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I. Der Streit um die Notwendigkeit eines Handlungsbegriffs als Gegenstand strafrechtlicher Bewertungen

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Bei der Anknüpfungsfunktion des Handlungsbegriffs geht es darum, ein gemeinsames Kriterium – einen Oberbegriff – für sämtliche Erscheinungsformen strafbaren Verhaltens zu finden. Die Handlung ist danach – in Begriffen Maihofers[13] ausgedrückt – das „Grundelement“ jeder Straftat und zugleich das „Verbindungselement“ zwischen den Kategorien des Verbrechensaufbaus, indem sie auf jeder Deliktsstufe wiederkehrt und durch zusätzliche Attribute (Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit, Schuld) eine immer genauere Kennzeichnung erfährt. Der Handlungsbegriff soll die rechtlichen Bewertungen der nachfolgenden Systemelemente im Regelfall nicht vorwegnehmen. Er soll aber andererseits auch nicht inhaltsleer sein, sondern ein aussagekräftiges Merkmal angeben, das allen Erscheinungsformen strafbaren Verhaltens auf allen Stufen des Verbrechensaufbaus gleichermaßen zu eigen ist.

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Es ist bisher nicht gelungen, Einigkeit darüber zu erzielen, wie ein solcher Handlungsbegriff zu bestimmen ist. Denn er muss notwendigerweise wegen der Vielfalt seiner Erscheinungsformen abstrakt sein, gleichzeitig aber so viel Inhalt haben, dass er zu den rechtlichen Wertungsprädikaten hinleitet.

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Nicht wenige Autoren halten die Lösung dieser Aufgabe für unmöglich. Sie schlagen daher vor, auf einen vortatbestandlichen Handlungsbegriff ganz zu verzichten und den Tatbestand zum Grundbegriff des Verbrechenssystems zu machen. Eine solche Lösung hatte schon Radbruch in seinen späteren Jahren vorgeschwebt.[14] Gallas[15] hat dann in einflussreichen Darlegungen ausgeführt:[16] „Alle Versuche …, … ein dem Begehungs- und Unterlassungsdelikt gemeinsames Moment ausfindig zu machen, an das … die strafrechtliche Wertung allererst anzuknüpfen hätte, … sind gescheitert.“ Er will daher den Handlungsbegriff auf die „negative Funktion“, die hier als „Filterfunktion“ bezeichnet wird, beschränken. Mit Hilfe des Handlungsbegriffs lasse sich nur „ausscheiden, was überhaupt nicht Handlung sein kann …“.

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Diese Meinung wird auch gegenwärtig noch vertreten. „Vielfach wird heute die Leistungsfähigkeit eines dem Tatbestand vorgelagerten Handlungs-Begriffs überhaupt bezweifelt“, heißt es bei Fischer.[17] So lehren etwa Krey/Esser[18] einen „Verzicht auf die Bildung eines Handlungsbegriffs als Oberbegriff für alle Begehungs- und Unterlassungsdelikte“ und seine „Beschränkung auf eine rein negative Funktion (Ausscheidung von Nichthandlungen)“.

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Auch wenn man die Bedeutung des Problems nicht überschätzt, sollte man jedoch auf die Herausarbeitung eines positiven Handlungskriteriums nicht verzichten. Denn wenn man von tatbestandsmäßiger Handlung spricht, muss die Tatbestandsmäßigkeit eine Eigenschaft der Handlung und nicht die Handlung selbst sein. Schon Welzel[19] hat die Notwendigkeit betont, das „sachliche Substrat zu finden, an das die Rechtsordnung ihre Wertprädikate anknüpft …. Hierfür aber wäre ein Handlungsbegriff mit nur ‚negativer Funktion‘ völlig ungeeignet.“ Wenn man, wie es allgemein anerkannt ist, bestimmte menschliche Regungen und Wirkungen als „Nichthandlungen“ aus der Deliktsprüfung ausscheiden will, muss das, was als Handlung übrig bleibt, sich notwendig durch irgendwelche Merkmale auszeichnen, die es von den Nichthandlungen abhebt.

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Dem soll im Folgenden nachgegangen werden. An die kritische Überprüfung der wichtigsten in der Literatur vertretenen Handlungsbegriffe soll sich der eigene Vorschlag anschließen.

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