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2. Der Begriff der notorischen Bekanntheit
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Über die Beantwortung der Frage, bei Vorliegen welcher Voraussetzungen von einer notorischen Bekanntheit auszugehen ist, herrscht Streit. Während einige Autoren für die Annahme einer Notorietät einen Bekanntheitsgrad von ungefähr 70 % verlangen (vgl Ingerl/Rohnke § 4 Rn 31), begnügen sich andere Autoren mit geringeren Prozentsätzen, wie zB über 63 % (vgl Nölle-Neumann/Schramm GRUR 1966, 70, 81). Weiterhin wurde vertreten, die Voraussetzungen für eine notorische Marke lägen bei einer Verkehrsdurchsetzung gem § 4 Abs 3 WZG vor (vgl Althammer WZG, § 4 Rn 83, 4. Aufl) oder eine erdrückende Mehrheit müsse die Marke kennen, weshalb ein höherer Grad als bei § 25 WZG, ohne allerdings die Voraussetzungen für eine berühmte Marke erfüllen zu müssen, vorliegen sollte (vgl Baumbach/Hefermehl § 4 Rn 150). Die Rspr des BGH verlangte für die Anwendung von Art 6bis PVÜ, dass die für die Annahme einer Verkehrsgeltung notwendige Bekanntheit erheblich übertroffen sein muss (vgl BGH GRURInt 1969, 257 – Recrin; vgl auch Kur GRUR 1994, 330 ff; dies GRUR 1999, 866 ff, die nicht nur für eine mengenmäßige, sondern auch inhaltliche Betrachtungsweise plädiert).
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Eine Bekanntheit von über 50 % sollte aber immer ein bedeutsames Indiz für die Annahme einer Notorietät sein. Nach der Rspr des OLG Frankfurt muss die allgemeine Bekanntheit deutlich über 50 % bestehen, etwa bei 63 %, 70 %, aber nicht unter 60 % (OLG Frankfurt 12.9.2012 – 9 U 36/11 Rn 41, juris mN). Eine demoskopische Erhebung kann nach dieser zuzustimmenden Rspr entbehrlich sein, wenn sich die erforderliche Notorietät aus anderen Umständen zweifelsfrei ergibt (OLG Frankfurt 12.9.2012 – 9 U 36/11 Rn 41, juris).
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Angesichts des Umstandes, dass der Rechtsbegriff der notorischen Bekanntheit ein relatives Eintragungshindernis nach Art 8 Abs 2c UMV darstellt, dessen Interpretation durch den EuGH verbindlich zu erfolgen hat, wird aller Voraussicht nach in der Zukunft der Rspr des EuGH insoweit die entscheidende Bedeutung zukommen. Das Abstellen auf bloße Mengen dürfte nicht mehr genügen; vielmehr könnte auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abzustellen sein, nämlich Dauer, Umfang und geografische Ausdehnung des Markengebrauchs und/oder der Markenpromotion, wirtschaftlicher Wert der Marke, der eingeräumte Schutz für die Marke sowie Dauer und geografische Markenregistrierungen oder Eintragungsersuchen, soweit hieraus auf die Bekanntheit oder den Gebrauch der Marke geschlossen werden kann (vgl auch Hacker Rn 81 unter Bezug auf die „Gemeinsame Empfehlung betreffen die Bestimmungen über den Schutz notorisch bekannter Marken“ der WIPO v 29.9.1999 mN, der bei Anwendung dieser Empfehlung eine nicht unerhebliche Ausweitung des Notorietätsschutzes prognostiziert, sollte die Rspr diese Grundsätze anwenden, und Kunz-Hallstein, der diese Empfehlung zur Auslegung des Art 6bis PVU und die diese entwickelnden Bestimmungen des Art 16 TRIPS als grundsätzlich verbindlich für die zuständigen Behörden und Gerichte in Deutschland ansieht, wobei dem Wortlaut der Mehrzahl der Vorschriften die erforderliche inhaltliche Bestimmtheit fehlt: Kunz-Hallstein GRUR Int 2015, 7 ff jew mN).