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Ich gestalte selbst!

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Das Gefühl der Unfreiheit entsteht also, weil wir ohne nachzudenken an Deals festhalten, die wir in der Vergangenheit eingegangen sind. Und es entsteht, wenn wir uns nach den Erwartungen anderer richten: Wir treffen zwar auch dann Entscheidungen (im Zweifel die, andere für uns entscheiden zu lassen), aber es fühlt sich nicht nach Wahlfreiheit an. Gewisse Dinge sind halt allgemeiner Konsens, ein Klebstoff für die Gesellschaft – dass Arbeit zum Leben dazugehört beispielsweise. Wir könnten daraus ausbrechen, aber meist wählen wir unbewusst einfach den Weg des geringsten Widerstands. Wir machen mit, weil alle mitmachen.

Sobald wir aber begreifen, dass wir das eigene Leben selbst gestalten, verändert das etwas im Kopf. Im Grunde beginnt damit ein neues Erwachsenwerden: Jetzt können wir nicht nur Dinge entscheiden, die vorher andere für uns entschieden haben, sondern wir können es auch bewusst tun.

Solange wir das Steuerrad nicht einschlagen, geht es einfach geradeaus weiter. Auch das ist eine Richtung, für die wir uns entscheiden – durch Nichtlenken.

Ben aus dem Eingangsbeispiel hat zwar das Jobangebot seines alten Freundes Jens spontan abgewehrt: zu wenig Sicherheit, zu wenig Gehalt. Das sind schließlich die beiden Gründe, die ihn dazu bewogen haben, den Bereichsleiterposten anzunehmen. Sicherheit und ein gutes Gehalt sind der Gewinn – und dafür zahlt er einen Preis: kaum Zeit für seine Familie, Stress, Konflikte. Ob ihm das die Sache wirklich wert ist, darüber hat er schon lange nicht mehr ernsthaft nachgedacht. Der Automatismus – einfach immer weiter so – hat ja bisher jedes Nachdenken und Entscheiden überflüssig gemacht.

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Jetzt allerdings könnte sich Ben klarmachen, dass er immer noch die Wahl hat. Stehen Gewinn und Preis für ihn auch heute in einem akzeptablen Verhältnis? Und wenn nicht: Könnte der Job in dem Start-up seines Freundes Jens einen Ausweg bieten? Am besten setzt Ben sich dazu hin und überlegt in Ruhe, welche Alternativen es zum »weiter so« gibt – alleine, aber auch zusammen mit seiner Frau Nadja.

 Entspricht das Eigenheim im Grünen eigentlich immer noch dem Lebenstraum der beiden? Es ist schließlich absehbar, dass die Kinder das Nest bald verlassen werden. Wird das Haus dann nicht zu groß für zwei? Vielleicht gibt es andere, günstigere und/oder praktischere Wohnmöglichkeiten. Würde ein Verkauf die Finanzen entlasten?

 Gibt es andere Möglichkeiten, die Ausgaben der Familie zu reduzieren? Muss es jedes Jahr eine Fernreise sein? Gibt es die Möglichkeit, auf ein Auto oder gleich auf beide zu verzichten?

 Vielleicht peilt ja Nadja auch kurzfristig Karriere- und Gehaltsschritte an? Während die Kinder klein waren, hat sie Teilzeit gearbeitet, um mehr Zeit für die Familie zu haben, und irgendwie kam seitdem nie der Punkt, um wieder so richtig durchzustarten. Aber in letzter Zeit hat sie häufiger davon gesprochen, dass es das doch beruflich noch nicht gewesen sein könne. Vielleicht käme es ihr gerade recht, wenn Ben bei dem Start-up nur noch vier Tage arbeiten und ihr dafür den Rücken freihalten würde.

Einfach zu entscheiden ist das alles bestimmt nicht, und es gilt viele Pros und Kontras abzuwägen. Aber vielleicht kommt Ben zu dem Ergebnis, dass ihm ein neuer Anfang, ein neuer Job ein bisschen Unsicherheit und einen finanziellen Rückschritt wert sind, weil er dadurch Zeit für Dinge gewinnt, die ihm wirklich wichtig sind.

Es kann natürlich auch sein, dass sich Ben gegen den beruflichen Wechsel entscheidet. Aber auch das wird heißen, dass er eine freie Wahl getroffen hat. Vielleicht fährt er in Zukunft sogar ein winziges bisschen entspannter zur Arbeit, weil er sich vor Augen geführt hat: Die Gründe, aus denen er diese Position angenommen hat, gelten immer noch; das gute Gehalt, das eigene Haus, das Leben im Grünen sind ihm wirklich viel wert. Die Überstunden und die unangenehme Sandwichposition in der Firma muss er nicht mehr als Schicksal betrachten, sondern kann sie schlicht als Preis für etwas sehen, was ihm wirklich wichtig ist.

Glückwunsch – deine Entscheidung!

An Entscheidungen denken wir meist, wenn es im Leben nicht so richtig rundläuft. Dann muss eine Entscheidung her, alles muss anders werden, am besten sofort!

Aber wie wäre es denn damit, das Thema Entscheidungen mal von seiner positiven Seite zu betrachten? Überleg doch mal, was in deinem Leben jetzt schon richtig gut läuft:

 Hast du einen Beruf, der dir Spaß macht?

