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Die meisten schädlichen Auswirkungen der Religiosität entstehen nicht durch psychische Krankheiten

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Körperliche und emotionale Misshandlung, Nötigung, Gewalt, gesundheitsgefährdende Verhaltensweisen, Vernachlässigung der eigenen Person, soziale Isolation, übertriebene Verzweiflung, physiologische Stresssymptome – sie alle scheinen oberflächlich betrachtet Kennzeichen psychischer Krankheiten zu sein. Dies muss aber nicht der Fall sein, wie die Diskussionen in den Kapiteln 5–8 im Einzelnen zeigen. Religiöse Verhaltensweisen, die Menschen Schaden zufügen, sind oft Ausdruck komplexer soziobiologischer Verhaltensweisen, die in vielen Kontexten schützen können oder einfach keine Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Soziobiologische Systeme der Bindung, der Gemeinschaftsbildung, der Verwandten-Selektion, der sozialen Hierarchie und des sozialen Austausches werden als einige Beispiele dafür diskutiert. Wenn die Religion zerstörerisch wirkt, haben sich normalerweise eines oder mehrere dieser soziobiologischen Systeme so entwickelt, dass sie die Fähigkeit eines Menschen überschatten, als ganzes menschliches Wesen auf die eigenen Bedürfnisse oder die eines anderen Menschen zu reagieren. Zum Beispiel können religiöse Verhaltensweisen, die die Identifikation mit der eigenen religiösen Gemeinschaft vereinfachen, gleichzeitig das Gefühl der Verantwortung für die außerhalb dieser Gruppe stehenden Menschen auslöschen. Religiöse Überzeugungen können ein so totalitäres, allumfassendes Bild dessen zeichnen, was „wahr ist“, dass innerhalb ihres Geltungsbereichs alles erklärt, geordnet und mit Bedeutung versehen ist und jede Alternative ausgeschlossen ist. Religiöse Praktiken, die einem das Leben logisch und sinnvoll erscheinen lassen, können das Zusammengehörigkeitsgefühl mit denen, die nicht demselben Glauben angehören und nicht dieselben Praktiken ausüben, zerstören. Soziobiologische Prozesse, die eine religiöse Gemeinschaft fähig machen, sich als ein Ganzes zu fühlen und ihre Mitglieder sich als kompetent empfinden lassen, können Gewalt gegen andere fördern, besonders wenn das persönliche Einfühlungsvermögen über die Grenzen der Gemeinschaft hinweg nur schwach ausgeprägt ist. Für die klinische Behandlung ist es wichtig, die soziobiologischen Muster zu verstehen, durch die Schaden angerichtet werden kann, ohne sie gleich als Geisteskrankheit zu überdiagnostizieren. Diese Muster verweisen auf klinische Interventionen, die sich mit denen überschneiden können, die zur Behandlung psychischer Krankheiten eingesetzt werden, oft aber dennoch von ihnen unterschieden sind.

Religion hilft, Religion schadet

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