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Romy/Richard, 2012, neue Identität

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Im Krankenhaus gab es viel Gemunkel über das Wesen Richard/Romy, aber das Krankenpflegepersonal und die Ärzte gewöhnten sich schnell an die neue Situation. Seine/ihre Haare waren nun lang, er/sie bekam weibliche Dienstkleidung und er/sie kam geschminkt zur Arbeit.

Natürlich sprach man über sie/ihn.

Es war eine schwierige Zeit für Richard/Romy.

Er/sie stand mitten im „Umbruch“.

Er/sie befand sich sozusagen zwischen zwei Welten.

Aber um von seinen/ihren Problemen abzulenken und sich die Bestätigung zu holen, dass er/sie bereits wie eine Frau aussah, ging er abends häufig aus.

Er/sie trug meist Jeans und eher unauffällige Shirts.

Aber dann kam der Tag, an dem er/sie sein/ihr erstes Kleid kaufte.

Seine/ihre Beine, unerhört gut geformt und lang, gefielen ihm/ihr in dem kurzen, engen Kleid.

Für meine Verhältnisse war das Kleid zu kurz, zu eng und etwas obszön. Ich sagte ihm/ihr das. Es war ihm/ihr egal.

Richard/Romy stürzte von einem Abenteuer in das nächste.

Von einem Fest ging er/sie einmal in den Morgenstunden mit zwei Südamerikanern nach Hause, die ihm/ihr dort „Salsa-tanzen“ beibringen wollten.

Gutgläubig folgte er/sie ihnen nach Hause, aber die Männer versperrten die Türe und wollten mehr von ihm/ihr.

Von Salsa war keine Rede mehr.

Der eine hielt ihn/sie fest und der andere zog schon an seinem/ihrem Kleid.

In seiner/ihrer Panik, dass sie ihn/sie nackt sehen würden und dann merkten, dass er/sie keine „richtige“ Frau war, versprach er/sie, ihnen „einen zu blasen“, wenn sie von ihm/ihr ließen.

Als er/sie mir das erzählte, war ich in arger Versuchung, ihn/sie an Ort und Stelle zu ermorden.

„Hast du total den Verstand verloren!“, schalt ich ihn/sie.

„Ja, ich weiß, es war dumm von mir…“, ich ließ ihn/sie gar nicht aussprechen.

„Was heißt hier dumm? Du bist das Dämlichste, was mir je untergekommen ist!“

Ich konnte mich erst gar nicht beruhigen.

„Stimmt“, sagte er/sie und senkte den Kopf, „ich denke, die hätten mich umgebracht, wenn sie gemerkt hätten, dass ich keine richtige Frau bin.“

„Darauf kannst du wetten“, ich war noch immer außer mir.

„Weißt du“, begann er/sie und sah mich unschuldig an, „ich hatte das erste Mal in meinem Leben richtig Angst.“

Das konnte ich mir vorstellen.

„Sie wollten mich vergewaltigen, fuhr er/sie fort und ich schüttelte unablässig den Kopf.

„Hundertprozentig“ bestätigte ich und er/sie erzählte mir auch, wie er/sie die beiden Männer beim Tanzen „heiß“ gemacht hatte.

Ich kannte seinen/ihren Blick und seinen/ihren Augenaufschlag, wenn es um das Flirten ging.

„Mach das nie mehr wieder!“, sagte ich und sah ihm/ihr ganz fest in die Augen, die er/sie sofort niederschlug.

„Weißt du was eine Hure ist?“, fragte ich nach einigen Minuten.

Er/sie sah mich verwirrt an, offensichtlich wusste er/sie nicht, auf was ich hinauswollte.

„Natürlich weiß ich, was eine Hure ist“, er/sie zog die Augenbrauen zusammen und sah mich finster an.

„Was ist der Unterschied zwischen dir und einer Hure?“, wollte ich weiter provozieren.

„Was soll das?“, fuhr er/sie mich an.

„Die Huren verlangen Geld dafür“, sagte ich trocken und wartete auf seine/ihre Reaktion.

Er/sie biss sich auf die Lippen.

„Aber ich mache das nur, weil ich die Bestätigung brauche“, verteidigte er/sie sich.

„Es ist aber ein Unterschied, ob ich mir beim Flirten beweise, dass Männer auf mich fliegen, ob ich sie küsse, oder ob ich mit ihnen ins Bett gehe. Und da gibt es dann abermals eine Differenzierung, nämlich: weiß ich am nächsten Tag noch seinen Namen, oder nicht mehr?“, ich hob eine Augenbraue und sah ihn/sie böse an.

„Um das geht es nicht. Ich will eine Frau sein!“, rief er/sie zornig.

„Aber Frau sein ist nicht gleichzusetzen, mit Beine-breit-machen“, ich versuchte nach Worten zu suchen, um ihm/ihr zu erklären, was ich unter „Frau-Sein“ verstand.

„Als Frau sollst du Würde haben, du sollst mit Bedacht Männer wählen, die seriös sind, die Respekt vor dir haben, die dich als Frau achten, und nicht nach dem Sex VERachten, verstehst du mich?“, fragte ich.

Er/sie sah mich mit einem Blick an, der mir zu verstehen gab, dass keines meiner Worte sein Ziel erreicht hatte.

Ich seufzte.

„Du möchtest doch deine große Liebe finden, oder nicht?“, fragte ich einfühlsam.

Er/sie nickte eifrig, dann änderte sich aber sein/ihr Blick und wurde traurig.

„Für mich gibt es keine große Liebe“, er/sie klang trotzig.

„Und wieso sollte es für dich keine große Liebe geben?“, ich ärgerte mich schon wieder über diesen ständigen Pessimismus.

„Weil ich ein Monster bin“, kam natürlich prompt.

„Nein, bist du nicht!“, schalt ich ihn/sie.

„Du bist ein wundervoller, humorvoller, intelligenter Mensch“, sagte ich.

„Ja, aber ich bin nicht Mann und nicht Frau. So jemanden will keiner!“, rief er/sie aus.

„Nein, du bist ein Mädchen, und du hast jetzt die Chance, auch körperlich eines zu werden. Vermassle das nicht! Du hast allen Grund der Welt jetzt glücklich zu sein. Dein Traum geht in Erfüllung!“

„Und wenn ich eine hässliche Frau werde?“, fragte er/sie leise.

„Du wirst keine hässliche Frau!“, keifte ich.

„Bei diesen Augen, diesem Mund, diesen Zähnen, diesem Gesicht, dieser großartigen Figur“, zählte ich auf, „was willst du noch?“

„Ich möchte die schönste Frau der Welt sein!“, stammelte er/sie, und in diesem Moment war ich mir nicht sicher, ob er/sie den Verstand verloren hatte.

Abgesehen davon, war er/sie für mich, und ich denke auch für viele andere, einer der schönsten und interessantesten Menschen, aber ich mochte ihn/sie in diesem Augenblick nicht leiden, weil ich es anmaßend fand, diesen Wunsch zu äußern.

ROMY

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