Читать книгу Der literarische Realitätenvermittler - Joachim Hoell - Страница 18
ОглавлениеII.Liegenschaften
1. Deutschsprachige Literatur
[...] daß ich Gambetti ausgerechnet die deutsche Literatur nahezubringen habe, gerade die deutsche und die österreichische und die schweizerische, die sogenannte deutschsprachige, wie es von allen immer schauerlich unglücklich formuliert wird,die ich im Grunde gar nicht lieben kann, die ich immer geringer geschätzt habe als die russische, die französiche, selbst die italienische, und ob es nicht falsch sei, gerade die nichtgeliebte zu unterrichten, nur weil ich glaube darüber besser reden zu können als von einer andern. (A 238)
Der Diskurs zu deutschsprachiger Literatur wird in drei Hauptgruppen untergliedert: in deutsche Schriftsteller "aus der Periode Jean Pauls" (A 541), in deutschsprachige Schriftsteller der »Moderne« und in ein eigenes Kapitel zu Ingeborg Bachmann als die Maria des Romans.
1. »Periode des Jean Paul«
Die Menschheit flüchtet tagtäglich/ in die klassische Literatur/ denn in der klassischen Literatur ist sie unbehelligt/ und in die klassische Malerei/ und in die klassische Musik/ daß es zum Kotzen ist. (Mi 586)
Friedrich Schiller, Gotthold Ephraim Lessing und Johann Wolfgang von Goethe, also "etwas klassisches" (A 462), wie seine Schwestern aus ihrer Schullektüre im Gedächtnis behalten haben, sind mit Szenen aus den Räubern, dem Nathan und dem Urfaust an den Decken der Kindervilla dargestellt. Die Schwestern, die "keine Ahnung vom Inhalt der Stukkaturen gehabt" (A 462) haben, zeigen, daß die Verwaltung des kulturellen Erbes Wolfseggs in schlechten Händen liegt. Ebenso wie mit den fünf Bibliotheken Wolfseggs, die noch nicht einmal gelüftet, aber vorgeblich interessierten Besuchern geöffnet werden, wissen die Schwestern selbst mit Bildungsgütern wie Schiller, Lessing oder Goethe "nichts anzufangen" (A 462). Die geistige Gegenwelt Muraus ist damit klar umrissen, die ungeistigen Schwestern störten Murau bereits "als kleine Mädchen" beim Lesen (A 74); die Geschütze, die er die ungebildete Familie auffährt, sind nicht die kleinsten: Jean Pauls Siebenkäs, Novalis’ Heinrich von Ofterdingen, Hebels Kalendergeschichten und Goethes Wahlverwandtschaften.