz belächelt. Königliches Blut? So ein Unsinn! Was ihn anging, sah es genauso aus, wie das aller anderen Sterblichen, das er bisher zu Gesicht bekommen hatte. Doch der Scheich hatte kategorisch abgelehnt, sich dem Rat zu widersetzen. So wie Scott es verstanden hatte, war es nicht Arroganz auf Rayans Seite gewesen, sondern die Stammesältesten, die das alte Gesetz per se weiter gültig sehen wollten.

Zum Glück hatten sie dann eine Lösung gefunden, indem Rayan regelmäßig Eigenblutspenden machte. Nur zur Sicherheit, damit ihm im Notfall sein eigener Lebenssaft wieder verabreicht werden könne. Wer hätte gedacht, dass Doktor Scott den Vorrat tatsächlich einmal dringend benötigen würde? Und die Menge hatte noch nicht einmal ausgereicht. Aber glücklicherweise war das Blut seines Bruders Daoud kompatibel gewesen.

Nachdem Doktor Scott - Wissenschaftler durch und durch - nicht an so etwas wie „besseres“ oder „schlechteres“ oder gar „adliges“ Blut dachte, faszinierte ihn die sture Haltung des Rates. Er kannte Rayan sonst als Mann, der überall auf moderne Technik Wert legte. Der Mediziner war schon einige Male im Büro des Scheichs drüben im Herrenhaus gewesen, und hatte nicht schlecht gestaunt, wie hochwertig die Ausstattung dort war. Dazu passte es keinesfalls, dass er sich dieser engstirnigen Meinung unterordnete.

Doch Rayan kannte seine Landsleute gut genug und hatte ein gutes Gespür dafür, wo sie ihre Grenzen hatten. Aus diesem Grund hatte er sich geweigert, mit dem Doktor weiter darüber zu diskutieren oder gar seine Beweggründe genauer zu erläutern.

Das Gespräch wäre beinahe eskaliert, weil der Arzt strikt verneint hatte, eine entsprechende Zusage zu machen. Seine Aufgabe war es, Leben zu retten und er würde sich dafür zur Not auch über derartige Befindlichkeiten hinwegsetzen.

Wie gut für sie beide, dass sie einen Kompromiss gefunden hatten.

Und nun saß der mächtigste Mann der ganzen Region hier in seinem Rollstuhl und konnte sich selbst nicht leiden, weil er zur Unbeweglichkeit verdammt war, während seine Krieger und allen voran sein Sohn draußen in den Bergen hinter den Eindringlingen herjagten.

Rayan - Das Blut Von Zarifa

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