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Romy, Frühjahr 2018, auf Kreuzfahrt

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Ich sitze wieder auf Deck 16, das Schiff liegt diesmal im Hafen von Southhampton und ich sehe den Möwen zu, die lautlos an den großen Fensterfronten vorbeigleiten.

Ich frage mich, mit welchen Problemen diese Vögel zu kämpfen haben. Ob ein Vogel unglücklich sein kann?

Friert er, wenn es regnet?

Muss er um sein Essen kämpfen, wenn er Hunger hat?

Kann ein Vogel lieben?

Wenn ja, liebt er einen Vogel, oder mehrere?

Bei unserer ersten Kreuzfahrt hat uns eine Möwe den langen Weg von Chioggia bis in den Hafen von Venedig begleitet.

Wir saßen im Restaurant an Deck 15 und der kleine Vogel flog neben dem Schiff her. Manchmal ließ er sich ein Stück zurückfallen und holte dann wieder Schwung, um neben unserem Fenster zu segeln.

Aber auch wenn ich diese Möwe ein Weilchen aus den Augen ließ, fand ich sie immer wieder.

Ich freute mich, wenn sie wieder in unserem Blickfeld war.

Woran ich sie erkannte?

Diese Möwe hatte nur ein Bein.

Und nun sitze ich hier, schaue den Möwen zu und frage mich, ob eine Möwe mit einem Bein denselben Stellenwert in der Möwengesellschaft hat wie eine gesunde Möwe.

Sie kann genauso gut und hoch fliegen wie die anderen und lässt sich mit unglaublicher Geschwindigkeit in die Tiefe fallen, um etwas Essbares zu erhaschen, das ein Passagier vom Balkon wirft.

Ob die anderen Möwen sich gegenseitig anstoßen und flüstern:

„Schau, der da hat nur ein Bein. Wie sieht das denn aus?“

„Das ist ein Krüppel und gehört nicht in unsere Gesellschaft!“

Ich kann es mir nicht vorstellen.

Andererseits wird ein krankes Huhn von den anderen Hühnern gemobbt und aus der Gruppe ausgeschlossen.

Aber ich halte eine Gesellschaft nur für zivilisiert, wenn sie sich auch um das schwächste Glied der Gesellschaft kümmert.

Sei es Mensch oder Tier.

Da fällt mir eine Geschichte ein, die ich im Internet gelesen habe und die mich jedes Mal zu Tränen rührt:

Die Hündin eines Ladenbesitzers in einer Kleinstadt hatte Junge bekommen. Es waren keine Rassehunde, mit denen man Geld machen konnte, sodass der Besitzer die zusätzlichen Mäuler schnell los werden wollte. Als sie acht Wochen alt waren, brachte er ein Schild an der Tür an. Darauf war zu lesen:

Hundewelpen zu verkaufen!

Ein kleiner Junge kam zufällig vorbei und sah das Schild.

Da der Ladenbesitzer gerade an der Tür stand, fragte ihn der Junge: „Was kosten die Welpen denn?“

Zwischen 50 und 80 Euro“, sagte der Mann mürrisch.

Der kleine Junge griff in seine Hosentasche und holte einige Münzen heraus.

Ich habe 2 Euro und 37 Cent“, sagte er, „darf ich sie mir bitte mal anschauen?“

Der Ladenbesitzer pfiff nach seiner Hündin. Rasch kam sie angelaufen und fünf kleine Welpen stolperten tapsig hinter ihr her. Das war niedlich anzuschauen und dem Jungen ging das Herz auf. Doch dann sah er einen, der deutlich langsamer war als die anderen, humpelte und zurückblieb.

Was hat denn der Kleine da hinten?“, frage der Junge.

Der hat einen Geburtsfehler und wird nie richtig laufen können“, antwortete der Mann.

Den möchte ich haben“, ruft der Junge.

Der Ladenbesitzer wunderte sich und sprach: „Also den würde ich nicht nehmen. Der wird nie ganz gesund. Aber wenn du willst, schenke ich ihn dir!“

Der kleine Junge wurde sehr wütend. Er blickte dem Mann fest in die Augen und erwiderte: “Ich möchte ihn nicht geschenkt haben!

Dieser kleine Hund ist jeden Cent wert, genauso wie die anderen auch! Ich gebe Ihnen jetzt meine 2 Euro und 37 Cent und jede Woche werde ich Ihnen einen weiteren Euro bringen, bis er abbezahlt ist.“

Verständnislos schüttelte der Ladenbesitzer den Kopf und redete auf den Jungen ein: „Ich würde ihn wirklich nicht kaufen. Überleg es dir doch noch mal. Der wird nie in der Lage sein, mit dir zu spielen und herumzutoben wie die anderen. Was willst du mit ihm? Er wird dir keine Freude machen!“

Da zog der Junge sein linkes Hosenbein hoch und sichtbar wurde eine Metallschiene, die sein verkrüppeltes Bein stützte. Liebevoll blickte er zu dem Welpen hinüber und sagte:

Ach, das macht mir nichts aus! Ich kann auch nicht so gut laufen und dieser kleine Hund wird jemanden brauchen, der ihn versteht und trotz allem gern hat.“

Als der Ladenbesitzer das hörte, biss er sich beschämt auf seine Unterlippe. Tränen stiegen ihm vor Rührung in die Augen. Er lächelte verlegen, atmete tief durch und sprach:

Mein Junge, ich hoffe und wünsche mir, dass jedes dieser Hundekinder einen Besitzer bekommen wird wie dich!“

(Nach der englischen Geschichte „Weathering the Storm“ von Dan Clark, in einer Bearbeitung von Jens-Robert Schulz, 2009)

ROMY

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