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Zum ersten Mal hörte ich das Wort España, als Diego im Willow Crescent einzog. Hätte mir vorher jemand gesagt, dass es ein so luftiges und helles und herrliches Wort für ein Land gibt, hätte ich mich vielleicht nie für Burundi entschieden.

Ich hatte (natürlich) gedacht, dass das Land an der Grenze zu Frankreich den Namen Spanien trug, und der hatte mich nur insoweit beschäftigt, als er sich auf Kastanien reimt, was mich zu der Überlegung führte, ob man wohl irgendwo eine einzelne Spanie (oder auch Albanie) finden konnte.

Weiter als Frankreich waren wir nie gekommen in unseren August-Urlauben, die meine Mutter sämtlich in einem Klebefotoalbum dokumentierte und mit Anmerkungen versah.

Jeder, der die Alben zu sehen bekam, wies genüsslich darauf hin, wie unterschiedlich Julia und ich geraten seien und wer von uns nun größer, kleiner, dünner, dicker, blasser, dunkler war.

So ist das bei Zwillingen.

Ich galt bald als die Schlaue – da musste Julia natürlich die Gegenposition einnehmen. Julia wiederum galt bald als die Hübsche – Sie ahnen, worauf ich hinauswill. Und ganz objektiv betrachtet war ich auch kein sehr ansehnliches Kind.

Da stand ich mit Knubbelknien und zugekniffenen Augen am Strand von Benodet, zwanzig Kilometer von Quimper entfernt, wo meine Mutter die Lasagneform gekauft hatte.

Dort war ich in Wales, dürr und groß, mit leicht strähnigen Haaren.

In dem Urlaub hat es viel geregnet, aber wir sind trotzdem in den Pool gegangen.

Am Beckenrand stand mein Vater unter einem Regenschirm mit unseren Handtüchern unterm Arm, neben ihm meine Mutter mit meiner Brille. Beim Rausklettern fing sie mich ab, damit ich nirgendwo gegenlief. Meine Großmutter merkte sich derweil im Pool-Café alles, was es an den anderen Gästen zu bemäkeln gab, um uns später davon zu berichten.

»Du liest zu viel«, sagte meine Mutter, als sie mir die Brillenbügel um die nassen Ohren legte. Sie wollte mir den Arm tätscheln, aber ich schüttelte ihre Hand ab, ich mochte nicht, wenn meine Eltern mich anfassten. Und weil ich sie immer abschüttelte, gaben sie irgendwann auf und bedachten stattdessen Julia mit ihrem Getätschel.

Julia ließ es über sich ergehen, dass ich ihr in unserem winzigen Zimmer in der Holzhütte nicht nur Gedichte vorlas, sondern auch Auszüge aus Stimmen im Wind, das ich bei unserer Großmutter im Regal entdeckt hatte. Die Liebesszenen zwischen der weißen Frau und dem schwarzen Sklaven hatte ich mit Kassenbons markiert.

Meine Mutter folgte uns auf Schritt und Tritt durch das verregnete Feriendorf aus Blockhütten, denn sie wollte »ein Auge auf uns haben«, nachdem Amanda Dowler auf dem Heimweg von der Schule verschwunden war und man ihre Leiche später aus der Themse gezogen hatte. Dann, an unserem vierten Urlaubstag – glaubt mans? –, verschwanden zwei Mädchen namens Holly und Jessica in einem Ort namens Soham. Julia und ich beteten verzweifelt, dass sie gesund und wohlbehalten aufgefunden wurden. Aber nein! Ihr Schicksal brachte meine Mutter fast um den Verstand, und sie wollte uns ab sofort nicht mehr allein zur Schule gehen lassen. Sonst würde uns noch jemand entführen und an Menschenhändler verkaufen und zur Prostitution zwingen.

»Hahaha«, sagte meine Großmutter.

Die andere Hälfte der Augusta Hope

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