Читать книгу Rayan - Der Stich des Skorpions - Indira Jackson - Страница 18
Anfang August 2015 - USA: Charlotte - Unerwartetes Eintreffen
ОглавлениеAls Rayan den Mietwagen auf dem für ihn persönlich als CEO der Firma TanSEC reservierten Parkplatz in der Tiefgarage abstellte, spürte er Erleichterung, dass er endlich sein Reiseziel erreicht hatte. Aber andererseits auch eine grimmige Entschlossenheit. Er würde seinen beiden „Freunden“ klar machen, dass sie diesmal zu weit gegangen waren. Die Begegnung am Flughafen hatte er für den Moment aus seinem Gedächtnis verbannt – dafür war später noch Zeit. Ein Problem nach dem anderen. Aber immerhin hatte ihn das Ereignis etwas aus seinen trüben Gedanken gerissen.
Im Fahrstuhl wartete er ungeduldig, bis er die Lobby erreicht hatte. Dort musste er nochmals umsteigen, um mit einem zweiten Lift in die Büroetagen zu gelangen. Der kritische Blick der attraktiven Empfangsdame des Bürokomplexes traf ihn, die in der Lobby so platziert war, dass sie sowohl den Haupteingang, als auch den Aufzug aus der Tiefgarage perfekt einsah und jede Person genau in Augenschein nahm. Ihre Miene hellte sich auf, als sie ihn erkannte und sie grüßte den Hauptfirmeninhaber von Tanner-Security - „TanSEC“ respektvoll. Schließlich war diese Firma der Mieter der kompletten oberen Etage und somit ihr „Hauptkunde“. Sie öffnete den Mund, um wie üblich einige Floskeln auszutauschen, doch angesichts von Yasin Tanners Laune überlegte sie es sich anders und beschäftigte sich schnell mit irgendwelchen Unterlagen, die vor ihm auf dem Empfangspult lagen.
Erfreulicherweise stand die Kabine des anderen Fahrstuhls schon bereit und ohne weitere Verzögerungen gelangte Rayan in die oberste Etage.
Als sich die Schiebetüren, begleitet von einem kurzen, hellen Warnton öffneten, sprang die blonde Frau hinter dem Empfangsdesk erschrocken auf. Die Mischung aus schlechtem Gewissen – weil sie sich gerade die Nägel lackiert hatte – und Verwirrtheit bei der sonst so kühlen Assistentin von TanSEC hätte Rayan unter anderen Umständen zum Lächeln gebracht. Heute jedoch brachte sie ihn nur dazu, die Brauen zu runzeln. „Mister Tanner – Sir – wir … ich wusste nicht …“, stammelte sie und Rayan tat sie fast ein bisschen leid, weil es zum ersten Mal in den immerhin fast fünf Jahren ihrer Zusammenarbeit war, dass er sein Kommen vorher nicht angekündigt hatte.
„Schon gut, Tamara“, rang er sich daher ab, doch es klang keineswegs so freundlich, wie er es beabsichtigt hatte, und trug folglich auch nicht zu ihrer Beruhigung bei.
„Ist etwas passiert? Brauchen Sie etwas?“, fragte sie nun mit aufgerissenen Augen, fast ein wenig panisch. Nachdem sich Rayan in seiner Person als Yasin Tanner meist um Höflichkeit bemühte und stets ausgeglichen schien, war sie es nicht gewohnt, ihn derart aufgebracht zu sehen. Kein Wunder also, dass sie mit dem Schlimmsten rechnete.
„Schon gut – es hat nichts mit Ihnen zu tun. Oder der Firma“, sagte er nun betont ruhig und zufrieden sah er an ihrer Reaktion, dass er diesmal den Ton getroffen hatte. Sie entspannte sich merklich.
„Aber ich möchte unverzüglich mit meinen beiden ‚Kollegen‘ sprechen.“ Tamara wusste sofort, dass er den CIO Cho Han und den Tactical COO Joe Jackson meinte. Sie zögerte einen Sekundenbruchteil und antwortete dann: „Sie sind beide in einem Meeting …“ Doch noch, bevor sie ihren Satz zu Ende sprechen konnte, unterbrach Yasin Tanner sie, nun wieder mit dieser ungewohnt kalten Stimme, die keinerlei Diskussion zuließ: „Sofort. In meinem Büro.“
Schnell machte sie sich auf den Weg, die beiden Herrn wie gewünscht zu holen. Sollten sie doch untereinander ausmachen, was immer an Differenzen sie offenbar zu klären hatten. Sie war nur die Überbringerin der Nachricht.
Als sie leise die Tür zum Besprechungsraum öffnete, stand Mr. Han gerade an der Leinwand und erklärte den anderen Teilnehmern des Treffens die Zusammenhänge einer Graphik, die der Beamer dort abbildete. Er hielt sofort inne und sah Tamara an, als er sie bemerkte. „Was gibt es denn?“, fragte er etwas genervt.
„Sind die heute eigentlich alle von Sinnen?“, ging es der Assistentin durch den Kopf, doch in neutralem Tonfall sagte sie professionell: „Mr. Tanner ist hier. Er würde sie beide“, sie blickte nun auf Joe Jackson, der wie üblich ganz hinten Platz genommen hatte, „gerne sprechen.“
Ihr entging nicht der Blick, den die beiden tauschten, bevor sie wie selbstverständlich das Meeting abbrachen. Immerhin entschuldigten sie sich noch bei den drei außer ihnen anwesenden Personen, bevor sie den Raum verließen. Es handelte sich schließlich um Kunden! Das hatte es auch noch nicht gegeben, dass man potenzielle Auftraggeber warten ließ. Spätestens als dann auf dem Flur Mr. Jackson leise murmelte: „Das ging ja schnell“, war sie sich sicher, dass zumindest diese beiden vom Kommen Mr. Tanners gewusst hatten.