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3. Annes Leben

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1955

›Ich ging nach Hause, als wäre nichts gewesen. Und, im Prinzip, war es das ja auch. Die Kirchenglocke schlug dreimal, das hieß, es war erst 15 Uhr. Mir kam es schon sehr viel später vor. Aber irgendwie schien die Zeit stillgestanden zu haben. Wir waren nicht mal eine Stunde weg. Und es war nicht ungewöhnlich, länger auf Arbeit zu bleiben. Oft korrigierte ich die Tests meiner Schüler, stellte einen Lehrplan für die kommende Woche zurecht oder ich las einfach. Als ich die Wohnungstür aufschloss, überkam mich eine Traurigkeit. Ich legte meine Tasche ab und setzte mich einen Moment lang auf das Sofa. Seit kurzem hatten wir einen Fernseher. Als mein Mann damit eines lieben Tages ankam und das Ding mit einem Kollegen in die Wohnung trug und ihn auf den Tisch stellte, war ich zuerst sehr geschockt. Das Teil musste ein Vermögen gekostet haben! Aber alle hatten so was in ihrem Wohn-/oder Esszimmer. Bei manchen sogar in beiden Räumen. Eigentlich genügte mir das Radio. Dennoch war es schon aufregend und die ersten Wochen verbrachten wir wieder viel Zeit miteinander und schauten in die Glotze (den Begriff habe ich von meinen Schülern übernommen). Irgendwann hatte er das Gerät auch auf ein extra dafür geeigneten Schrank gestellt. Und ich hatte den Tisch wieder. Aber ich schaltete ihn nur zu bestimmten Sendungen ein.

Ich hörte weiterhin lieber Radio. Schließlich gab es tolle Musik. Ich hatte einen Sender gefunden, der keine Schlager spielte. Sondern schönen Rock’n’Roll oder auch anderes, was modern war. Es gab Gerüchte, das es ausländische Sänger oder Gruppen gab, die man bei uns nicht oft spielen konnte. Die Gründe habe ich eigentlich nie wirklich verstanden. Aber das war mir egal, wenn mal ein Lied gespielt wurde, war ich glücklich. An der Stimme erkennt man doch nur die Leidenschaft. Für mich spielte es keine Rolle, welche Farbe jemand hat. Aber die Gesellschaft war nun einmal so. Ich habe immer wieder gehofft, dass es sich eines Tages legen wird und wir diese einfach nur hören dürfen, ohne es heimlich zu machen. Und es gab einen Sänger, den alle liebten und ihn an schmachteten, für seinen Hüftschwung. Mein Mann mochte es nicht, wenn ich mir das anschaute. Also blieb ich lieber beim Radio. Das war harmlos.

Jahre später hatte es sich zum Glück geändert.

Ich ging zu meiner Tasche und holte meine Mappe raus. Überprüfte einige Arbeiten und als ich fertig war, nahm ich ein Buch und begann zu lesen. Es war noch immer recht früh. Das Essen war schnell gekocht. Die Wohnung war sauber und ordentlich. Ich hatte mir angewöhnt, alles direkt wieder wegzuräumen und zu putzen. Das Schrillen des Telefonapparates holte mich in die Gegenwart zurück. Weg von Bronté.

»Bei Stark, Anne am Apparat.«

»Hallo, Anne, Theo hier.«

»Hallo, Schatz!« Ich brauchte nicht zu fragen, warum er anrief. Ich wusste es. »Es wird später heute«, hörte ich ihn sagen. Alles andere war unwichtig. Ich legte auf und starrte in die Luft. Selten fühlte ich mich so einsam. So unglaublich einsam. Natürlich ging es mir oft so, aber dieses Mal fühlte es sich an, als würde ich in ein Loch sinken. Es nutzte nichts. Ich machte mir einen Tee und zog mich zurück. Wenigstens brauchte ich heute nicht kochen. Das Radio spielte eine Musik, die sehr berauschte. Gegen 22 Uhr war ich fertig fürs Bett und legte mich hin. Das Buch, was ich las, war zu Ende gelesen und ich entschied ›Jane Eyre‹ definitiv mit in den Lehrplan einzubauen. Warum? Jane war ein unglaublich mutiges Mädchen. Sie musste so viel durchmachen. Sie gab ihre Liebe auf, weil sie moralische Bedenken hatte. Eigentlich ein gutes Thema für meine Ethikstunde. Ich war nicht nur Lehrerin in diesen zwei Fächern, sondern auch Vertrauenslehrerin. Meine Schüler sind von der fünften bis zur zwölften Klasse. Es tat gut, wenn sie mir zuhörten, vertrauten und mich um Rat baten. So etwas kannte ich vorher nicht. Nein, vorher hörte mir niemand zu und schon gar nicht wollte jemand einen Rat von mir. Ich war erschöpft, vom vielen Nachdenken, das ich einschlief, bevor Theo nach Hause kam. Irgendwann, Mitten in der Nacht, hörte ich die Toilettenspülung. Ich knipste das Licht an und schaute auf die Uhr, die im Schlafzimmer an der Wand hing. Es war schon nach ein Uhr nachts. Bevor er registrierte, dass ich wach wurde, löschte ich das Licht und zog die Decke über mich. Wenig später gesellte er sich zu mir und ich spürte, wie seine Hände auf meinem Körper spazieren gingen. Er zog mich zu sich und verlangte nach dem, was ich ihm, als seine Ehefrau, geben musste …‹

Das magische Armband

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