Читать книгу Die Hausarztpraxis von morgen - Iris Veit - Страница 28
3.4 Die Familie als Ort der Fürsorge
ОглавлениеEs mag der Eindruck entstehen, dass hier die Familie unter negativen Vorzeichen gesehen wird. Doch an erster Stelle ist die Familie ein Ort der Fürsorge und eine große Ressource für alle Kranken und Sterbenden und ebenso für die Erhaltung von Gesundheit ihrer Mitglieder. Krank ist man nie allein. An eine Erkrankung muss sich die gesamte Familie anpassen, und eine chronische Erkrankung des einen hat Folgen für die anderen. Unter den Folgen eines Prostatakarzinoms leidet auch die Lebensqualität der Ehefrau. Geschwisterkinder fühlen sich durch die Krankheit eines Geschwisters nicht selten zurückgesetzt. Paarkonflikte bei Menschen mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen sind im Vergleich mit anderen Paaren gravierender, um nur einige Beispiele zu nennen. Fast alle Erkrankungen bringen das bisherige Gefüge einer Familie durcheinander. Bei Erkrankung der Ehefrau muss vielleicht der Ehemann und Vater Aufgaben übernehmen, die er bisher nie hatte, und die gesamte Familie muss eine neue Balance finden, die ihre Funktion weiterhin gewährleistet. Wenn dies gelingt, wird auch der Verlauf der Krankheit positiv beeinflusst, wie eine Studie über den Verlauf einer KHK bei Frauen belegt. Eine positive Paarbeziehung verbessert die Rückbildung der KHK (Orth-Gomez 2009). Überhaupt belegt die Forschung zur Krankheitsbewältigung die Bedeutung guter sozialer Beziehungen – Beziehungen sind heilsam – und die Familie ist auch heute noch das wichtigste Beziehungsgefüge.
Der Hausarzt sollte also berücksichtigen, dass nicht nur der Indexpatient betroffen ist, sondern auch seine gegenwärtige Familie und deren Unterstützung für das, was wir heute Selbstwirksamkeit nennen, wesentlich ist. Zum Gelingen der Anpassung des Einzelnen wie der gesamten Familie an die Schwere einer Krankheit kann der Hausarzt beitragen. Der erste Schritt dazu ist eine gute Aufklärung der gesamten Familie über die Krankheit, ihren Verlauf und darüber, was hilft. Jedenfalls verbessert sich die Blutdruckeinstellung durch eine gute Aufklärung der Ehefrau. Dabei sollte der Hausarzt jedoch nicht stehen bleiben. Er könnte Fragen stellen, die helfen, Ambivalenzen in der Beziehung zu anderen Familienmitgliedern zu klären, und sich nicht mit naheliegenden Erklärungen zufriedengeben. Dazu ein Beispiel: