Читать книгу Religion hilft, Religion schadet - James Griffith - Страница 6
Vorwort
ОглавлениеEs ist fünf Jahre her, dass ich mit der Arbeit an diesem Buch begonnen habe. Mir wurde deutlich, dass im Umgang mit religiösen und spirituellen Fragen im Gesundheitswesen ein unvoreingenommener, nüchterner Ansatz fehlte, mit dessen Hilfe die heilsamen Wirkungen der Religiosität gefördert und gleichzeitig die entgegengesetzten behandelt werden konnten.
An diesem entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte der Beziehung zwischen Religion und Medizin war dieser neue Ansatz ein dringendes Desiderat. In den letzten Jahrzehnten des 20. Jhs. begannen immer mehr Ärzte sich für die Bedeutung, die Religion und Spiritualität für die menschliche Gesundheit haben, zu interessieren. Zum Ende des Jahrhunderts wurden auf vielen medizinischen Fachgebieten regelmäßig Workshops zu Fragen der Spiritualität im Gesundheitswesen angeboten; sie wurde in die Lehrpläne medizinischer Ausbildungsstätten und Graduiertenprogramme aufgenommen und für Mediziner, die im Bereich der Psychologie tätig waren, gab es eine Vielzahl von Lehrbüchern und klinischen Einführungen in die Spiritualität. Im Jahr 2002 schrieben Melissa Elliott und ich Encountering the Sacred in Psychotherapy (Begegnungen mit dem Heiligen in der Psychotherapie) als Handbuch für Psychotherapeuten, die die spirituellen Ressourcen ihrer Klienten in die Psychotherapie einbeziehen wollten. Meist versuchte man, wie auch wir in unserem Text, die religiöse Identität der Klienten zu berücksichtigen und ihre Spiritualität als Ressource für Heilung und geistige Gesundheit zu nutzen. Weniger beachtet wurden dagegen die Diagnose und Behandlung von Problemen, die lange schon allgemein bekannt waren, aber selten diskutiert worden sind: dass die Religion, falsch verstanden, ebenso schaden kann wie heilen und ebenso verletzen wie schützen.
Es waren gleichermaßen persönliche wie berufliche Erfahrungen, die mich auf den krankmachenden Gebrauch von Religion aufmerksam werden ließen. In den 38 Jahren meiner medizinischen Laufbahn sind mir Fälle in Erinnerung geblieben, in denen niemand den Patienten helfen zu können schien, weil sie durch ihre religiösen Überzeugungen so isoliert waren, dass es ihnen nicht gelang, den Therapeuten Vertrauen entgegenzubringen oder in notwendige Behandlungen einzuwilligen. Meine Arbeit als Psychiater mit im medizinischen Sinne kranken Patienten brachte mich regelmäßig in Kontakt mit Menschen, deren Religiosität Selbstmord, Gewalt oder die Vernachlässigung ihrer Gesundheit verursachte oder unnötiges Leid hervorbrachte. In meinem Privatleben gab es Verwandte und Freunde, die aufgrund von Auseinandersetzungen über religiöse Überzeugungen unnötig Beziehungen abbrachen oder andere Menschen verletzten. Wie viele andere Menschen auch hat mich immer wieder die seltsame Unvereinbarkeit erstaunt, die zwischen den religiösen Überzeugungen eines Menschen, die Liebe und Mitgefühl propagieren, und seinem Handeln bestand, das Hass und Gewalt entfachte und das er selbst nicht einmal als widersprüchlich wahrnahm. Es gab wenig spezielle Leitlinien für Therapeuten, außer der Maßgabe, gewaltsam eingreifen zu müssen, sobald jemand drohte, ernsthaft zu Schaden zu kommen. Das Arzt-Patient-Verhältnis wurde dadurch zu einem Polizeieinsatz.
