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Dienstag, 2. Juni 1998, Vorlauf

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Max ist ein wenig genervt. Wie viele Vorstellungsgespräche eigentlich noch? Ganz zu schweigen von den Bewerbungen. Liegt es an der Durchschnittsnote im Diplom? Liegt es an ihm als Person? Liegt es am Fach? Hätte er nicht VWL studieren sollen? So schwierig hatte er sich den Neubeginn nicht vorgestellt. Oder liegt es an Hamburg?

Anna ist mittlerweile dort gelandet. Die Kontakte seiner Schwester sind jetzt auch einmal Max hilfreich. Eine Freundin von Silvia hatte seiner Schwester erzählt, dass in ihrer Nachbarschaft eine Wohnung für eine kurze Zeit zur Untermiete frei sei. Erbstreitigkeiten, und da wisse man nie so genau, wie lange die dauerten. Die Adresse sei für einen Freund, sagte Max und hofft, dass Anna die Zeit reichen werde, um die Arbeit dort kennenzulernen und für sich – oder vielleicht auch für sie beide? – eine andere Wohnung suchen zu können.

Der Job macht Anna viel Spaß und mit den neuen Kollegen scheint sie sich auch gut zu verstehen, soweit man das nach ein paar Wochen beurteilen kann. Die Pendelei ist für Max nicht so einfach, ehrlich gesagt eher unmöglich geworden, weil weder ein Heimplatz für den Vater gefunden ist noch das Haus verkauft werden konnte. Und Letzteres muss auch noch ausgeräumt werden. Silvia hat versprochen, sich wieder mehr darum zu kümmern. So nahe am Ziel kann man schon mal ungeduldig werden.

Welches Ziel eigentlich? Vom Elternhaus direkt in eine Beziehung mit Wohnungsanschluss? Hört sich schön an und doch wieder nicht. Max möchte gerne einmal nur für sich sein, aber mit Anna. Klingt komisch, weil sie gerne gleich zusammenziehen möchte, aber die derzeitige Wohnung, die sie so schnell bekommen hat, ist nur übergangsweise und auf Dauer sowieso zu klein. Ob sie nochmals abwartet? Ruhe ist nicht wirklich ihre Stärke, sonst hätte Anna vielleicht auch nicht den Job bekommen, da ist Ungeduld als Antriebs- und Überzeugungsmittel stark gefragt.

Gut, dass Silvia nachher noch die Hemden umnäht. Als der Winter dann vorbei war, hatte sie immerhin schon den Flicken auf die Lederjacke genäht. Wieso sie für das Raussuchen des Lederrestes so lange brauchte, hatte sie ihm damit erklärt, dass es farblich und von der Dicke und der Narbung des Leders her zum Rest der Jacke passen müsse, entweder als Kontrast oder als Ergänzung. Kein Wunder, dass bei seiner Schwester vieles so lange dauert, überlegt Max, auch wenn sie manchmal recht hat.

Wenn Silvia heute wieder mit ihrer Neugier kommt, wird er eben auch wie üblich kurz grummeln und dann fährt sie ja auch bald schon wieder los. Eine Fragende weniger. Wieso soll er überhaupt schon wieder alles wissen? Kann er hellsehen? Erst mal hinfahren, dann sehen sie weiter. Mini ist ja da im Haus beim Vater, und er kann dann endlich mal zwei ganze Tage in Hamburg bleiben. Hoffentlich legt Anna nicht so viel Hoffnung in das Vorstellungsgespräch, dann muss er sie auch noch trösten.

Wer tröstet ihn, wenn es nicht klappt? An seiner Vorbereitung liegt es jedenfalls nicht, er ist bestens vorbereitet, hat alles Material gut studiert und zigmal kontrolliert.

Unglück

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