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1. Irreführungsschutz

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Mit der UGPRL und der UWG-Reform 2008/2015 ist der Verbraucherschutz zu einem autonomen Schutzzweck des europäischen Wettbewerbsrechts aufgestiegen (Art 1 UGPRL), der nicht vom Markenrecht als Immaterialgüterrecht beschnitten oder überlagert werden darf. Das zeigt sich vor allem im Bereich der irreführenden Werbung: Nach Art 6 Abs 2 lit a UGPRL ist jegliche Vermarktung eines Produkts als irreführend anzusehen, die eine Verwechslungsgefahr mit einem anderen Produkt, Warenzeichen oder Warennamen oder anderen Kennzeichen eines Mitbewerbers begründet, sofern der Durchschnittsverbraucher dadurch zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst wird oder veranlasst werden kann, die er ansonsten nicht getroffen hätte. Dieses Kriterium der wettbewerblichen Relevanz wurde mit der UWG-Reform 2015 für alle Irreführungstatbestände in § 5 Abs 1 S 1 UWG normiert.

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Problematisch ist die Konkurrenz der verbraucherbezogenen Vorschriften des UWG (§§ 5 Abs 1 S 2 Nr 1, Abs 2 UWG) gegenüber den Vorschriften über den Identitäts- und den Verwechslungsschutz (§§ 14 Abs 2 Nr 1 und 2, 15 Abs 2). Die alte Vorrangthese des BGH lässt sich insoweit nicht mehr aufrechterhalten (BGH GRUR 2016, 965 Rn 20 – Baumann II; BGH GRUR 2013, 1161, 1165 – Hard Rock Cafe; Goldmann GRUR 2012, 857, 859; Ströbele/Hacker/Thiering § 2 Rn 17). Während die Kritiker der Vorrangthese sich eher bestätigt sehen (Fezer § 2 Rn 54, 95–100; ders MarkenR 2006, 511, 512; ders GRUR 2009, 451, 454), hat der BGH seine Rspr lediglich an die Neuregelungen angepasst:

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Betriebliche Herkunftstäuschungen, die durch die Verwendung oder Nachahmung einer fremden Kennzeichnung hervorgerufen werden, wurden früher ausschließlich über das MarkenG (zB §§ 14 Abs 2 Nr 1 und 2, 15 Abs 2) gelöst; das allgemeine Irreführungsverbot griff insoweit nicht ein (BGH GRUR 2008, 160 Rn 25 – CORDARONE). Im Hinblick auf die europäischen Vorgaben der UGPRL geht auch die Rspr heute von einem konkurrierenden Verhältnis des UWG aus, soweit mit der Kennzeichenverletzung zugleich eine konkrete und wettbewerblich relevante Irreführung verbunden ist (BGH GRUR 2016, 965 Rn 20 – Baumann II; BGH GRUR 2013, 1161 Rn 60 – Hard Rock Cafe). Die Anwendung der lauterkeitsrechtlichen Vorschriften zum Schutz vor Herkunftstäuschungen gem § 5 Abs 1 S 2 Nr 1 und Abs 2 UWG steht danach nicht die Annahme eines generellen Vorrangs in dem Sinne entgegen, dass die durch eine bestimmte Kennzeichnung hervorgerufene Irreführung über die betriebliche Herkunft allein nach den Grundsätzen des Markenrechts zu beurteilen ist. Auf Grund der durch diese Vorschriften ins deutsche Recht umgesetzten Bestimmungen des Art 6 Abs 1 lit b und Abs 2 lit a UGPRL bestehen der markenrechtliche und der lauterkeitsrechtliche Schutz nebeneinander (BGH GRUR 2016, 965 Rn 20 – Baumann II; BGH GRUR 2013, 1161 – Hard Rock Cafe).

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Obgleich damit auch der BGH nicht mehr von einem generellen Vorrang des MarkenG ausgeht, sind bei der Anwendung der lauterkeitsrechtlichen Vorschriften zum Schutz vor Herkunftstäuschungen gem § 5 Abs 1 S 2 Nr 1 und Abs 2 UWG im Einzelfall Wertungswidersprüche zum Markenrecht möglich; sie gilt es zu vermeiden (BGH GRUR 2013, 397 Rn 44 – Peek & Cloppenburg III; BGH GRUR 2013, 1161 Rn 60 – Hard Rock Cafe; Büscher GRUR 2009, 230, 236; Bornkamm FS Loschelder, 2010, S 31, 43; ders GRUR 2011, 1, 4/8; Ohly/Sosnitza UWG, 7. Aufl, § 5 Rn 708; Ströbele/Hacker/Thiering § 2 Rn 19 ff; zur einheitlichen Auslegung der MarkenRL und der RL 84/450/EWG über irreführende und vergleichende Werbung EuGH GRUR 2008, 698 – O2/Hutchison). So kann dem Zeicheninhaber über das Lauterkeitsrecht keine Schutzposition eingeräumt werden, die ihm nach dem MarkenG nicht zukommt (Büscher GRUR 2009, 230, 236; Bornkamm GRUR 2011, 1, 5/8; Ohly/Sosnitza aaO § 5 Rn 713). Die Mobilisierung der § 5 Abs 2 bzw. § 5 Abs 1 S 2 Nr 1 UWG ist demnach ausgeschlossen, wenn die Benutzung des irreführenden Kennzeichens kennzeichenrechtlich gedeckt ist, zB wegen einer vorrangigen Priorität, der Grundsätze des Gleichnamigenrechts oder markenrechtlicher Schrankenregelungen. Daraus ergibt sich zB, das die Einschränkung, die ein Unternehmenskennzeichen durch das Recht der Gleichnamigen erfährt, zu einer Verneinung eines auf § 5 Abs 2 UWG gestützten Anspruchs des Inhabers des Unternehmenskennzeichens führt (BGH GRUR 2013, 397 Rn 44 – Peek & Cloppenburg III). Ebenso setzt sich der gegen ein Markenrecht bestehende Einwand der Verwirkung gegen einen auf § 5 Abs 1 S 2 Nr 1 UWG gestützten Anspruch wegen Irreführung über die betriebliche Herkunft durch (BGH GRUR 2013, 1161 Rn 60 – Hard Rock Cafe). Nichts anderes gilt für die im Streitfall maßgebliche zeichenrechtliche Priorität. Scheiden auf Grund des das gesamte Kennzeichenrecht beherrschenden Prioritätsgrundsatzes (vgl § 6 Abs 1, Art 5 MarkenRL 2015; Art 8 UMV; Art 16 Abs 1 S 3 HS 1 TRIPS) kennzeichenrechtliche Ansprüche wegen eines schlechteren Zeitrangs aus, kann sich der Inhaber des prioritätsjüngeren Kennzeichenrechts grds nicht auf den lauterkeitsrechtlichen Schutz vor Irreführung über die betriebliche Herkunft stützen, um dem Inhaber des Kennzeichenrechts mit älterem Zeitrang die Benutzung seines Kennzeichens zu verbieten (vgl auch Ströbele/Hacker/Thiering § 2 Rn 21; Bornkamm GRUR 2011, 1, 4).

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