In gewissem Maß hat das Engagement für Religion und Spiritualität der ernsthaften Betrachtung ihrer dunklen Seiten im Weg gestanden. Lange Zeit trug die Religion das Stigma, innerhalb der modernen Medizin antiwissenschaftlich geblieben zu sein, und die Feindseligkeit, die Psychiatrie und Psychologie gegenüber der Religion zeigten, nahm bisweilen recht bissige Formen an. Ärzte, die sich um eine umfassendere Integration der Religiosität eines Patienten bei der Behandlung einer Krankheit bemühten, schlossen sich nur sehr zögerlich der Kritik an dem schädigenden Potenzial falsch verstandener Religion an, weil sie fürchteten, Religionsgegner könnten ihnen das Wort im Mund herumdrehen. Dies alles kann jedoch nur teilweise als Erklärung dienen. Tatsächlich widmeten Melissa Elliott und ich das ausführlichste Kapitel unseres Buches Encountering the Sacred in Psychotherapy dem Thema „Wenn Spiritualität krank macht“ („When Spirituality Turns Destructive“). Gleichwohl wurde mir zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Buches und eines in der Folge erschienenen Zeitschriftenartikels (Griffith & Griffith 2002) bereits klar, dass in unserer Arbeit noch die Handreichung für Ärzte in ihrer praktischen Arbeit fehlte. Rückblickend betrachtet konnte es gar nicht anders ausgehen. Wir verwendeten Erzähltheorie und kulturelle Symbolsprache für unseren theoretischen Unterbau: wie man Redewendungen, Metaphern, Erzählungen, Glaubenswahrheiten, Dialoge und andere symbolische Formen in der Psychotherapie mit einem religiösen Menschen einsetzen kann. Ein solcher Ansatz kann sehr ergiebig sein, wenn die Spiritualität in einen dialogischen Kontext eingebunden wird, um Heilung und Stabilität zu fördern. Er bietet hingegen wenig Nutzen in der Behandlung der krankmachenden Wirkung von Religion, da diese meist außerhalb des dialogischen Kontextes wirksam ist. Die krankmachende Verwendung hat ihren Ursprung tatsächlich weit außerhalb der Sprache in Verhaltenssystemen, die wir mit anderen Säugetieren gemeinsam haben. Menschen, die Religion krankmachend benutzen, werden sich wohl kaum mit einem Psychotherapeuten zusammensetzen, um ihr Handeln zu untersuchen und zu reflektieren.
Dieses Buch greift auf zwei verschiedene Wissenschaftsrichtungen zurück – auf die Neurobiologie und die Soziobiologie –, um so einen begrifflichen Rahmen und klinische Methoden zu erhalten, die behandeln können, was so völlig schiefläuft, wenn Religiosität Leiden schafft, anstatt es zu lindern. Im weiteren Verlauf des Textes wird die soziale Neurowissenschaft mit den Beobachtungen existenzialistischer Philosophen verknüpft, deren phänomenologische Methoden, von anderen Ausgangspunkten aus, zu den gleichen Ergebnissen gelangt sind. Vor allem aber ist dieses Buch ein klinisches Handbuch für Therapeuten, das dem Leser eine Orientierungshilfe und entsprechende Methoden an die Hand geben will, um wirksam die Situation einzuschätzen und behandeln zu können, wenn der Umgang eines Patienten mit der Religiosität ihm selbst oder Menschen in seinem Lebensumfeld Schaden zuzufügen droht. Es zielt darauf, zu erkennen, wo die Religiosität eines Menschen heilsame und schützende Wirkung hat, und gleichzeitig möglichen schädlichen Auswirkungen entgegenzutreten. Auch wenn der Schwerpunkt dieses Bandes auf der krankmachenden Wirkung der Religion liegt, ist es als Ergänzung zu Encountering the Sacred in Psychotherapy zu lesen, als ein Handbuch, das verschiedene Wege aufzeigt, wie die Psychotherapie auf die Religiosität eines Menschen zurückgreifen kann, um Trost, Heilung und Widerstandskraft zu fördern.
