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Romy, Mai 2013, Urologische Ambulanz

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Romy war nervös.

Ich versuchte sie zu beruhigen und sagte ihr, sie solle sich doch bitte auf einen Stuhl setzen und nicht vor den anderen wartenden Patienten und Patientinnen herumzappeln.

Sie setzte sich brav.

Aber nicht lange.

Endlich wurde sie aufgerufen und ich konnte in Ruhe etwas lesen, bis sie über das ganze Gesicht strahlend wieder aus dem Untersuchungsraum kam.

„Mausi, das glaubst du nicht“, sagte sie und zerrte an meinem Arm, um mich zum Aufstehen zu bewegen.

Ich wäre auch von allein aufgestanden.

„Der Arzt hat mit mir geflirtet“, lachte sie laut und ich blickte mich nervös um, weil uns alle anstarrten.

Flüstern zählte nicht zu Romys Stärken.

„Warte“, sagte ich und griff nach meiner Jacke, „erzähle mir das bitte draußen.“

Ich warf ihr einen warnenden Blick zu.

Sie brach in schallendes Gelächter aus und damit war uns die Aufmerksamkeit aller wartenden Patienten gewiss.

„Nein, wirklich, Mausi!“, rief sie abermals viel zu laut.

Ich biss die Zähne zusammen.

„Komm!“, nun war ich diejenige, die an ihrem Arm zerrte.

Ich wollte weg von hier und erst draußen die ganze Geschichte erfahren.

Vor der Krankenhaustür zündete sie sich sofort eine Zigarette an.

„Lass doch endlich das Rauchen“, nörgelte ich, „das ist nicht ladylike.“

Es ging zum einen Ohr hinein und zum anderen hinaus.

Genüsslich blies sie den Rauch in meine Richtung.

Absichtlich.

Ich hasste das.

Aber ich akzeptierte den Tabakgestank und wartete auf ihren ausführlichen Bericht.

„Der Arzt war total süß“, ihre türkisenen Augen blitzten schelmisch und ihren Mund umspielte dieses einzigartige Lächeln, dass ich so sehr an ihr liebe.

„Wie, süß?“, fragte ich neugierig.

„Ich glaube, ich habe ihm gefallen“, sie lachte übermütig.

Ich runzelte die Stirn. Wahrscheinlich übertrieb sie wieder einmal.

„Am 16. September habe ich den Operationstermin“, informierte sie mich strahlend.

„Ehrlich?“, fragte ich und freute mich, „das ist mein Geburtstag!“

„Dann haben wir ab jetzt am selben Tag Geburtstag!“, rief sie begeistert aus und umarmte mich mit der brennenden Zigarette, die kurz meine Haare streifte.

Ich freute mich tatsächlich, nahm es als gutes Omen und stieß sie sanft von mir, die brennende Zigarette beobachtend.

Es war Mai und alles hatte zu blühen begonnen, die Sonne sandte ihre bereits kräftigen Strahlen zur Erde und bescherte uns einen herrlichen Tag. Alles schien perfekt zu laufen.

Die geschlechtsangleichende Operation war genau das, was Romy noch zum Glücklichsein fehlte, (glaubte ich).

„Aber wenn es schief geht?“, fragte sie prompt.

„Was soll denn schief gehen?“, fragte ich genervt, weil ich schon mit einer Frage dieser Art gerechnet hatte.

Romy hatte ständig Angst, dass gerade bei ihr irgendetwas nicht funktionierte.

Und oft geschah dann auch das, was sie unbewusst herbeisehnte. Ich versuchte ihr den Mechanismus dieser Gedankenschwingungen zu erklären.

Ich erzählte ihr, wie positive Gedanken das Leben beeinflussen und wie sich negative Gefühle in selbsterfüllende Prophezeiungen verwandeln konnten.

„Was du denkst, wirst du irgendwann einmal sein“, machte ich sie aufmerksam, „wenn du sagst, dass du hässlich und unglücklich bist und deinen Fokus auf diese Gefühle richtest, dann fühlst du dich tatsächlich hässlich und unglücklich.“

„Aber ich DENKE nicht, dass ich hässlich und unglücklich bin, sondern ich BIN es“, konterte sie, völlig davon überzeugt.

„Ja, aber du kannst deine Gedanken auf positive Weise programmieren. Es dauert vermutlich Monate, bis du dich selbst davon überzeugen kannst, dass du hübsch und zufrieden bist. Aber du musst daran arbeiten. Von selbst passiert das nicht“, erklärte ich ihr, aber sie hörte nicht zu.

„Romy, bitte denke einmal positiv. Es wird funktionieren. Es wird dir gut gehen“, versuchte ich sie ein weiteres Mal zu bestärken.

„Wahrscheinlich bekomme ich Krebs“, war ihre nächste Aussage.

„Warum sollst du denn Krebs bekommen?“, fragte ich gereizt.

„In unserer Familie erkranken die meisten an Krebs“, meinte sie unbeeindruckt.

„Aber genau deshalb sind sie anfällig für den Krebs, weil sie sich damit beschäftigen“, ich versuchte ihr wieder zu erklären, wie sich das mit den Gedanken so verhielt.

Meine Erklärungen fielen nicht auf fruchtbaren Boden, also wechselte ich das Thema.

„Was hat er denn zu dir gesagt, der Arzt?“

Sofort stieg sie natürlich wieder in diese Geschichte ein.

„Er hat mir Komplimente gemacht, und dann hat er mich untersucht, aber er hat so ausgesehen, als würde es ihm Spaß machen“, Romy wurde etwas verlegen.

Ich schüttelte den Kopf.

„Nein, im Ernst. Er hat auch gesagt, dass er sich freut, wenn er mich wiedersieht. Ist das normal? Sagt man das einer Patientin, die man im Herbst operiert? Ich finde das schon seltsam“, sagte sie.

Ja, ich auch, aber vielleicht hatte sie wieder einmal übertrieben.

ROMY

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