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Der Tod des Nachsommers

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Der Tag verging ungefähr wie der vorige, und so verflossen nach und nach mehrere.39

Adalbert Stifter

Ulrich Greiner versucht in Der Tod des Nachsommers darzulegen, daß die von Magris kritisierte Wirklichkeitsflucht und der Handlungsverzicht gerade konstitutiv für die österreichische Literatur seien und daß seine These vom habsburgischen Mythos noch auf die Gegenwartsliteratur zutreffe.

In vier Thesen pointiert er Magris’ Aussagen: Das Ende des Josephinismus leite eine bis zum Zusammenbruch der Monarchie anhaltende Phase der Entpolitisierung und der Resignation ein; Stifters ›Nachsommer‹ sei das Hohelied des schönen Nichthandelns, die Inkarnation österreichischer Literatur; diese Art von Wirklichkeitsverweigerung und Handlungsverzicht sei konstituierendes Merkmal der österreichischen Literatur, und die republikanisch-aufsässige Tradition der deutschen Literatur habe in der österreichischen Literatur so gut wie kein Äquivalent; daraus sei die politische Windstille des heutigen Österreich zu erklären als jene bohèmehafte, apolitische, artifizielle Literatur, die von Graz bis Wien Kennzeichen vieler österreichischer Autoren sei.40

Greiners Thesen stellen den eindimensionalen Versuch dar, dem Wesen der österreichischen Literatur auf die Spur zu kommen, wobei er die Schärfe seiner Thesen teilweise wieder zurücknimmt, wenn er den Eskapismus letztendlich positiv deutet: »Hindurchgegangen durch die Zweifel an der Sprache, hervorgegangen aus der Aussichtslosigkeit politischen Handelns, geprägt von dem melancholischen Bewußtsein vergangener Größe und bedeutungsloser Gegenwart baut sich diese Literatur ein Reich der Phantasie, wo Wirklichkeit und Unwirkliches ununterscheidbar ineinanderfließen, wo die Alltagslogik entmachtet und die blind technokratische Provenienz unterminiert wird. Diese Literatur scheint eher imstande als die sogenannte realistische, ein Gegenbild zu entwerfen, in dem unsere Wirklichkeit deutlicher zum Vorschein kommt als in jener bloßen Verdoppelung der Realität, der viele gesellschaftskritisch sich verstehende Autoren aufsitzen.«41

Daß »ein behauptetes historisches Interesse vielfach zu wirkungsvollem Jonglieren mit den enthistorisierten Versatzstücken einer evasorischen Illusion pervertiert«42 werde, bemerkten Kritiker bereits im Erscheinungsjahr. Die Erwiderungen auf Greiners Untersuchung stellen die erste grundlegende Debatte über das ›Österreichische‹ dar.

Mythenreiche Vorstellungswelt und ererbter Alptraum.

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