Es ist durchaus angemessen, den Autor eines solchen Buches nach seinen persönlichen religiösen Überzeugungen und Einstellungen zu fragen, um sie bei der Lektüre in Betracht ziehen zu können. Religiös motivierte Leidenschaften fließen leicht in die Argumentation eines Wissenschaftlers oder den Text eines Schriftstellers ein. Es ist schon genug unter dem Deckmantel der Wissenschaft über Religion und Gesundheit veröffentlicht worden, das, weit entfernt von jeglicher stringenten Methodik, lediglich die religiösen oder antireligiösen Haltungen eines Forschers verbreitet. Vieles haben Dozenten in der Ausbildung von Medizinern geschrieben, ohne zu berücksichtigen, wie stark ihre Beobachtungen von ihren religiösen oder antireligiösen Ausgangspositionen geprägt sind. In Encountering the Sacred in Psychotherapy habe ich ausführlich meine eigene Geschichte und die Entwicklung meiner Religiosität beschrieben (Griffith & Griffith 2002). Dieser Bericht sagte jedoch wenig über die Geschichte meiner Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Religionsgemeinschaften oder religiösen Traditionen aus. Der Text beschränkt sich auf Handlungsweisen, die durch Überzeugungen und Praktiken von Religionsgemeinschaften beeinflusst sind. Ich halte es daher für angebracht, mehr über die Entwicklung meiner Zugehörigkeit zu verschiedenen Religionsgemeinschaften mitzuteilen.
Ausgehend von den Baptistenkirchen der Südstaaten in Mississippi führte meine religiöse Laufbahn mich während meines gesamten Erwachsenenlebens in die Mitgliedschaft und aktive Mitarbeit bei den Vereinten Methodisten, der United Church of Christ, und den Lutheranern ebenso wie in die katholische Kirche, in der ich mich als Laie engagierte. Zeitweise habe ich auch Leitungsfunktionen übernommen, wie etwa als Kirchenältester. Derzeit bin ich Mitglied der Episkopalkirche und fühle mich darin wohl, einerseits, weil sie sich für den sozialen Fortschritt einsetzt, und andererseits, weil sie bisher so wenig Schaden in der Welt angerichtet hat, zumindest seit der Auflösung des britischen Imperialismus. Die Auflistung verschiedener Kirchen kann jedoch nur Stationen aufzeigen und nicht wirklich etwas erzählen. Sie macht aber schon deutlich, dass meine Reise durch verschiedene spirituelle Traditionen kein Zufallsprodukt ist.
Von früher Jugend an prägte meine spirituelle Entwicklung, dass ich mich mehr dem konkreten Handeln verpflichtet fühlte als speziellen Doktrinen. Dazu kamen wechselnde Haltungen gegenüber religiösen Überzeugungen und wie verpflichtend sie für das religiöse Leben sind. Anders als in den fundamentalistischen Glaubenswahrheiten meiner Jugend erschien mir die Qualität der Beziehung zu anderen Menschen – Zuhören, Anerkennung, Einfühlungsvermögen, Mitleid, Werke der Barmherzigkeit oder Schutz – um vieles wichtiger als irgendwelche postulierten Wahrheiten über Gott oder das ewige Leben. Die systematische Theologie schien mir vom wirklichen Leben wegzuführen.
Während meines Medizinstudiums beispielsweise war meine Mitgliedschaft in Wells Methodist Church in Jackson, Mississippi, größtenteils auf ihre Lage in einer Gegend mit depressiver Wirtschaft und Einwohnern verschiedener Rassen zurückzuführen. Unter der Leitung von Reverend Keith Tonkel übernahm Wells Church in der Stadt eine führende Rolle in der Beilegung der Rassenkonflikte während der spannungsreichen Jahre der Desegregation im Süden. Sie richtete eine kostenlose Arztpraxis in ihrem Kellergeschoss ein, in der Menschen behandelt wurden, die keine Krankenversicherung hatten, und in der ich tatsächlich eines Abends mit einer Waffe von Besuchern überfallen wurde, die auf andere Güter als medizinische Versorgung aus waren. Später führte der Kontakt mit Trappistenmönchen, die ich in der Anti-Vietnamkrieg-Bewegung kennen lernte, ein Jahr lang zu einer wöchentlichen Unterweisung im Katholizismus und beinahe zum Eintritt in die katholische Kirche. Meine Entscheidung, mich der einen oder anderen Kirche anzuschließen, hing zunehmend von meiner Einschätzung dessen ab, wie unterschiedlich sie Menschen in ihrer Umgebung und in der Gesellschaft behandelte. Auf der anderen Seite hat sich mein formales religiöses Engagement während meines Erwachsenenalters immer mehr zur Liturgie hin bewegt. Ich vermute, es sind die körperlichen, nonverbalen Elemente der katholischen und episkopalen Messen – das Knien, die Feier der Eucharistie, der Raum für die Stille –, die mich tief innerlich angezogen haben.
