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Der Preis des Paradieses

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Meine Geschichte von der sprechenden Möwe erscheint mir selbst ein bisschen kitschig und gekünstelt, aber so wirkt jedes Szenario, bei dem sich Menschen vorstellen, wie das Leben ohne alle Beschränkungen aussehen könnte.

Doch den Verlust aller Beschränkungen müssen wir nicht fürchten. Utopisten gehen von einem zukünftigen Zustand der »Abundanz« (»Fülle«) aus, nicht weil man ihn sich leisten kann, sondern weil er kostenlos ist, vorausgesetzt wir akzeptieren unsere ständige Überwachung.

Anfang der achtziger Jahre begann ein ursprünglich kleiner Kreis begabter Technologen, Konzepte wie Privatsphäre, Freiheit und Macht neu zu interpretieren. Ich war schon früh an diesem Prozess beteiligt und half bei der Formulierung vieler Ideen mit, die ich nun in meinem Buch kritisiere. Aus den Ideen einer kleinen Subkultur hat sich mittlerweile die dominierende Sichtweise auf die Computerwelt und die softwarevermittelte Gesellschaft entwickelt.

Einige Mitglieder dieser sogenannten »Hacker-Kultur« vertraten die Ansicht, dass Freiheit den Schutz der Privatsphäre mittels Krypto-Technologie bedeutete. Ich erinnere mich an den Nervenkitzel, als wir etwa um das Jahr 1983 herum am Massachusetts Institute of Technology (MIT) militärische Verschlüsselungsmethoden anwandten, nur um darüber zu diskutieren, wer die Pizza bezahlen sollte.

Einige der Freunde, mit denen ich mir damals die Pizza teilte, wurden später sehr reich, weil sie gigantische Dossiers mit personenbezogenen Daten anlegten, die von Finanzinstituten, von Werbeagenturen, Versicherungsgesellschaften oder anderen Konzernen genutzt werden, die davon träumen, die Welt per Fernbedienung zu steuern.

Es ist typisch menschlich, die eigene Heuchelei oft nicht zu bemerken. Je größer die Heuchelei, desto unsichtbarer wird sie normalerweise, und wir Technikfreaks sind in dieser Disziplin besonders gut. Wir schaffen es spielend leicht, die Verschlüsselung für Technikexperten und das massive Ausspionieren der einfachen Bürger unter einen Hut zu bringen. So bekomme ich immer wieder zu hören: Auf den Schutz der Privatsphäre normaler Menschen könne man verzichten, weil sie ohnehin bald irrelevant sei.

Die Überwachung der ahnungslosen Masse durch einige Auserwählte, die über die Technologie verfügen, ist demnach hinnehmbar, weil man davon ausgeht, dass am Ende ohnehin alles für alle transparent sein wird. Netzwerkbetreiber wie Cyber-Aktivisten scheinen zu denken, dass die Netzwerkserver der Elite, die die Informationshoheit besitzen, irgendwann harmlos sein oder sich einfach in Wohlgefallen auflösen werden.

Folgt man den digitalen Utopien, in denen der Einsatz von Computern durch und durch gut und ultra-billig ist, müssen wir uns keine Sorgen über die Netzwerkunternehmen der Elite machen, die sich aus den heutigen Derivatefonds entwickelt haben oder aus Silicon-Valley-Firmen wie Google oder Facebook. In der zukünftigen Welt der Fülle ist jeder mit Begeisterung offen und großzügig.

Bizarrerweise nehmen die Endzeit-Utopien der meisten begeisterten libertären Hightech-Anhänger meist eine sozialistische Wendung. Alle Genüsse und Annehmlichkeiten des Lebens werden so günstig sein, dass wir ihnen keinen Wert mehr beimessen können, heißt es. Abundanz wird allgegenwärtig sein.

Diese Haltung teilen ganz unterschiedliche Konzerne und politische Gruppierungen, Facebook ebenso wie WikiLeaks. Irgendwann, so stellen sie sich vor, wird es keine Geheimnisse und keine Zugangsbeschränkungen mehr geben. Die ganze Welt wird offen sein, als ob die Erde eine Kristallkugel wäre. In der Zwischenzeit verschlüsseln die wahren Gläubigen ihre Server, nicht ohne zuvor noch so viele Daten zu sammeln wie möglich und den besten Weg zu finden, sie für sich einzusetzen.

Man vergisst eben leicht, dass »kostenlos« unweigerlich bedeutet, dass jemand anders darüber entscheidet, wie man leben soll.

Wem gehört die Zukunft?

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