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9. Eindringling

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Zuhause setzte ich mich direkt an meine Schularbeiten. Es war einiges. Mathe, Bio, Geo, Französisch und Englisch. Nach Mathe brauchte ich allerdings eine Pause und nach Biologie auch. Geographie war okay. Zwischendurch musste ich was essen und trinken. Aber alles in allem kam ich gut voran. Besonders in Englisch. Als ich fertig war, legte ich die DVD zu Bridget Jones ein und schaute mir den Film an. Es war bereits nach zehn Uhr, als ich das Licht ausmachen wollte, hörte aber dann wieder ein Geräusch. Es war wirklich so, als würde jemand an meine Tür kratzen. Ich musste die Nummer wählen. Zu groß war meine Angst. Nach dem ersten Pieps wurde abgenommen.

»Hallo?«

»Hallo, Herr Traum, Maja Stark hier.«

»Hallo, Maja!«

»Es tut mir wirklich leid, Sie um diese Uhrzeit zu stören.«

»Du hast Angst«, stellte er schnell fest.

»Große. Irgendjemand kratzt an meiner Tür.«

»Was?«, stieß er aus. Ich hielt den Hörer hin. »Oh, hast du die Polizei gerufen?«

»Die würden mich für verrückt halten.«

»Bleib, wo du bist. Ich fahre zu dir.« Bevor ich etwas sagen konnte, hörte ich schon seine Tür und das Geräusch eines Motors.

»Bist du noch dran?«

»Ja«, ich flüsterte, gab ihm die Straße durch.

»Okay, ich bin gleich bei dir.« Ich spähte aus dem Fenster und da bog er in die Auffahrt. Ich öffnete es einen Spaltbreit und warf meinen Schlüssel raus.

»Seien Sie vorsichtig!« Plötzlich hörte ich, wie das Kratzen erstarb, es folgte ein Poltern, dann das Klirren einer Fensterscheibe. Anschließend klopfte es an meine Tür.

»Ich bin es.« Ich atmete durch, das Handy und den Schraubenzieher immer noch in meinen Händen, und öffnete die Tür. Ich fiel ihm um den Hals.

»Danke!« Er trat etwas zurück. »Tut mir leid«, sagte ich, weil es nicht angebracht war, einen Lehrer zu umarmen.

»Nein, das ist es nicht. Der Schraubenzieher?« Ich legte ihn weg.

»Verteidigung.«

»Verstehe.« Er schaute sich in meinem Zimmer um.

»Komm, ich zeig dir was.« Er deutete zuerst auf die Kratzspuren, dann auf das verletzte Tier.

»Oh, nein!«, stieß ich aus und kniete mich kurz zu ihm, um zu sehen, ob sich etwas bewegte. Als ich feststellte, dass es noch atmete, stellte ich mich wieder auf die Beine, kam dabei aber ziemlich ins Schwanken. Das war ein heftiger Abend.

»Schon okay, es hat sich nur etwas geschnitten.« Ich setzte mich auf einen Hocker im Flur. Und schüttelte den Kopf.

»Es tut mir wirklich leid!«

»Muss es nicht.«

»Doch!« Dann bemerkte ich allerdings etwas. »Moment, das Tier kann aber nicht dafür verantwortlich sein.« Ich zeigte ihm einen Handabdruck an der Wand. Herr Traum verlor jegliche Farbe aus seinem Gesicht.

»Ich ruf die Polizei an.«

»Bitte, gehen Sie nicht zu weit weg!« Er sprach leise und behutsam und keine zehn Minuten später fuhr ein Polizeiwagen mit Blaulicht zu uns.

Alles wurde fotografiert und ich gefragt, seit wann das schon ging. Das verletzte Tier wurde ebenfalls direkt versorgt und weggebracht.

»Eigentlich seitdem ich hier wohne. Ich dachte, ich würde es mir nur einbilden.« Dann kam eine Frau in Polizeiuniform und bat ihren Kollegen sich etwas anzusehen.

