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Die Sache mit der Verantwortung

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Wenn wir Stress haben, kommen wir uns oft völlig ferngesteuert vor; überwältigt von einem Berg an Aufgaben, von den Ansprüchen anderer, von Terminen und Konflikten. Und wenn wir unter dieser Last schon schier zusammenbrechen, taucht garantiert jemand auf, der noch was obendrauf legt. Wir fühlen uns belastet; mehr noch: überlastet.

Und jetzt komme ich und sage: Dein Stress kommt nicht von außen. Er ist nichts, was von Umständen oder anderen Menschen hervorgerufen wird. Nein: Du selbst bist dein Stress.

Ich gebe zu, das klingt erst mal krass. Als wollte ich dir die Schuld dafür geben, dass es dir schlecht geht!

Keine Angst. Um Schuld geht’s hier nicht. Wie gesagt: Ich habe das mit der Stressbewältigung auch auf die harte Tour lernen müssen, nachdem ich gegen meine persönliche Nichts-gehtmehr-Wand geknallt war. Daran, dass ich damals das Stresssystem überreizt hatte, war ich ja auch nicht »schuld« – ich wusste es einfach nicht besser und hatte mein Bestes gegeben.

Verantwortung ist nicht das Gleiche wie Schuld. Es gibt nämlich meiner Meinung nach einen entscheidenden Unterschied zwischen den beiden: Schuld tragen wir, wenn wir etwas absichtlich gemacht haben, also im vollen Bewusstsein, dass es uns selbst oder anderen schadet. Schuld ist eine moralische Kategorie. Sie hilft uns in unserer persönlichen Entwicklung oft nicht weiter, sondern macht uns klein. »Du bist schuld!« bedeutet im Grunde das Gleiche wie: »Du bist schlecht!«

Verantwortung können wir dagegen auch für etwas übernehmen, was wir getan haben, ohne dass uns klar war, wie schädlich es ist. Wenn wir Verantwortung übernehmen, machen wir uns bewusst, was passiert ist, und bekommen so die Möglichkeit, es beim nächsten Mal anders zu machen. Verantwortung gibt uns die Handlungsfreiheit zurück – wir können aus unserem Verhalten lernen und damit etwas zum Besseren verändern.

Das Gehirn, der Stress und das Denken

Der Teil unseres Gehirns, der die Stressreaktion auslöst, ist entwicklungsgeschichtlich sehr alt. Wir haben ihn mit unseren Urahnen gemeinsam, die durch ihren blitzschnellen Flucht-oder-Kampf-Mechanismus einen soliden Überlebensvorteil besaßen und dieses Erbe daher weitergeben konnten (mehr dazu auf den >>). Dieser Teil des Gehirns heißt Amygdala (Mandelkern) und steuert unser Verhalten und unsere Emotionen.

Unser rationales Denken ist dagegen im sogenannten präfrontalen Kortex angesiedelt, dem Stirnlappen der Großhirnrinde. Der hat sich bei uns Menschen erst im Laufe der Evolution so stark ausgeprägt – im deutlichen Unterschied zu Tieren.

Anders als unsere schuppigen Vorfahren können wir mit unserem rationalen Denken in gewissem Maß beeinflussen, was in der Amygdala passiert. Zum Glück! Das Problem ist allerdings: Chronischer Stress oder starke negative Gefühle schalten unser rationales Denken auf Sparflamme. Dann regiert weitgehend unser »Reptiliengehirn«, und das kann ungehindert Alarm schlagen – ein Teufelskreis. Deshalb ist es so wichtig, von vornherein einen gesunden Umgang mit Stress zu lernen: damit das rationale Denken funktioniert und wir auf unser Verhalten bewusst Einfluss nehmen können.

Wenn wir bei Druck und Anspannung wie getrieben Schokolade in uns reinstopfen, dann tun wir das nicht, weil wir uns bis zur Übelkeit überfressen und Rettungsringe um die Hüften züchten wollen. Wir tun es deshalb, weil unser Körper irgendwann abgespeichert hat, dass Essen – vor allem Süßes oder Fettiges – beruhigen kann und außerdem Energie für den nächsten potenziellen Kampf liefert. Dass diese Taktik gewisse Nebenwirkungen hat, ist uns zwar in irgendeiner Ecke unseres Hirns klar, aber in diesem Moment sind andere Hirnbereiche dominanter. (Spoiler: Das sind nicht die, in denen die Vernunft zu Hause ist.)

Was bringt es also, sich nach einer solchen Fressattacke schuldig zu fühlen? Wenig – vor allem dann nicht, wenn da niemand ist, der uns unsere Sünde vergeben könnte, und wir diese Schuldgefühle langfristig mit uns rumschleppen. Aber wir können Verantwortung für die Schoko-Orgie übernehmen und uns sagen: Okay, ist passiert. Dafür gucke ich genau hin, warum ich mir in dieser Situation keinen anderen Ausweg wusste. Dann ändere ich entweder etwas am auslösenden Stress, oder ich überlege mir bessere Taktiken, damit umzugehen.

Ich persönlich glaube, dass die meisten Menschen das Beste wollen – für sich und für andere. Psychopathen oder durch und durch schlechte Menschen spielen zwar in Fernsehen und Kino eine große Rolle, kommen aber in unserer direkten Umgebung vergleichsweise selten vor. Die meisten von uns handeln, so gut sie können. Nicht immer haben wir uns die Handlungsmöglichkeiten bewusst ausgesucht, viele haben sich so ergeben, andere haben wir schon in der Kindheit von verschiedenen Vorbildern übernommen. Einige funktionieren super, andere … eher semi. Aber oft ist uns gar nicht klar, was wir selbst dazu beitragen, dass in unserem Leben gerade etwas nicht so glattläuft.

Genau hier lohnt es sich aber, genau hinzugucken – und das tun wir in diesem Buch. Es soll dir helfen, diesen Fragen auf den Grund zu gehen:

 Warum habe ich so gehandelt?

 War Stress hier überhaupt eine sinnvolle Lösung?

 Was kann ich in Zukunft anders machen?

Du kannst dich also entscheiden, dich von deinem Stress und deinem bisherigen Umgang damit nicht länger blockieren zu lassen, sondern im Gegenteil daraus zu lernen – um es besser zu machen. Du bist den Umständen, die dir Druck machen, nicht hilflos ausgeliefert, sondern kannst selbst etwas daran verändern.

Deshalb ist Stress Entscheidungssache. Nicht in dem Sinn, dass du dich einfach dagegen entscheiden müsstest, gestresst zu sein – eins, zwei, drei, tschakka! Nein, sondern weil du es in der Hand hast, deinen Stress Schritt für Schritt besser kennenzulernen und dann Dinge zu verändern.

Stress dich richtig!

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