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Bewältigungsversuche: Jean Améry

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Eine Heimatdichterin? Um Gottes Willen, nein!

(Améry, G 201)

Jean Améry rückt in seiner Simultan-Rezension Hofmannsthals Terzinen, Schnitzlers Reigen und Leutnant Gustl, Musils Törleß und Roths Radetzkymarsch in den Blick, »also das literaturgewordene bürgerliche Österreich« (Améry, T 193), in dessen Tradition die Erzählsammlung stehe. Der inhaltlichen Dimension entspreche der Stil aus »Leichtigkeit und Nebenhingesprochenheit«, der »sowohl österreichisches Parlando wie wohldurchdachte kompositorische Technik« (Améry, T 194) sei. Améry sieht gar den »Versuch unternommen, eine österreichische Literatursprache zu schaffen oder wiedererstehen zu lassen.« (Améry, T 194) Literarische Tradition und österreichische Sprache sind Améry zufolge die Kriterien für Bachmanns Österreichbewußtsein.

Jean Amérys emphatische Besprechung – die nicht ohne Einschränkungen ist – gründet allerdings auch auf einer sehr persönlichen Verbindung zu Bachmanns Zyklus: In Drei Wege zum See ist »von einem Mann mit einem französischen Namen, der aber ein Österreicher war und in Belgien lebte« (Bachmann, 2 421) die Rede, der den Essay »Über die Tortur« verfaßt habe. Diese Erwähnung Amérys deutet den Einfluß seiner Schriften auf den Simultan-Zyklus an, die Bachmanns Geschichtsverständnis zu erhellen vermögen. Améry ist einer der wenigen österreichischen Autoren der Nachkriegszeit, auf den Bachmann sich bezieht und der seine Erfahrungen im ›Dritten Reich‹ und als staatenloser Exilant in dem Bachmann bekannten Band Jenseits von Schuld und Sühne. Bewältigungsversuche eines Überwältigten dargestellt hat.

Bachmanns ›Trotta-Figur‹ in Drei Wege zum See ist nicht nur ein literarischer Wiedergänger Joseph Roths und ein Relikt der Habsburger Tradition, sondern auch ein zeitgemäßer Kritiker der sechziger Jahre, der die geschichtlichen Erfahrungen der letzten dreißig Jahre nach Roths Tod reflektiert; Amérys Züge an dieser Figur sind evident. Da Améry als kritischer und aufmerksamer Leser in Simultan keine geschichtliche Verfälschung erkennt, sondern trotz Bachmanns entgegengesetzter Erfahrung der »Fremde unter nicht weiter dramatischen Umständen« (Améry, G 201) tiefe Solidarität zu ihr empfindet, nimmt er den Vorwürfen gegen Bachmann ihre Schärfe.115

Die wichtigste Bezugsquelle der österreichischen Literaturtradition in Simultan bezeichnet der Titel von Amérys Rezension: »Trotta kehrt zurück«: Joseph Roths ›Trotta‹-Romane.

Mythenreiche Vorstellungswelt und ererbter Alptraum.

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