»Von hier musste sich der Täter Zugriff zum Haus verschaffen haben.« Der Keller! Ein Fenster war eingeschlagen. »Wo sind Ihre Eltern, Maja?«

»Geschäftlich unterwegs. Ich weiß nicht genau, wo.«

»Haben Sie eine Nummer?«

»Äh, ja.« Mein Handy hatte ich noch in der Hand und ich bemerkte den Pyjama, den ich trug. »Hier.« Ich reichte ihr die Nummer und mir wurde schwindlig. Herr Traum hielt mich fest. »Danke«, hauchte ich. Kurz darauf kam die Beamtin wieder.

»Wir haben mit ihnen geredet. Aber sie können erst übermorgen hier sein.« Ich musste wie ein Welpe ausgesehen haben, denn sie streckte die Hand nach mir aus und versuchte mich zu trösten. »Gibt es Freunde oder Verwandte zu denen Sie so lange hinkönnten?«

»Wir wohnen erst seit einigen Tagen hier.«

»Sie sind alleine hier eingezogen?«

»Meine Eltern sind seit sieben oder acht Wochen unterwegs.«

»Wirklich?«, fragte sie misstrauisch und machte sich weitere Notizen. Mein Herz schlug schneller, als ich ihren Blick sah. Sie würde das Jugendamt anrufen, wenn ich weiterhin alleine bleibe. Aber das konnte ich nicht zulassen. Das durfte nicht sein.

»Ja. Aber eigentlich war das okay. Bis diese Geräusche anfingen. Zuerst waren sie nur am Fenster. Aber da hatte es auch gedonnert, gestern war was am Türknauf und jetzt das.«

Herr Traum meldete sich zu Wort: »Und Maja hatte gemeint, sie würde sich beobachtet fühlen.« Beschämt nickte ich.

»Okay, also wo können Sie unterkommen?«

»Bei mir«, sagte er sehr schnell, als hätte er bereits gewusst, dass dies eine mögliche Option war.

»Alles klar. Maja, packen Sie sich ein paar Sachen zusammen und wir melden uns, sobald es etwas Neues gibt.«

Herr Traum half mir beim Packen und machte meine Schultasche mit dem voll, was ich brauchen sollte. Umziehen wollte ich mich nicht mehr, es war mir zu anstrengend. Unter meinem Oberteil hatte ich was an. Ohne BH oder Ähnlichem wollte ich nicht schlafen, da ich zu große Angst hatte.

»Dankeschön. Das ist sehr nett von Ihnen.«

»Nein, ich hätte gleich reagieren sollen, als du mir davon erzählt hattest. Aber ...«

»Aber Sie dachten, ich würde nur panisch reagieren? Ja, wäre denkbar.« Nachdem ich mich auch bei den Beamten bedankt hatte und ihnen meine Handynummer daließ, fuhr ich mit meinem Lehrer zu ihm.

»Was geht dir durch den Kopf, Maja?«, fragte er nach wenigen Minuten.

»Wie eigenartig es ist, jetzt mit Ihnen hier zu sein.«

»Wieso?«

»Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll.« Er nickte, als würde er verstehen. Als wir bei ihm ankamen, hielt er mir die Tür auf und nahm meine Taschen. Er schloss seine Haustür auf und machte das Licht an. Eine sehr helle Wohnung wurde erleuchtet.

»Es tut mir leid«, sprach ich zögernd und blickte mich um.

»Weshalb?«

»Ich hab Sie gar nicht gefragt, ob Sie mit jemanden zusammen leben?«

»Du meinst, Freundin oder so?« Verlegen nickte ich. »Nein, ich bin Single.«

»Okay, tut mir leid. Geht mich ja auch nichts an.« Er öffnete eine weitere Tür und stellte meine Taschen dort hinein.

»Das Gästezimmer. Fühle dich wie zu Hause.« Ich sah ihn an, als hätte ich den Witz nicht verstand. Er bemerkte seinen Faux pas und korrigierte sich: »Fühle dich so wohl, als würdest du dich sicher und geborgen fühlen.«

»Schon besser, danke.«

»Kleiner Rundgang?«

»Gerne.«

Er zeigte mir das Gäste WC mit Dusche, die große offene Küche und das sehr elegant und modern eingerichtete Wohnzimmer. Dann das große Bad und sein Zimmer.

