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Parfait

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Meine Mutter hieß Aurore, was Morgenröte bedeutet.

Und mein Mutterland, das immer noch auf seine Morgenröte wartet, heißt Burundi.

Burundis Poesie lebt in den Kolibris, die aus langen Blüten Nektar saugen, im satten Grün der Blätter nach dem Regen, den schillernden Buntbarschen in den Tiefen des Tanganjikasees, wo die Krokodile reglos und trügerisch dahindösen und die Nilpferde in Reih und Glied flussabwärts paddeln.

Und sein Geist lebt in den würdevollen Gesichtern all derer, die vergeben wollen, im festen Glauben, dass Burundi eines Tages wieder schön sein wird.

Gesichter wie das meines Vaters.

Ich war sein erster Sohn, und er betete, dass endlich Frieden herrschen würde, wenn ich erst groß wäre.

»Du bist schon mit einem Lächeln zur Welt gekommen«, sagte er zu mir. »Und du warst so perfekt. Alles, wovon wir geträumt hatten.«

»Also haben wir dich Parfait getauft«, sagte meine Mutter.

»Parfait Nduwimana«, sagte mein Vater (was Ich bin in Gottes Hand bedeutet).

»Ein wunderschönes Baby warst du«, sagte meine Mutter, »mit den kleinen Grübchen auf den Wangen.«

»Was soll an Grübchen schön sein?«, fragte ich.

»Ach, alles!«, antwortete sie, kam auf sehnigen Beinen auf mich zugehüpft und strich mir über die Wange.

Meine Mutter – sie erinnerte mich an einen zarten Vogel.

Bei jeder Gelegenheit beobachtete ich Vögel: den Wiedehopf, den Haubenzwergfischer und das Pfirsichköpfchen, meinen absoluten Liebling – ein kleiner Papagei im Regenbogenkleid, der immer im Flusslauf oberhalb unseres Gehöfts sein Bad nahm.

»Der Vogel da ist so …«, sagte ich.

Und mein Vater ergänzte: »Unnötig, irgendwie.«

Das ist Schönheit wohl immer.

Dass ich ohne sie nicht leben kann, fand ich erst später raus.

Dann sagte mein Vater: »Unnötig extravagant.«

Ich sagte: »Was heißt das?«

»Das hier«, sagte er, drehte sich im Kreis und deutete auf alles in der Umgebung, den Himmel und die Bäume und das klare Wasser über den Kieseln.

Meine Familie wusch sich weiterhin in dem kleinen Flusslauf, wie die Vögel.

Am Anfang waren wir zu neunt.

Die Zwillingsmädchen: Gloria und Douce, die am liebsten in den glitzernden Brautjungfernkleidchen herumtanzten, die die Baptisten in Plastiksäcken mitgebracht hatten.

Die Zwillingsjungen: Wilfred, benannt nach einem englischen Missionar, der mal auf unserer colline lebte (und später dort auch starb), und Claude, benannt nach einem französischen.

Pierre war stark und starrköpfig, und man wusste nie, was in ihm vorging.

Bei Zion, dem Jüngsten, wusste man es genau. Schon von klein auf trug er das Herz auf der Zunge, wie man so sagt.

Auf dem Gesicht meines Vaters lag immer eine Art Leuchten, als hätte er eine Kerze im Innern, die durch seine Augen flackerte. Ich sehe sein freundliches Lächeln vor mir, von einem Ohr zum anderen, und höre sein Lachen, das aus irgendeiner geheimnisvollen inneren Quelle hervorsprudelte. Ich sehe seine Hände, wie sie aus einem Stöckchen eine Pfeife, aus Kokosnuss und Zwirn einen Fußball für uns formen.

Ich spüre die Umarmung meiner Mutter, die Achseln leicht feucht auf meinen Schultern, ihre warme, weiche Brust an meiner Wange, und ein wohliges Kribbeln vom Nacken bis in die Fußsohlen: Geborgenheit.

Ich sehe uns alle zusammen ums Feuer sitzen, die Zwillingsmädchen, singend, Pierre still vor sich hin brütend, die Zwillingsjungen, buchstäblich unzertrennlich, an den Fußgelenken zusammengebunden, und das Baby in den Armen meiner Mutter noch von einem Rest Himmel beseelt.

»Wir nennen ihn Zion«, sagte mein Vater, als meine Mutter das Kind herauspresste, unter dem Lärm von Schüssen aus einem benachbarten Gehöft.

Die Frauen nabelten das Baby ab.

»Zion, ja!«, rief mein Vater. »Und wir träumen weiter von der Stadt, die da kommen wird!«

Die andere Hälfte der Augusta Hope

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