Читать книгу Tempus Z - Jo Caminos - Страница 20
Eintrag VI - Ice Core Scientific Facility Antarktika III
Оглавление22:00 Uhr Ortszeit
Ich liege im Bett und zittere. Ich weiß, dass es den anderen nicht sehr viel besser ergeht. Haben wir es? Werden wir auch zu diesen Dingern? Es ist ein Mix aus Verzweiflung und Wut, unglaublicher, animalischer Wut. Wut und Hass und noch mehr Wut ...
Der Tag hatte ganz normal begonnen. Am nächsten Morgen sollte es zurückgehen, nach Hause ... Ich war froh, aus dieser Einöde herauszukommen. Das Wetter hatte sich wieder verschlechtert - und für die nächsten Tage waren starke Eiswinde vorausgesagt. Ich hoffte, dass sich der Start nicht noch im letzten Moment verzögern würde. Wir würden zwar in Quarantäne gehen müssen, aber eine Quarantäne daheim war um Welten besser, als hier in dieser eisigen Öde vom Rest der Welt abgeschnitten zu sein.
Wir alle waren uns wohl bewusst, dass die aufgesetzte Fröhlichkeit der Truppe nur gespielt war. Wir machten uns etwas vor.
Gegen Mittag hatte Jackson dann hohes Fieber bekommen. Innerhalb von Minuten stieg die Temperatur auf fast 41 Grad. Er schien zu glühen, bekam Krämpfe. Die Ärzte taten ihr Bestes, dessen bin ich mir sicher, aber es war nicht genug, es war vergebens.
Eine halbe Stunde später war Jackson tot. Es war still geworden in der Forschungsbasis. Wir gingen uns aus dem Weg, wussten nicht, was wir sagen sollten. Die Sachen waren gepackt, der Flieger fertig zum Verlassen der Basis. Und genau das wollte ich - wollten wir alle - nur raus hier, weg von diesem eisigen Sarg.
Jackson und ich waren ein Team gewesen. Jetzt war Jackson tot, und dem Chief fiel nichts Besseres ein, als mir Porters als neuen Teampartner zuzuweisen. Offensichtlich kannte der Chief nicht unsere Vorgeschichte. Oder es war ihm egal. Porters war jetzt mit Jubilee zusammen, meiner Ex-Freundin, mit der ich seit unserer Highschoolzeit zusammen gewesen war. Nicht, dass ich der Schlampe eine Träne nachweinte. Viele unserer Bekannten verstanden nicht, dass ich Jubilee nicht deshalb hasste, weil sie mir den Laufpass gegeben hatte, nein, sie hatte mir den besten Freund weggenommen. Porters und ich kannten uns von Kindheit an. Viele hatten mich ob meines Vaters gemieden, der nach Ansicht vieler Nachbarn viel zu stark in der Bürgerrechtsbewegung der Schwarzen involviert war. Und ich war ja selbst schwarz, und selbst dieser Tage gab es in Missouri noch sehr viele, die damit ein Problem hatten. Porters hatte nie ein Problem damit, doch Jubilee hatte unsere Freundschaft zerstört, mit ihren Intrigen, ihren Lügen, mit ihren Gemeinheiten. Sie sah aus wie ein Engel, konnte sanft sein wie ein Lamm, doch tief in ihrem Innern war sie böse, böse und verschlagen. Ich hatte es rechtzeitig erkannt, Porters nicht.
Ich schweife ab, vielleicht, weil ich es will, weil ich nicht an den Horror denken will, der uns hier in seinen Klauen hält.
Mittags pünktlich zum Kaffee kehrte Jackson zurück. Ich weiß, das klingt zynisch. Aber ich weiß wirklich nicht, wie wir so blöde sein konnten. Die Leiche lag einfach so auf dem Tisch im OP, sie sollte später an Bord des Flugzeugs gebracht werden. Niemand hatte daran gedacht, die Leiche zu fesseln. Nun, wer denkt auch an so was ...?
Wenigstens konnte Jackson niemanden mehr beißen. Wir saßen im Gemeinschaftsraum beim Abschiedsbriefing, in lockerer Unterhaltung mit Kaffee und Kuchen, als das Etwas, das Jackson einmal war, hereingewankt kam. Ich reagierte überhaupt nicht, was für einen Spezialisten wohl ein Armutszeugnis ist. Nun ja, Jackson war ein Freund, und Freunde erschießt man nicht so gerne, auch nicht, wenn sie tot sind.