»Ihre Wohnung ist sehr schön.«

»Danke! Setz dich erst mal und ich mache uns eine heiße Schokolade.« Ich nickte. Während ich saß, blickte ich mich um. Die Regale waren voller Bücher und CDs, darüber hinaus hatte er einige DVDs. Aber ich wollte nicht zu neugierig sein und beließ es beim flüchtigen Hingucken. Er reichte mir eine Tasse und gesellte sich zu mir.

»Jetzt ruiniere ich auch noch Ihren Abend. Habe ich Sie vorhin gestört oder geweckt?«

»Nein.« Er lächelte und sah mir dabei in meine Augen.

»Wirklich nicht?« In dem Moment kam Hündin Molly zu mir und leckte meine Hand, aber ich war immer noch im Schock und konnte mich nicht wirklich auf sie einstellen.

»Du brauchst dich nicht immerzu entschuldigen. Es ist okay, wirklich. Wenn dir etwas passiert wäre, hätte ich mir ewig Vorwürfe gemacht.« Das verstand ich nicht und hakte nach. »Du vertraust mir etwas an und ich nehme es nicht Ernst.«

»Ich würde mich gerne irgendwie bei Ihnen bedanken«, sagte ich nachdenklich.

»Brauchst du nicht.« Ich stellte die Tasse auf einen Untersetzer auf den Tisch und ging kurz ins Zimmer. Als ich mich wieder setzte, hatte ich das Tagebuch und die Truhe dabei gehabt.

»Sie wollten es doch mal lesen.«

»Das stimmt«, meinte er zögernd und ich erkannte ein Funkeln in seinen Augen, welches ich nicht unterordnen konnte. »Und das ist die berühmte Truhe?«

»Ja, ist sie nicht schön?!«

»Das ist sie und es gibt keinen Schlüssel?«

»Leider nein. Ich hatte alles abgesucht, aber nichts gefunden.« Er öffnete das Buch und fand jenen, letzten Zettel. Er wollte ihn mir reichen. »Nein, ist schon okay. Lesen Sie es ruhig.« Er lächelte. Warum ich es ihm aushändigte? Meine Oma wollte nicht, dass ich es umher zeige. Aber irgendwie, ... Irgendwie war es schon in Ordnung. Ich spürte es einfach.

»Wäre es unhöflich, wenn ich mich etwas zurückziehe?«

»Im Schrank, neben dem Badezimmer, findest du Handtücher und alles andere, was du gebrauchen könntest. Wenn du ein Bad nehmen willst, sag Bescheid«, sagte er schon fast geistesabwesend, da er sich das Tagebuch genauer anschaute. Er drehte und wendete es. Der Einband war aus Leinen und die Blätter selbst schon leicht vergilbt. Eine braune Schnur war drumherum gewickelt und zu einer Schleife gebunden. Es war schlicht, aber wunderschön. Müde schüttelte ich den Kopf.

»Ich will einfach nur schlafen. Das war ein schlimmer Abend.«

»Gute Nacht, Maja!«

»Gute Nacht, Herr Traum.«

Ich machte noch einen Abstecher ins Bad und als ich ins Gästezimmer kam, schaute ich mir alles genauer an. Die Wände waren im zarten Flieder, an den Wänden hingen einige Blumenbilder - sehr geschmackvoll und nicht kitschig, es war ein Doppelbett und das Bettzeug war in einem Grün gehalten, welches zur Jahreszeit passte. Der Fußboden war mit Teppich ausgelegt, der Beige war. Eine Kommode war auch zu finden und ein Nachtschränkchen. Auf der Kommode stand eine Vase mit einer Blume, ich roch an ihr. Sie war echt und keine Kunstblume. Schrank und Tisch befanden sich ebenfalls im Zimmer. Ich zog das Buch raus, welches ich im Park anfing und knipste die kleine Lampe an. Ich machte die Jalousie runter und zog den Vorhang vor. Jetzt fühlte ich mich wohl und sicher. Das Bettzeug roch angenehm sauber. Dazu hörte ich etwas Musik über meine Kopfhörer. Ich musste direkt eingeschlafen sein, denn als ich am morgen aufwachte, lag das Buch neben mir. Meinen Wecker am Handy hatte ich zum Glück gestellt, denn so wie ich mich fühlte, hätte ich vielleicht verschlafen. Ich musste mich kurz orientieren, bevor ich Licht ins Zimmer ließ und das Fenster aufmachte. Ich suchte meine Kulturtasche und meine Klamotten und ging ins Bad, dann schnappte ich mir noch ein paar Handtücher und schloss die Tür ab. 15 Minuten später konnte ich mich auch unter Leute trauen und wurde mit dem Duft frischen Kaffees in die Küche gelockt. Es war noch vor sechs.