 Lebst du in einer stabilen und erfüllten Partnerschaft?

 Bist du mit Menschen befreundet, die dir guttun?

 Fühlst du dich in deinem Zuhause wohl?

 Hast du ein Fußballteam, einen Chor, ein Nachbarschaftsnetzwerk, wo du dich aufgehoben fühlst?

 Hast du eine Ausbildung abgeschlossen und/oder berufliche Erfahrungen gesammelt?

 Bist du in etwas durch Übung, Training oder Erfahrung besser geworden?

 Bist du gesund und lachst regelmäßig?

Bestimmt kannst du die eine oder andere Frage mit Ja beantworten. Nein? Wirklich gar keine? Dann stell einfach eigene – Hauptsache, du sammelst einmal die positiven Dinge in deinem Leben. Und dann mach dir klar, dass du all dieses Positive durch deine eigenen Entscheidungen gestaltet hast. Wenn das nicht mal eine fette Runde Eigenlob wert ist!

Was natürlich nicht heißt, dass er alles so hinnehmen muss. Auch wenn Ben sich jeden Tag mit der Fahrt ins Büro wieder für seinen Bereichsleiterposten entscheidet, kann er versuchen, Dinge zu verändern: Er kann das Gespräch mit seiner Chefin suchen, um die schwelenden Konflikte zu lösen. Er kann vorschlagen, zwei Tage in der Woche im Homeoffice zu arbeiten, um die Zeit für den langen Arbeitsweg zu sparen und dafür doch mal wieder eine Motorradtour zu unternehmen. Und natürlich kann er auch nach anderen Stellen Ausschau halten, die womöglich ähnlich sicher und genauso gut bezahlt sind wie seine jetzige.

Wenn wir uns dafür entscheiden, Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen, dann eröffnen sich manchmal erstaunliche Gestaltungsspielräume. Natürlich steht nicht allen von uns ein Traumleben offen – sonst würden deutlich mehr Millionäre und Superstars herumlaufen. Und dass jeder Gewinn einen Preis hat, bleibt auch wahr. Aber wir können zumindest versuchen, unser Leben in die richtige Richtung zu lenken – und diesmal entscheiden wir, was die richtige ist!

Das müssen überhaupt nicht die großen Lebensentscheidungen sein wie der neue Job, der Umzug in die andere Stadt, Kinder ja oder nein. Solche Themen stehen ja auch gar nicht jeden Tag an. Aber wenn es Punkte in deinem Leben gibt, mit denen du latent unzufrieden bist, dann kannst du sehr wohl jeden Tag beschließen, daran etwas zu ändern.

 Du fühlst dich unfit? Such dir einen Sport-Buddy, buch ein Fitnessprogramm oder investier sogar in einen Personal Trainer, wenn du allein den A… nicht hochkriegst.

 Der Kontakt zu deinen Freundinnen geht dir verloren, weil du kaum noch Zeit hast? Nutz die Autofahrt zur Arbeit, um eine alte Freundin anzurufen. Oder verabrede dich zum gemeinsamen Aufräumen, erst bei ihr, dann bei dir – mit anschließender Kaffee-und-Kuchen-Belohnung.

 In deiner Partnerschaft knirscht es gehörig? Nimm dir – nehmt euch – Zeit für regelmäßige Date-Abende, schlag eine Paartherapie vor oder einen gemeinsamen Massagekurs.

Eine Frage der Perspektive

Manchmal erscheint uns der Preis ziemlich hoch, den eine Veränderung des Gewohnten erfordert. Die Personal Trainerin kostet ganz schön viel, bei der Paartherapie kommen ein paar schmerzhafte Konflikte auf den Tisch, die Entscheidung gegen Alkohol heißt, dass die Fußballkumpels blöde Witze machen. Das kann sich ganz schön unangenehm anfühlen.

Jedenfalls kurzfristig. Aber oft hilft es, innerlich einen Schritt zurückzutreten und das Ganze auf einer anderen Zeitachse zu betrachten. Das Geld für die Trainerin lohnt sich auf jeden Fall, wenn du dadurch ein Sportprogramm zur Gewohnheit machen kannst und nicht in ein paar Jahren wegen chronischer Rückenschmerzen in Teilzeit gehen musst. Die Paartherapie verbessert hoffentlich die Beziehung auf Dauer – oder läutet ihr Ende ein und schafft damit Raum für neues Glück. Und was sind ein paar Sticheleien gegen das super Gefühl, den Alkohol im Griff zu haben statt umgekehrt?

Wenn etwas Neues beginnt, sind die Übergangsphasen manchmal unangenehm. Aber wenn du den mittel- oder langfristigen Gewinn im Blick behältst, dann weißt du, dass sich das alles lohnt!

Das sind nur Beispiele, und sicher findest du Lösungen, die noch besser zu dir passen als meine Vorschläge. Aber glaub mir: Es gibt in jeder Situation etwas, was du für positive Veränderungen tun kannst! Falls dir nichts einfällt, sprich mit Menschen, denen du vertraust – am besten gleich mit verschiedenen –, und frag sie um Rat und Ideen.

Nur eins musst du selbst tun: Gewinn und Preis für dich abwägen und daraufhin eine Entscheidung treffen, die für dich passt. Das ist deine Aufgabe – und deine große Freiheit.

Stress dich richtig!

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