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Gewinn und Preis

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Natürlich hat alles im Leben Konsequenzen. Aber als Erwachsene entscheiden wir allein, mit welchen Konsequenzen wir leben können und wollen. Mal platt gesagt: Wenn ich mich morgens dafür entscheide, die Joggingschuhe anzuziehen und laufen zu gehen, dann weiß ich zwar, dass ich mich nachher toll fühlen werde, muss dafür aber akzeptieren, dass ich nicht im warmen, gemütlichen Bett liegen bleiben kann. Wenn ich eine Verabredung in letzter Sekunde absage, gewinne ich zwar freie Zeit, riskiere aber vielleicht eine Beziehung. Ein Gewinn, ein Preis – meine Entscheidung.

Ben hat zusammen mit Nadja entschieden, in einem Dorf ein Haus zu bauen. Der Gewinn: ein Leben im Grünen, viel Platz zum Toben für die Kinder. Der Preis: Alle täglichen Wege müssen mit dem Auto zurückgelegt werden, regelmäßig zieht Gülleduft durchs Wohnzimmer – und möglicherweise bekommen sie nicht besonders viel für ihr Haus, wenn sie sich trennen und es verkaufen müssen. So weit, so klar.

Das Problem ist, dass Ben das Gefühl hat, durch diese in der Vergangenheit getroffene Entscheidung unfrei geworden zu sein. Aus seiner Sicht bleibt ihm jetzt nichts anderes übrig, als den größten Teil seiner Lebenszeit seinem ungeliebten Beruf und dem Pendeln zwischen Wohnort und Firmenstandort zu opfern. Schließlich muss das Haus abbezahlt werden. Und obwohl er und Nadja sich längst nichts mehr zu sagen haben, kann er sich von seiner Frau nicht trennen – finanziell wäre das wegen des Hauses einfach nicht drin. Meint er.

Er übersieht dabei eine entscheidende Tatsache: Auch dass er den Status quo beibehält, ist eine Entscheidung, die er trifft – jeden Tag von Neuem. Er wählt das Altbekannte, das bequeme »Weiter so« und die finanzielle Sicherheit. Dafür zahlt er den Preis, dass er mit seinem Leben unzufrieden ist.

Und was ist mit seinem Job? Hier treffen die wichtigen Entscheidungen seine Vorgesetzten, und er kann in seiner Sandwichposition kaum gestalten. Gerade diese Situation trägt erheblich dazu bei, dass Ben sich unfrei und fremdgesteuert fühlt. Aber auch hier gilt: Er selbst hat diese Machtverhältnisse zusammen mit dem Job gewählt; hat mit Unterzeichnen seines Arbeitsvertrags seiner Chefin die Macht gegeben, an seiner Stelle Entscheidungen zu treffen.

Ja, aber – Einspruch!

»Dass wir immer und überall die Wahl haben, das stimmt so doch einfach nicht! Was ist denn mit Unfällen, schweren Krankheiten oder Jobverlust?«

Das stimmt. Wir haben natürlich nicht alles in unserem Leben in der Hand, und Schicksalsschläge können uns alle treffen. Aber auch dann bleibt uns die Entscheidungsfreiheit, wie wir damit umgehen wollen. Das zeigt sich schon daran, dass unterschiedliche Menschen ganz unterschiedliche Bewältigungsstrategien wählen.

Damit will ich nicht sagen, dass du selbst schuld bist, wenn es dir nach einem Schicksalsschlag schlecht geht, weil du ja konstruktiver damit umgehen könntest! (Noch einmal: Von Schuld spreche ich nur, wenn jemand absichtlich etwas Destruktives tut.) Nein, es ist genau andersherum. Wenn es dir schlecht geht und du willst, dass das aufhört, dann bist du die einzige Person, die etwas ändern kann – und selbst wenn du dazu Hilfe von außen brauchst, dann trifft niemand anders als du die Entscheidung, sie anzunehmen.

Ben ist mit seiner gefühlten Machtlosigkeit nicht allein. Viele Menschen glauben, vollkommen fremdbestimmt zu sein – und übersehen dabei, dass sie den anderen die »Bestimmerrolle« selbst überlassen haben. Im Grunde machen wir alle solche Deals. Die einen unterwerfen sich bei der Arbeit Anweisungen, weil sie als Gewinn dafür ein Gehalt beziehen. Andere lassen den Partner oder die Partnerin wichtige Lebensentscheidungen treffen, und ihr Gewinn ist die Zuwendung, die sie in der Beziehung bekommen. Wenn aber Gewinn und Preis nicht mehr in einem akzeptablen Verhältnis stehen, können wir den anderen diese Entscheidungsgewalt auch wieder nehmen: indem wir den Job hinschmeißen oder die Beziehung beenden. Wir können den Deal aufkündigen – jederzeit.

Stress dich richtig!

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