Porters dagegen hatte die besten Reflexe von uns allen. Der erste und einzige Kopfschuss saß sofort, und auch hier klatschten Hirnmasse und Blut fröhlich gegen die Wand des Gemeinschaftsraumes. Wenigstens war Jackson jetzt endgültig tot, ich hoffte es zumindest. Und der billigen Reproduktion eines Stilllebens mit Blumen an der Wand hatte die Sache überhaupt nicht geschadet. Das Bild war nichtssagend gewesen, blass, leblos. Irgendwie hatte das Rot gefehlt, und von dem hatte es danach mehr als genug.
Kaffee und Kuchen wollten uns auch nicht mehr schmecken, und als der jüngste im Team die Sauerei an der Wand dann hatte wegwischen müssen, hatte er dabei unter den Tisch gekotzt. War das ein Gemansche ...
Ich weiß, diese Formulierungen klingen übertrieben, aber wir wussten einfach nicht, wie wir mit der Situation umgehen sollten. Ein Gefecht war eine Sache. Leben und Sterben. Aber das hier war jenseits, jenseits von allem.
Wir taten uns schwer mit dem Denken - und auch mit dem Reden, alles wurde - ja, extrem beschreibt es wohl noch am besten ...
Und da war noch etwas.
Wir alle hatten eine leicht erhöhte Temperatur. Da war etwas in uns.
Wir waren nicht gebissen worden, hatten keinen Kratzer abgekommen. Und trotzdem ...
Die Temperatur wurde jede Stunde von den beiden Ärzten kontrolliert. Sie stieg nicht weiter an, blieb aber erhöht. Das Teuflische dabei war, dass wir alle eine innere Anspannung verspürten, die sich irgendwie und vor allem sehr bald entladen musste. Ich glaubte, explodieren zu müssen. Porters und ich gingen uns wegen jeder Kleinigkeit fast an den Hals. Rodriguez ohrfeigte den Chief wegen einer Banalität. Jeder von uns spürte in sich eine gefährliche Form von Ruhelosigkeit. Irgendetwas war in uns am Werk, und es war bestimmt nichts Gutes.
Als der Chief wie beiläufig die Omega-Direktive erwähnte, wäre es fast zur Katastrophe gekommen. Omega-Direktive, das hieß, dass ein kontaminierter Einsatztrupp sich selbst zu vernichten hatte. Wir hatten Sprengstoff dabei, wir hatten Selbstmordkapseln. Die Ärzte retteten die Situation durch Beruhigungsmittel. Doch die nächste Krise ließ nicht lange auf sich warten. Die Piloten hatten abhauen wollen, und es hatte Engelszungen und vor allem der Bazooka bedurft, um sie zum Bleiben zu überreden.
Der Chief kontaktierte irgendwann am Abend erneut die Leitstelle. Jetzt hieß es, dass wir in Ramstein Air Force Base direkt in eine andere Maschine verfrachtet würden, wir sollten die Basis nicht betreten, mit niemandem Kontakt haben. Die Deutschen würde man nicht über die Fracht informieren. Es würde offiziell ein Routineflug sein. Und bei den anderen Zwischenstationen vom Südpol bis nach Deutschland würde es genauso laufen.
Die Ärzte hatten die Dosis der Beruhigungsmittel erhöht. Keiner von uns war wohl wirklich einsatzfähig, und doch glaubten wir, vor Energie förmlich zu bersten. Porters und ich gingen uns aus dem Weg, so gut es eben ging - was nicht einfach war in der Enge der Station. Ich hätte ihm gerne die Fresse poliert. Und ihm ging wohl genauso, das konnte ich sehen, wann immer wir uns begegneten.
Die Piloten warfen uns misstrauische Blicke zu. Sie hatten kein Fieber.
Ich sollte eigentlich schlafen, aber mein Herz pocht wie nach einem Dauerlauf. Ich würde Porters gerne die Kehle durchschneiden. Er hatte mich verraten, unsere Freundschaft mit Füßen getreten. Aber zuerst werde ich Jubilee bearbeiten, wenn ich wieder zu Hause bin, nach der Quarantäne. Es eilt nicht. Aber ich weiß schon, was ich tun werde. Ich werde sie aufschneiden. Mit meinem Bowiemesser. Ganz langsam. Ja, sie soll kreischen, sie soll wimmern.
Und ich sollte jetzt wirklich schlafen.