»Guten Morgen!«

»Guten Morgen, Herr Traum! Habe ich Sie geweckt?«

»Nein, ich stehe immer so früh auf. Normalerweise gehe ich joggen, aber ich wollte dich nicht alleine lassen.« Er war ebenfalls frisch geduscht und rasiert. Er deutete auf einen Stuhl und ich setzte mich.

»Ich bin es gar nicht gewohnt, dass jemand Frühstück macht!«

»Nein?«

»Schon lange her. Früher haben meine Mutter und ich uns immer sehr lange Zeit gelassen um das Frühstück bis zur letzten Minute auszunutzen. Aber als ich größer wurde und meine Mutter sich mehr und mehr für die Geschäftsreisen meines Vaters interessierte, war das auch passé.«

»Wie lange ist das her?«

»Sechs Jahre? Ja, etwa«, sagte ich nachdenklich.

»Bitte, bedien dich. Ich wusste nicht, was du magst, also hab ich von allem etwas aufgetischt.«

»Sieht gut aus.« Ich nahm einen Schluck vom Orangensaft und schnappte mir ein Vollkornbrötchen, dazu etwas Obst.

»Gesund«, stellte er fest.

»Nicht, wenn ich Nuss Nougat Creme drauf schmiere. Aber das muss sein.« Er grinste und machte es mir nach.

»Konntest du wenigstens etwas schlafen?«

»Kaum zu glauben, aber ja. Ich wollte noch etwas lesen, aber bin ziemlich schnell bei eingeschlafen.«

»Das ist gut. Die Polizei rief gestern noch mal an. Sie haben weitere Handabdrücke gefunden.«

»Oh.« Ich schaute zur Uhr, es war noch genug Zeit. »Dürfte ich eine Tasse Kaffee trinken?«

»Klar.« Er stand auf und machte mir eine fertig. »Wenn du irgendwas brauchst, bedien dich ruhig.«

»Danke.« Ich genoss die Wärme des Getränks.

»Was geht dir durch den Kopf?«, wollte er wissen.

»Wie naiv muss jemand sein, um nicht gleich die Polizei zu benachrichtigen? Es hätte sonst was passieren können, oder?« Meine Hand lag auf dem Tisch, Herr Traum berührte sie, und gab mir so zu verstehen, dass es ihm leidtäte. Ich zog sie allerdings schnell wieder weg, da erneut ein Kribbeln durch mich hindurch schlich. Labradorhündin Molly kam aus irgendeinem Zimmer angesabbert. Obwohl Herr Traum eine Hündin hatte, die immerzu und überall hin sabberte, war die Wohnung außerordentlich sauber, gepflegt und roch sehr gut. Und genau das teilte ich ihm auch mit.

»Ich habe eine Haushälterin«, gestand er. »Sie kümmert sich tagsüber um Molly und macht alles sauber. Ansonsten hätte ich wohl ein Problem. Ich liebe diese kleine sabbernde Molly zu sehr, aber im Haushalt bin ich nicht wirklich spitze und ich hab nicht immer so viel Zeit.« Dann räusperte er sich, als wolle er ein neues Thema beginnen und so war es dann auch. »Ich habe das Tagebuch deiner Oma gelesen.« Er holte es hervor und öffnete es. »Sehr interessant. Ich habe, auf eine der hinteren Seiten, etwas entdeckt und weiß nicht, ob du es schon gesehen hast.« Ich dachte, er meinte die Stelle, bei der stand: ›Not human‹. Aber er zeigte mir eine völlig andere. Er hielt es mir hin und ich las laut:

›Hör auf dein Herz Maja.‹

Sprachlos starrte ich die Wörter an. Herr Traum schwieg ebenfalls. Ein paar Minuten später stand er auf und räumte das Geschirr in die Spülmaschine. Ich befand mich fast in einer Art Trance. Und half beim Abräumen mit.

