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Parfait

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Ich wusste genau, wo ich es finden würde. Das, was fehlte. Es war oben, Richtung Norden – ich wusste es einfach.

Ich lief den Hügel hinauf zu Víctor, der in seinem Gemüsegarten zugange war. Denn ich hatte mich entschieden.

»Wir haben wieder einen Hutu als Präsidenten, Parfait«, sagte er. »Sie teilen sich wirklich die Macht – und vielleicht ist der Frieden endlich in Sicht.«

Ich sah zu, wie er, auf Knien hockend, die großen, zähen Blätter von einem Brokkolistiel abzupfte und in einen Eimer warf, die kleinen baumartigen Köpfe in einen anderen, und dachte nur, der neue Präsident interessiert mich nicht.

Die Hühner liefen gackernd durch den Matsch vor dem Gehege, und Víctors blinde Kinderschar tanzte durch den Garten, wobei sie ihre weißen Stöcke schwangen und skandierten: »Linker Fuß vor und der Stock nach rechts, rechter Fuß vor und der Stock nach links.«

»Ich hab mich entschieden, Víctor«, sagte ich. »Ich werde in dein Land gehen und mir da ein Zuhause aufbauen.«

»Ach, wirklich?« Víctor ließ sich auf die Fersen sinken und zwinkerte mich an.

»Ich sehe keinen Sinn darin, hierzubleiben«, sagte ich.

»Ein toller Plan, Parfait«, sagte Víctor. »Aber für deine erste Reise ist Spanien vielleicht etwas ehrgeizig. Es sind achttausend Kilometer.«

»Wir gehen einen Schritt nach dem anderen«, sagte ich, wütend über Víctors oberlehrerhaften Ton, darüber, dass er mich nicht ernst nahm. »Ist doch egal, wie lang es dauert. Hier hält uns nichts.«

»Du weißt, dass da ein Meer ist zwischen Afrika und Spanien?«, fragte Víctor, als wäre ich ein Idiot.

»Aber ein sehr kleines Meer«, sagte ich, ohne zu lächeln. »Ich hab es mir im Atlas angeguckt, und es ist mehr wie ein Fluss. Von Tanger aus können wir mit dem Boot übersetzen. Warst du da schon mal?«

»Da war ich tatsächlich schon einmal«, sagte Víctor.

»Wann war das?«

»Bevor ich hierherkam, ganz am Anfang meiner Reise durch Afrika.«

»Und was hast du da gemacht?«

»Bei einem Freund gewohnt – einem Priester, am Hafen …«

Víctor verstummte einen Moment und schloss die Augen.

»Aber nachts ist es da gefährlich, Parfait, da sind Gangster unterwegs, da treibt man sich nicht allein herum, zu keiner Tageszeit …«

»Also ist dein Freund noch da?«, fragte ich.

»Ich glaube schon«, sagte er.

»Du glaubst es, oder du weißt es?«, fragte ich. Mir war klar, dass er mich von meinem Plan abbringen wollte.

Víctor zupfte Brokkoliblätter.

»Sag nicht, du weißt es nicht, nur um mich am Gehen zu hindern«, sagte ich. »Dein Freund wird uns doch helfen, meinst du nicht? Wenn ich sage, dass ich dich kenne.«

Víctor machte ein zerknittertes Gesicht.

»Vielleicht will ich dich einfach nicht verlieren«, sagte er. »Du hast doch gerade angefangen, hier auszuhelfen, fährst den Transporter …«

Er ließ den Satz ins Leere laufen.

»Du gibst mir doch seinen Namen und seine Nummer, oder, Víctor?«, sagte ich. »Ich hab das Gefühl, der Plan nimmt Gestalt an.«

»Also, zuallererst«, sagte Víctor, »müssen wir dir wohl Spanisch beibringen. Englisch kannst du ja schon …«

»Das hat mir mein Vater beigebracht. Und die Baptisten.«

»Und Spanisch ist gar nicht so viel anders als Französisch.«

»Also, fangen wir an?«, fragte ich.

»Fangen wir mit den Verben an.«

»Mein Vater hat immer gesagt, ich lerne schnell«, sagte ich. »Ich sauge alles auf wie ein Schwamm, hat er gesagt.«

Und das stimmte auch – wenn ich wollte, konnte ich stundenlang bei der Stange bleiben, und mit etwas Wiederholung schien ich alles zu behalten.

Die Hühner gackerten weiter, Víctor gärtnerte weiter, die blinden Kinder schwangen weiter im Hof ihre Stöcke, und ich hockte mich mit meinem Herzen voller Hoffnung unter einen Eukalyptusbaum und sagte auf: »Hablo, hablas, habla, hablamos, habláis, hablan.«

Die andere Hälfte der Augusta Hope

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