Kürzlich las ich erneut Thomas Mertons Contemplative Prayer und bemerkte eine starke Verwandtschaft mit Mertons Glaubenserfahrungen. Ob ich seine theologischen Auffassungen geteilt haben würde oder nicht, ich habe in meinem eigenen Leben ähnliches Territorium durchquert und dabei ähnliche Beobachtungen gemacht und ähnliche Gedanken gehegt, wenn auch in weltlichen Umgebungen fernab von der Abtei Gethsemani. In seinem Büchlein, das er kurz vor seinem Tod schrieb, spricht Merton von dem „wortlosen, kontemplativen Gebet in der Reinheit des Herzen, ohne Bilder oder Worte, selbst ohne Gedanken“ (1969) und stellt dieses den diskursiven Gebeten, die in ganzen Sätzen gesprochen werden, oder den gemeinschaftlichen Gebeten im Gottesdienst gegenüber. Diese Regungen des Herzens und wortlosen Gebete, die meist auch Momente der inneren Wachsamkeit und des engen Kontakts mit dem eigenen Selbst, Gott und den anderen Menschen darstellen, machen nun den größten Teil meines religiösen Lebens aus. Das Sprechen in diesen Begriffen ließe sich vielleicht als „mystisch“ nach der Klassifikation in Karen Armstrongs (1993) Schema des religiösen Lebens bezeichnen. Es genügt wohl zu sagen, dass ich niemals eine Theologie oder ein religiöses System gefunden habe, das nicht eine Distanz zwischen mir und dem, was mir als das Göttliche begegnet ist, aufgebaut hätte. Da ich nicht davon ausgehe, dass die Erfahrungen meines Lebens sich unbedingt auf andere übertragen lassen, versuche ich, so gut ich kann die verschiedenen Erfahrungen anderer Menschen und ihre Berechtigung anzuerkennen. Ich versuche, neugierig zu bleiben und daran interessiert, wie andere Menschen Religiosität erfahren. Das ist mein persönlicher Ausgangspunkt, von dem aus ich schreibe und der meine klinische Arbeit leitet. Wenn diese Sätze auch vielleicht nicht alle Fragen der Leser zu meiner religiösen Erfahrung und Sichtweise beantworten, so wird doch hoffentlich deutlich, dass es mir nicht darum geht, eine Ideologie zu proklamieren oder Anhänger um mich zu scharen. Meine Arbeit steht für sich.
Eine zweite Frage der Leser könnte sein, inwieweit sich ein Autor mit anderen religiösen Überzeugungen der Welt außerhalb der christlichen Kultur Nordamerikas beschäftigt hat. Hier ist die Antwort komplexer. Meine persönliche religiöse Geschichte hat sich natürlich auf dem festen Boden der protestantischen und katholischen Traditionen des Christentums in Amerika entwickelt, mit einer leichten Hinwendung zum Judentum. Dennoch habe ich mich auch mit dem Islam, dem Buddhismus, dem Hinduismus und einigen anderen religiösen Traditionen beschäftigt. In meinem Beruf habe ich in 20 Ländern Vorlesungen, Workshops und Seminare gehalten, häufig in muslimischen Kulturen auf dem Balkan, am Persischen Golf und in Afrika. Voriges Jahr verbrachte ich die letzten zwei Wochen des Ramadan mit einigen saudi-arabischen Ärzten in Nordafrika, war bei ihrem abendlichen Fastenbrechen dabei, sah mit ihnen die Fernsehübertragung der rituellen Lesungen aus dem Koran in Mekka und Medina, feierte das Opferfest und führte endlose Diskussionen über den Islam, das Judentum und das Christentum. Wichtiger ist aber noch, dass der Schwerpunkt meiner Arbeit als Psychiater auf der Behandlung von Immigranten, Flüchtlingen und Überlebenden politischer Folterungen in der Region der Hauptstadt Washington liegt, deren Spiritualität sich oft als entscheidend für die Gesundung ihres Lebens von Trauma, Verlust und Gewalt erwies. Meine Patienten und ihre buddhistischen, Sikh-, Hindu- und muslimischen Psychotherapeuten, Berater und Betreuer haben mich vieles über Krankheit und Gesundheit im Kontext ihrer religiösen Überzeugungen gelehrt. Meine Kenntnisse und Erfahrungen in Bezug auf die Religionen der Welt sind zwar unsystematisch, aber sehr breit gefächert.