Kurze Zeit später, es war zehn vor halb acht, fuhren wir zur Schule. Es war ein merkwürdiges Gefühl, mit meinem Lehrer im Auto zu sitzen. Aber irgendwie war es auch ein Gefühl der Geborgenheit. Zum ersten Mal, seit sehr langer Zeit, fühlte ich mich sicher und beschützt. Schon zu Hause hatte ich Angst, aber nun wurde es Realität. Wir stiegen aus.

»Gehen Sie doch schon mal vor.«

»Ist es dir unangenehm oder peinlich?«

»Mit Ihnen gesehen zu werden? Oh ja, total«, ich kicherte. »Nein, aber ich möchte nicht, dass jemand falsche Rückschlüsse zieht. Außerdem ist es noch etwas zu früh.«

»Verstehe.« Ich setzte mich auf eine Bank und holte das Buch von Anne Frontier raus. Aber irgendwie konnte ich mich nicht konzentrieren.

›Hör auf dein Herz Maja.‹

Was sollte das bedeuten? Vielleicht konnte mir ja ›Julia‹ helfen. Also begann ich weiter zu lesen und stellte fest: Ja, Julia konnte bestimmt helfen. Langsam füllte sich der Parkplatz, und die Schüler redeten und erzählten über ihren Abend, über Hausaufgaben und alles, worüber Teenager sich unterhalten. Und plötzlich, mit all diesen Jugendlichen um mich herum, wurde mein Herz schwer. Diese Unbeschwertheit, die die meisten ausstrahlten. Natürlich hatten sie ihre Probleme und Sorgen und bei einigen waren diese sicherlich zu heftig, um sie auszusprechen. Doch sie hatten jemanden. Als es zum Reingehen läutete, strömten alle ins Gebäude und ich mit ihnen. Die ersten zwei Stunden hatten wir Literatur. An der Tafel stand ›Bridget Jones‹ dran und sie sollte das Thema dieser Stunde sein.

»Guten Morgen, Klasse!«, begrüßte uns der Lehrer. Nein, es folgte kein Chor der Schüler, die ihm auch einen »Guten Morgen« wünschten. »Kann mir jemand etwas über ›Bridget Jones‹ erzählen?« Keiner traute sich.

»Nina?«

»Sie ist ziemlich dick.«

»Okay. Jemand anderes? Vielleicht Paul?«

»Sie isst den ganzen Tag Schokolade.«

»Kann mir jemand eine vernünftige Antwort geben?« Ich lächelte und hob meine Hand. »Ja?«

»Sie ist auf der Suche nach etwas oder nach jemanden. Sie will einen Mann wie Darcy. Sie will einen Mann wie Fitzwilliam. Natürlich ist das nicht einfach. Sie verliebt sich in den Falschen. Bridget ist tollpatschig, naiv, sie sieht die Dinge definitiv falsch. Sie ist für ihre Freunde da. Sie kocht unglaublich mieses Essen, raucht viel und schreibt Tagebuch. Sie weiß, dass sie etwas ändern muss. Alles ist chaotisch, ob Arbeit oder Liebesleben, nichts läuft so, wie es soll. Und zwischendurch muss sie sich entscheiden. Und, um eins klarzustellen, sie müsste schon ein Hobbit sein, um als wirklich dick oder Fett bezeichnet zu werden. Und sie will die Karriereleiter hoch, aber ist viel zu faul.«

»Fitzwilliam?«, wurde gefragt.

