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§ 7 Einzeleingriff im Seeverkehr außerhalb des deutschen Küstenmeeres

(1) Um eine im Einzelfall bestehende Gefahr für die in § 4 Absatz 1 genannten Rechtsgüter abzuwenden, welche seewärts der Grenze des deutschen Küstenmeeres durch die Beförderung von Gütern an Bord eines die Bundesflagge führenden Seeschiffes verursacht wird, können nach § 6 Absatz 1 insbesondere notwendige Maßnahmen zur Lenkung, Beschleunigung und Beschränkung der Beförderung der Güter sowie des Umschlags und der Entladung der Güter angeordnet werden.

(2) Die Maßnahmen nach Absatz 1 können gegen den Eigentümer, den Ausrüster, den Charterer, den Schiffsführer oder den sonstigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt gerichtet werden.

(3) Der Eigentümer, Ausrüster, Charterer, Schiffsführer oder der sonstige Inhaber der tatsächlichen Gewalt ist verpflichtet, auf Verlangen unverzüglich Angaben zu machen über

1. Art und Umfang der Ladung,
2. den seit dem letzten Auslaufen zurückgelegten und den beabsichtigten Reiseweg,
3. die voraussichtliche Reisezeit sowie
4. den Bestimmungshafen.

(4) Der Eigentümer eines in der Seeschifffahrt unter ausländischer Flagge betriebenen Schiffs, das in ein deutsches Schiffsregister eingetragen ist, stellt sicher, dass zur Abwehr einer Gefahr für die in § 4 Absatz 1 genannten Rechtsgüter auf Verlangen die erforderlichen Angaben unverzüglich und im gleichen Umfang übermittelt werden, wie dies nach Absatz 3 für Schiffe unter der Bundesflagge vorgesehen ist.

(5) § 4 Absatz 3 und 4, § 5 Absatz 5 und § 6 Absatz 2 gelten entsprechend.

Kommentierung

I.Allgemeines1, 2

II.Kommentierung3 – 12

1.Anwendungsbereich3 – 5

2.Anordnungsbefugnis, Abs 16

3.Adressat der Maßnahme (Abs 2)7

4.Informationspflichten (Abs 3 und 4)8 – 10

5.Verfahren (Abs 5)11

6.Rechtsfolgen12

Literatur:

Hoffmann/tho Pesch Einzeleingriffe gegen Seeschiffe im Außenwirtschaftsrecht – gesetzgeberischer Anspruch und tatsächliche Durchsetzbarkeit, RdTW 2015, 401; Voland „Wellnesskur“ für das Außenwirtschaftsrecht: Überblick über die AWG-Novelle, GWR 2013, 264; Walter Das neue Außenwirtschaftsgesetz 2013, RIW 2013, 205.

I. Allgemeines

1

Die Ermächtigung zu Einzeleingriffen in den Seeverkehr außerhalb des deutschen Küstenmeeres wurde durch die AWG-Novelle neu eingeführt. Sie präzisiert die Eingriffs- und Beschränkungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit der Beförderung von Gütern an Bord von Seeschiffen unter deutscher Bundesflagge, die sich aufgrund von Erfahrungen aus einer Reihe von Einzeleingriffen nach § 2 Abs 2 aF ergeben haben.[1] § 7 trägt der völkerrechtlichen Beschränkung der Hoheitsgewalt der Bundesrepublik Deutschland Rechnung. Räumlich findet das AWG nach dem Territorialitätsgrundsatz nur auf die inneren Gewässer sowie das Küstenmeer (12-Meilen-Zone nach Art 3 Seerechtsübereinkommen – SRÜ) Anwendung, nicht aber auf die Ausschließliche Wirtschaftszone (200-Meilen-Zone, Art 55 SRÜ).[2] Personell ist die Anwendung des AWG auf Schiffe unter deutscher Flagge sowie auf in Seehäfen ankernde Schiffe unabhängig vom Flaggenstaat beschränkt.[3] Außerhalb des territorialen Anwendungsbereichs des AWG kann die Bundesrepublik Deutschland Hoheitsgewalt über ein auf hoher See oder in fremden Gewässern oder Häfen befindliches Schiff nach Art 86 SRÜ nur dann ausüben, wenn Deutschland Flaggenstaat (Art 92 SRÜ) ist, in Küstengewässern bezüglich unter fremder Flagge fahrender Schiffe nach Art 19 Abs 1 SRÜ nur dann, wenn sie den Frieden, die Ordnung oder die Sicherheit des Küstenstaats beeinträchtigen.[4] Schiffe, deren Eigentümer Deutsche mit Wohnsitz im Inland oder Unternehmen mit Sitz in Deutschland sind, müssen nach § 1 FlaggRG die Bundesflagge führen. Allerdings kann nach § 7 FlaggRG das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie dem Reeder oder Ausrüster eines im Schiffsregister eingetragenen Schiffes die Genehmigung erteilen, eine andere Flagge zu führen (sog Ausflaggung). Damit unterliegen diese Schiffe der Hoheitsgewalt des fremden Flaggenstaates.