Das führt zu der nahe liegenden Frage: Warum gibt es so viele christliche Patienten in den Vignetten dieses Buches? Viele Vignetten sind in leicht veränderter Form aus der medizinischen, chirurgischen und psychiatrischen Sprechstunde des George Washington University Hospital in Washington, DC entnommen, einer der Städte in unserem Land, die die meisten kulturellen und ethnischen Unterschiede aufweisen und in der viele Religionen der Welt in breitem Maße vertreten sind. Internisten und Chirurgen, die eine psychiatrische Beratung anfordern, sind vorwiegend mit dem medizinischen Problem beschäftigt – mit Patienten, die die Behandlung ablehnen oder mit Selbstmord drohen –, ohne sich zuvor des religiösen Hintergrunds des Patienten bewusst zu machen. Ich bezweifle, dass die religiöse Mischung der Patientenpopulationen, die Fallauswahl oder die Vorlieben des Arztes zusammen hinreichend erklären können, warum es in den Vignetten dieses Buches vor allem Fälle von christlichen Patienten gibt. Diese Beobachtungen führen zu Fragen, die dieses Buch zwar aufwerfen, aber nicht beantworten kann: Haben manche religiösen Traditionen ein höheres Risiko als andere, auch schädliche Auswirkungen zu haben? Oder spezifischer formuliert: Eröffnet die Personalisierung und Anthropomorphisierung einer Gottheit, die den christlichen Glauben charakterisiert, auch spezifische Risiken, sich selbst oder anderen Schaden zuzufügen? Dies sind Fragen, die empirische Forschungen zur Religionspsychologie vielleicht beantworten können, hier überschreiten sie den Rahmen dieses Buches.
Dieses Buch ist Lynne Gaby gewidmet, meiner Kollegin und Ehefrau. Lynne blieb fest bei ihrer Überzeugung, dass ich es schreiben sollte, richtete in unserem besten Schlafraum mein Büro ein und schlief allein in den Stunden zwischen Mitternacht und 3 Uhr morgens, wenn ich die nötige Ruhe für mein Buch fand.
Es ist außerdem meinem verstorbenen Vater, Lamont Griffith, gewidmet, an dessen Bett die letzten Worte dieses Buches geschrieben wurden, kurz bevor er starb. Mein Vater ließ sich durch die körperlichen Beeinträchtigungen, die er sich im Zweiten Weltkrieg zugezogen hatte, eine Kopfverletzung und einen Genickbruch, niemals unterkriegen. Er hat gezeigt, wie man sein Leben ohne Bitterkeit oder Hass in die Hand nimmt, wie man sich dem entgegenstellt, was auf einen zukommt, und unermüdlich weiter vorwärtsgeht. Vor allem aber hat er gezeigt, wie man aus den persönlichen Beziehungen von Mensch zu Mensch Kraft schöpft, ungeachtet von Status oder Klasse.
Dieses Buch ist ebenfalls dem Andenken dreier Familientherapeuten gewidmet, deren Innovationen meine Arbeit erst möglich machten. Würden sie noch leben, wären Michael White, Tom Andersen und Harry Goolishian alle erstaunt, diese Widmung in einem Handbuch über religiöse Patienten zu finden. Dennoch trug jeder einzelne von ihnen dazu bei, einen radikalen Humanismus zu schaffen, der einen fundamentalen therapeutischen Ausgangspunkt für die Psychotherapie bildet. Auf der Grundlage der Kultur ihrer Vorstellungen und Werte sind die Seiten dieses Buches geschrieben wurden. Jeder von ihnen würde jeden Menschen akzeptieren, der ein religiös bestimmtes Leben führt, auch wenn dieses Leben ihnen selbst fremd vorkäme.
