Читать книгу ROMY - Isabella Maria Kern - Страница 14

Richard, Frühjahr 2010, sein letzter Tag

Оглавление

Nachdem ich auch nach dem Essen-Austeilen keinen Zugang mehr zu Richard fand, war ich strikt davon überzeugt, dass er seinen Selbstmord in die Tat umsetzen wollte.

Ich nahm Kontakt zu seiner Schwester auf.

Sandra war außer sich vor Sorge.

Noch vor dem Mittagessen erschien sie mit Gabi, der anderen Schwester auf unserer Krankenstation und wollte mit Richard sprechen, der aber jedes Gespräch verweigerte und sich fürchterlich darüber aufregte, dass seine Schwestern auf die Station gekommen waren.

Dann ließ er uns stehen und meinte, wir sollten ihn gefälligst in Ruhe lassen, er habe sich ja verabschiedet und wir hätten es zu akzeptieren, denn das wäre sein Leben.

Wir überlegten hin und her und kamen zu der Erkenntnis, dass er sich tatsächlich anders benahm als sonst.

Er hatte uns schon mehrmals seinen Selbstmord angekündigt, aber sein Verhalten war diesmal anders.

Die Situation in der Arbeit drohte zu eskalieren.

Ich schickte seine beiden Schwestern, die hilflos im Gang umherstanden und bei den Arbeitskolleginnen und Kollegen nur Verwirrung auslösten, wieder nach Hause mit dem Versprechen, die Situation einem Oberarzt darzulegen und mich später bei ihnen zu melden.

Richard war froh, dass sie wieder weg waren und äußerte sich sehr abfällig über seine Schwestern, was mich in Anbetracht, dass sie sich große Sorgen um ihren kleinen Bruder machten, ärgerte.

Er hätte sich doch am Vorabend schon verabschiedet und seine Entscheidung hätten sie zu akzeptieren.

„Wenn du noch einmal von Selbstmord sprichst, dann lasse ich dich in die Psychiatrie einweisen. Verstehst du das?“, ich versuchte ruhig mit ihm zu sprechen.

„Wenn du das tust, dann springe ich aus dem fünften Stock!“, rief er gereizt und sah mich hasserfüllt an.

Für mich wurde es immer mehr zur Gewissheit.

An diesem Tag hörte sich seine Selbstmordgeschichte anders an als gewöhnlich.

Nachmittags informierte ich seine Schwestern, dass ich vor Dienstende in Absprache mit unserem Arzt die Polizei anrufen und Richard in die Psychiatrie einweisen lassen würde.

Ich hatte an diesem Tag zweimal gehofft, dass mir jemand die Entscheidung abnehmen würde, aber auch der Oberarzt nahm es nicht in die Hand, sondern riet mir nur, die Polizei zu rufen.

Ich informierte meinen Chef, der sich genau wie ich, sehr große Sorgen um Richard machte, über meine Absicht und auch er war froh, dass ich mich darum kümmerte.

Keiner redete mehr ein Wort und die Stimmung war bis zum Abend sehr gedrückt.

Ich weiß bis heute nicht, ob Richard damit gerechnet hat, dass ich ihn tatsächlich einweisen lassen würde.

Um 17.30 Uhr rief ich bei der Polizei an und schilderte die Situation.

Eine viertel Stunde später erschienen zwei Polizisten auf der Station.

Richard betrat zur selben Zeit ein Patientenzimmer. Mein Herz drohte aus dem Brustkorb zu springen und ich ging ihm nach und wollte ihm gerade sagen, dass er mit mir kommen solle, damit die Patienten nichts bemerkten, da erblickte er die beiden Polizisten selbst.

Er schubste mich im Patientenzimmer zur Seite, schrie, dass er mich hasste und hielt die Tür zu.

Ich kann mich auch nicht daran erinnern, ob, und was die Patienten von dieser Situation mitbekamen, aber Richard öffnete nach einer Weile freiwillig die Tür und schritt erhobenen Hauptes zwischen den Polizisten zum Pflegestützpunkt zurück.

Ich schlich bedrückt hinterher.

Richard drehte sich zu mir um und zischte, in einem Ton, den ich nie vergessen werde:

„Ich hasse dich, Isa. Nie hätte ich mir gedacht, dass du mir das antust!“

Wegen Gefahr in Verzug gegen das eigene Leben nimmt normalerweise der Amtsarzt die Zwangseinweisung in eine Unterbringung vor. Warum die Polizei den Amtsarzt nicht im Vorhinein verständigte, ist mir bis heute nicht klar.

Aber Richard war natürlich so intelligent, den Polizisten gleich zu sagen, er käme freiwillig mit.

Somit gab es für ihn keine Zwangseinweisung.

Die Polizei begleitete ihn von der Station in die Umkleidekabine des Krankenhauses und brachte ihn anschließend in die Psychiatrie.

Noch vor 19 Uhr läutete mein Handy.

„Hi Isa, ich bin wieder draußen. Die können mich nicht in der Klinik behalten, wenn ich sage, dass ich es nicht ernst gemeint habe. Und glaube mir, ich kann sehr überzeugend sein, wenn ich will“, triumphierte er.

„Es tut mir leid, aber ich habe getan, was ich für nötig befunden habe. Mehr kann ich nicht tun. Wo bist du jetzt?“ Natürlich war ich perplex.

„Das geht dich nichts an“, meinte er und legte auf.

Seine Schwester Sandra hatte ihn bis zum späten Abend gesucht. Gegen Mitternacht tauchte er in einem erbärmlichen Zustand bei ihr auf.

Es regnete in Strömen.

An diesem Tag sagte er seiner Schwester zum ersten Mal, dass er sich in einem falschen Körper befinde.

ROMY

Подняться наверх