»Fitzwilliam Darcy.«

»Aber der Typ hieß doch Mark Darcy.«

»Äh, ja. Aber die Vorlage des Buches ist ›Stolz und Vorurteil.‹ Na ja, es ist ihr Lieblingsfilm. Viel liest sie ja nicht, dafür dass sie beim Verlag arbeitet.«

»Und woher weißt du das?«, fragte ein Mädchen, dessen Namen ich nicht wusste.

»Ich hab es gelesen.«

»Im Film kommt doch gar nicht der Name vor.« Ich kicherte und dachte an die Szene mit dem Springbrunnen, ... und gerade als Herr Traum etwas sagen wollte, wurde die Tür geöffnet. Die Direktorin kam rein.

»Kann ich kurz mit Maja sprechen?«, fragte sie leise unseren Lehrer, aber ich konnte es hören. Mir wurde mulmig. Nachdem Herr Traum mir zu geknickt hatte, ging ich vor die Tür. »Es geht um Ihre Eltern.« Ein Kloß steckte plötzlich in meinem Hals. »Ihre Mutter hatte einen Unfall und sie können nicht zurückfahren.«

»Was ist passiert?«, stammelte ich fragend.

»Ihre Eltern waren Bergsteigen und da ist sie abgerutscht.«

»Was hat sie denn?«

»Sie liegt seitdem im Koma und Ihr Vater will solange dableiben, bis sie wieder wach wird.« Mir wurde schwindlig. »Alles in Ordnung? Ich habe das von gestern Abend gehört.«

»Es war wirklich schlimm.«

»Und Ihnen ist nichts Besseres eingefallen als Herrn Traum anzurufen?«

»Ja, na ja, ich saß gestern Nachmittag noch im Park und Herr Traum kam vorbei. Wir haben uns ein wenig unterhalten und da meinte ich, ich hätte Angst zu Hause und er gab mir seine Nummer«, stammelte ich.

»Und warum haben Sie nicht die Polizei gerufen?«

»Weil ich dachte, ich würde es mir einbilden. Und wollte die Polizei nicht belästigen.«

»Alles klar. Glauben Sie, Sie könnten so lange noch bei ihm wohnen?«

»Von mir aus schon, aber was Herr Traum dazu sagt, weiß ich nicht. Plötzlich einen Teenager in der Wohnung zu haben, ist eine enorme Umstellung. Ich würde es verstehen, wenn er ablehnen sollte.«

»Hätten Sie sonst jemanden hier?«

»Nein«, sagte ich traurig und blickte zu Boden.

»Okay, würden Sie bitte Herrn Traum, nach dieser Stunde, in mein Büro schicken?«

»Mach ich. Danke, dass Sie es mir gesagt haben.« Sie nickte, drückte meinen Arm und ging. Ich atmete ein paarmal Tief ein und aus, bevor ich die Türklinke runter drückte und ins Zimmer eintrat.

»Alles in Ordnung?« Eine Träne lief über meine Wange.

»Nein, nicht wirklich. Die Direktorin möchte Sie nach der Stunde sprechen.«

»Okay, setz dich.« Ich konnte nicht mehr zuhören. Dieses stupide Gerede über die Beziehung von ›Daniel Cleaver‹, ›Mark Darcy‹ und Bridget ging mir gerade auf den Keks. Das Buch war okay, aber was meine Klassenkameraden dazu sagten, nervte. Als es zur Pause klingelte, ging Herr Traum zur Direktorin und ich spürte, wie sich langsam, aber sicher mein Boden unter den Füßen wegzog. Es klingelte erneut, aber Herr Traum war noch nicht da. Es wurde getuschelt und geflüstert. Kurz darauf stand er an seinem Tisch und machte mit dem Unterricht weiter.

»Okay, auch wenn ich etwas spät bin, schreiben wir den Test.« Er verteilte die Zettel und setzte sich auf seinen Stuhl. Es waren Multiplechoice Aufgaben und man sollte noch etwas schreiben. Nun gut, damit wurde mein Verstand fertig. Es war einfach, die Fragen zu beantworten, schließlich hab ich das Buch gelesen und dann noch mal mit meiner Großmutter.

Das magische Armband

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