Außerdem haben weitere Menschen wesentliche Beiträge zu diesem Buch geleistet. Jim Nageotte, mein Herausgeber bei der Guilford Press, hat konsequent an meine Stärke appelliert und mir dadurch geholfen, die Vision meiner Arbeit im Auge zu behalten und so viel Zeit zu investieren wie nötig war, auch über unsere anfänglichen Vereinbarungen hinaus. Die Gespräche mit Jim brachten meine Ideen immer auf einen guten Weg, den ich allein nicht gefunden hätte. Jeff Akman, mein Institutsleiter an der George Washington University, hat in meisterhafter Weise eine psychiatrische Abteilung aufgebaut, die finanziell solide dasteht, eine Bedeutung innerhalb unserer Institution hat und gleichzeitig eine akademische Kultur fördert, deren humanistische Ausrichtung eine klinische Arbeit, wie sie in diesem Buch beschrieben wird, anerkennt. Derartige Abteilungen sind in der amerikanischen Psychiatrie unseres Zeitalters selten zu finden. Schließlich half mir der Psychologe und Psychotherapeut John Gualtieri, meine tiefsten inneren Überzeugungen in Kreativität und Schreiben umzusetzen. Der Hintergrund zu diesem Buch ist, dass ich während der Präsidentschaftskampagne 2004 mitten in der Nacht aufwachte und zu aufgebracht war, um wieder einzuschlafen. Christen hämmerten Schwerter aus ihren Pflugscharen. Aus religiösen Überzeugungen und biblischen Schriften, die in meiner Jugend Instrumente des Mitgefühls waren, wurden politische Säbel des Hasses gegen Schwule und Lesben und alle anderen, die als außerhalb des Schoßes der vermeintlich christlichen Ideologie stehend angesehen wurden. Dieser Aufruhr brachte mich zurück zur Psychotherapie, was wiederum zu der Entscheidung führte, dieses Buch zu schreiben. Es sollte ein Fachbuch sein, das wenig dazu beitragen konnte, die Korruption der Religion in weiten Kreisen der Gesellschaft ungeschehen zu machen, und dennoch das Problem innerhalb eines Gebietes behandelte, auf dem ich mich auskannte: der Welt der Medizin und der Psychiatrie.
Die klinischen Belange dieses Textes schaffen Verbindungen zwischen verschiedenen Fachbereichen. Wenn möglich wird der Begriff „Kliniker“ als umfassender und unspezifischer Ausdruck für professionelle Berater gebraucht, der Psychiater, Psychologen, Sozialarbeiter, Krankenschwestern, Familientherapeuten und zugelassene professionelle Lebensberater meint, wobei ich mir durchaus darüber im Klaren bin, dass er als Beschreibung für Seelsorger und Kleriker inadäquat ist. Als problematischer erwies es sich, einen umfassenden Begriff für die Personen zu finden, die im Mittelpunkt der klinischen Probleme stehen, denn „Patient“, „Klient“, „Gemeindemitglied“ und „Kunde“ sind Identitätsmarker für unterschiedliche Berufszweige, die auch unterschiedliche therapeutische Traditionen und Praktiken ansprechen. Da es keinen umfassenderen Begriff gibt, habe ich den Ausdruck „Patient“ benutzt, da er am besten nicht nur der Sprache, sondern auch der Art der professionellen Beziehung in den klinischen Vignetten entspricht. Die griechische Etymologie von „Patient“, die sich aus dem Wort für „erdulden“, „erleiden“ herleitet, trifft den Wesenskern dieser Geschichten. Ich habe als Arzt in meinen Sprechstunden Patienten behandelt, und versucht, sie dabei sowohl aus meiner als auch aus ihrer Perspektive zu sehen.
Wenn man über das Leben von Patienten schreibt, ist der Schutz der Persönlichkeit eine besondere Herausforderung. Um einen Sachverhalt aussagekräftig darzustellen, müssen klinische Vignetten sich eng an die Konturen der tatsächlichen Interaktionen mit echten Menschen halten. Klinische Fiktionen in ein Fachbuch zu setzen, das Klinikern Hinweise für das Handeln an realen Patienten gibt, ist gefährlich. Doch eine zu genaue Beschreibung verletzt die Schweigepflicht, die selbstverständlich Bestandteil sämtlicher therapeutischer Beziehungen ist. Um diesen Fallstricken zu entgehen, habe ich mich an die allgemeine Praxis klinischer Autoren gehalten und persönliche Angaben – Geschlecht, Rasse, Alter, Beruf und andere Kennzeichen – verändert, um die persönlichen Identitäten unkenntlich zu machen. Manchmal habe ich Berichte aus verschiedenen ähnlich gearteten Sprechstunden, die während meiner langjährigen Praxis als Arzt und Professor an der medizinischen Hochschule stattfanden, vermischt.