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Den unerwarteten Einflüssen der Religion nachspüren

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Die Einflüsse der Religion in der Medizin werden häufig nicht beachtet. Gewöhnlich wirken sie hinter den Kulissen, im Hintergrund der klinischen Begegnung und kommen in dem, was die Ärzte über ihre Patienten erzählen, nicht vor. Die Bedeutung des Glaubens war in allen diesen Beispielen herausragend, wurde allerdings erst offensichtlich, nachdem spezielles Nachfragen diese Bedeutung aufgespürt hatte.

Nur selten bringt jemand ein religiöses Problem bei der Behandlung vor, selbst wenn ein religiöses Thema im Zentrum einer gescheiterten Therapie steht. In den oben geschilderten vier Fallbeispielen war nur bei der Situation von Mr. Chin von Anfang an angegeben, dass sie mit religiösen Fragen zu tun hatte. Auf jeden Fall haben religiöse Haltungen oft einen Anteil daran, wenn die medizinische oder psychiatrische Behandlung in eine Sackgasse gerät.

Zu den klinischen Problemen, in die oft religiöse Themen eingebunden sind, gehören die Ablehnung notwendiger medizinischer oder psychiatrischer Behandlung, physische oder emotionale Misshandlung, Gewalt oder Nötigung, Selbstmordneigung, Vernachlässigung der körperlichen Hygiene oder gesundheitlicher Bedürfnisse und soziale Isolation. Oft kommt es dadurch zu klinischen Notfällen, weil die Sicherheit einer Person – häufig des Patienten, manchmal aber auch einer anderen Person – gefährdet ist. Es gibt gute Gründe dafür anzunehmen, dass Mr. Lankton seinem Leben ein Ende gesetzt hätte, wenn man ihm die Gelegenheit dazu gegeben hätte. Häufiger noch ist es nicht eine Frage der Sicherheit, sondern der unnötigen Verschlimmerung von Leiden, oft auf tragische Weise.

Allgemeiner gesagt kann das persönliche Verständnis der Religion Einstellungen und Gewohnheiten Vorschub leisten, die einen Einfluss auf die Gesundheit haben. Religiöse Überzeugungen und Praktiken haben oft Einfluss auf das Timing, wann jemand sich in Behandlung begibt, ob Vertrauen und Offenheit gegenüber den Ärzten vorhanden sind und ob man den Anweisungen der Ärzte Folge leistet. Ms. Johnsons Glaube stärkte ihr Vertrauen in die Chirurgen, die sie behandelten, und ihre Behandlungsprotokolle gehen über den Punkt hinaus, an dem wiederholte Enttäuschungen sie dazu veranlasst haben könnten, aufzugeben. Mr. Chins Glaube jedoch brachte ihn dazu, die Operation durch die Orthopäden abzulehnen, die über das medizinische Fachwissen verfügten, mit dem sie seine gebrochene Hüfte hätten wiederherstellen können.

Die Religion beeinflusst die Gesundheit auch dadurch, dass sie das soziale Umfeld einer Person prägt. Häufig stützt dies die Gesundheit. Studien haben z.B. eine Korrelation zwischen dem Kirchenbesuch und guter Gesundheit gezeigt (Koenig et al. 1997). Der Kirchenbesuch selbst mag direkten Einfluss auf die Gesundheit haben oder nicht. Kirchgänger haben auf jeden Fall weniger Umgang mit Leuten, die rauchen, Drogen nehmen, rücksichtslos Auto fahren oder in Kneipenschlägereien verwickelt sind. Das Fehlen dieser Verhaltensweisen innerhalb eines sozialen Umfelds kann deutlich zum Erhalt der Gesundheit beitragen. Andererseits kann eine starke Religiosität Menschen in unvergleichlicher Weise anfällig machen für soziale Räuber, die sich häufig religiöse Gemeinschaften für ihre Machenschaften aussuchen. Wie schon häufig in religiösen Kultgemeinschaften, fundamentalistischen Glaubensrichtungen und anderen eng geschlossenen Gruppen beobachtet werden konnte, können religiöse Führungspersonen die Sprache und den Habitus des Glaubens benutzen, um die Gläubigen, die ihnen vertrauen, zu manipulieren, auszubeuten und zu missbrauchen.

Weniger sicher belegt, aber plausibel ist die Rolle, die religiöse Erfahrungen bei Veränderungen der physiologischen Prozesse im Körper spielen. Psychosomatische Forschungen haben belegt, dass negative Emotionen – wie Verzweiflung, Einsamkeit, Hass, Hilflosigkeit, Scham, Schuld – durch zerstörerische Auswirkungen auf das endokrine, das Immun- und das vegetative Nervensystem krankmachende Prozesse auslösen können (Harris & DeAngelis 2008; Mookam & Arthur 2004; Koenig 1998). Unruhe durch physiologische Veränderungen, die mit negativen Emotionen zusammenhängen, macht besonders anfällig für bestimmte Krankheiten. Darüber hinaus kann fast jede psychiatrische Störung durch negative Emotionen ausgelöst werden, denen ein Mensch zu lange zu intensiv ausgesetzt ist. Obwohl man hoffen würde, dass religiöse Überzeugungen diese negativen Emotionen abschwächen (Koenig et al. 1997), ist es manchmal tatsächlich aber so, dass die religiöse Überzeugung sie verstärkt. Auch wenn es bisher wenig formale Untersuchungen zu den negativen physiologischen Auswirkungen spezifischer religiöser Faktoren gibt, besteht doch Grund zur Sorge, wenn die Religiosität im Leben einer körperlich oder psychisch kranken Person zu einer chronischen Ursache negativer Emotionen wird, etwa wenn jemand übertriebene Schuld für begangene Sünden empfindet, die Krankheit als eine Strafe Gottes betrachtet oder sich in einer Krise von Gott im Stich gelassen fühlt (Pargament et al. 2001, 2004).

Religion hilft, Religion schadet

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