2

§ 7 Abs 1 bestimmt, dass die zur Abwehr drohender Gefahren für Rechtsgüter des § 4 Abs 1 erforderliche Maßnahmen angeordnet werden dürfen.[5] Abs 2 führt die möglichen Adressaten auf, an die eine Anordnung der Maßnahme gerichtet werden kann. Abs 3 bezeichnet Informationen, die Verpflichtete den zuständigen deutschen Behörden unverzüglich auf Verlangen zu übermitteln haben. Abs 4 erstreckt Informationspflichten auf die Eigentümer ausgeflaggter Schiffe. Abs 5 bestimmt, dass die Voraussetzungen, die für die Anordnung von Einzeleingriffen nach § 6 gelten, ebenfalls für die Anordnung von Maßgaben nach § 7 Abs 1 zu beachten sind.

II. Kommentierung

1. Anwendungsbereich

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§ 7 findet nach Abs 1 Anwendung nur auf unter deutscher Flagge fahrende Schiffe, soweit sie sich außerhalb der Grenze des deutschen Küstenmeeres befinden. Informationspflichten treffen nach Abs 4 auch Eigentümer von im deutschen Schiffsregister eingetragenen, aber unter fremder Flagge fahrenden Schiffen. § 7 ist lex specialis zu § 6. Zweifelhaft ist allerdings, ob im dem Fall, dass andere als die in § 7 genannten Maßnahmen getroffen werden sollen, tatsächlich ein Rückgriff auf § 6 möglich ist.[6] Vielmehr können unter den in § 7 genannten Voraussetzungen auch andere Maßnahmen als die in Abs 1 genannten getroffen werden, wie sich aus dem Wort „insbesondere“ vor der lediglich beispielhaften Aufzählung ergibt.[7] Innerhalb des deutschen Küstenmeeres und in deutschen Häfen findet ausschließlich § 6 Anwendung, wobei Maßnahmen gegen unter fremder Flagge fahrenden Schiffen auch insoweit nur unter den Voraussetzungen des § 19 SRÜ angeordnet werden können.[8]

4

Zwar besteht bei ausgeflaggten Schiffen die Möglichkeit, die auflösend bedingte Genehmigung zur Führung der ausländischen Flagge zu widerrufen, sodass die Pflicht zur Führung der deutschen Flagge wieder auflebt und die Schiffe wieder in den Anwendungsbereich des § 7 AWG gelangen. Allerdings führt ein Widerruf nicht dazu, dass damit § 7 sofort wieder anwendbar ist.[9] Vielmehr erfordert § 7 Abs 1, dass Schiffe die deutsche Flagge führen; die bloße Berechtigung zum Führen reicht daher nicht. Erst dann, wenn das Schiff nach einem Widerruf der Ausflaggungserlaubnis wieder die deutsche Flagge führt, findet § 7 Abs 1 Anwendung.[10]

5

§ 74 AWV enthält Verbote über die Beförderung von Rüstungsgütern (Teil I Absch A der Ausfuhrliste) durch Schiffe, die berechtigt sind, die Bundesflagge zu führen. § 74 AWV erfasst daher auch ausgeflaggte Schiffe, die im deutschen Schiffsregister eingetragen sind oder die zwar nicht eingetragen sind, aber bei denen die Voraussetzungen für eine Eintragung vorliegen. Allerdings kann das Verbot völkerrechtlich gegenüber unter ausländischer Flagge fahrenden Schiffen nicht durchgesetzt werden,[11] außer der fremde Staat erklärt sich hierzu freiwillig bereit.

2. Anordnungsbefugnis, Abs 1

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§ 7 Abs 1 enthält eine Anordnungsbefugnis für Einzeleingriffe zur Abwehr einer Gefahr für die in § 4 Abs 1 genannten Rechtsgüter gegenüber die Bundesflagge führenden Seeschiffen, die sich außerhalb der Grenze des deutschen Küstenmeeres, das heißt entweder auf hoher See oder in fremden Gewässern oder fremden Häfen befinden. Voraussetzung hierfür ist, dass im Einzelfall eine konkrete Gefahr für eines der in § 4 Abs 1 genannten Rechtsgüter besteht,[12] wobei für die Gefahrenintensität die gleichen Voraussetzungen wie für § 6 gelten.[13] Dies betrifft insbesondere die Nonproliferation von Massenvernichtungswaffen, die Kontrolle von Kriegswaffen und die Einhaltung von Embargo– und Sanktionsmaßnahmen.[14] Dabei muss die Gefahr durch die Beförderung von Gütern verursacht worden sein. § 7 Abs 1 enthält die Ermächtigung, unter diesen Voraussetzungen die zur Beseitigung der Gefahr notwendigen Maßnahmen zu treffen. Als solche gelten insbesondere Anordnungen zur Lenkung, Beschleunigung und Beschränkung der Beförderung sowie des Umschlags und der Entladung der Güter, bspw das Verbot, bestimmte Häfen anzulaufen oder umgekehrt in einen bestimmten Hafen einzulaufen, die Anordnung, bestimmte Container in einen bestimmten Hafen abzuladen oder die Durchsuchung an Bord befindlicher Container zu ermöglichen oder zu dulden.[15] Die Maßnahmen sind aber nach dem Wortlaut der Vorschrift („insbesondere“) nicht hierauf beschränkt.

3. Adressat der Maßnahme (Abs 2)

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§ 7 Abs 2 legt fest, wer Adressat einer Maßnahme nach Abs 1 sein kann. Die Anordnung kann ergehen gegen den Eigentümer, den Ausrüster, den Charterer, den Schiffsführer oder den sonstigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt. Sie können also gegen die Personen gerichtet werden, die Einfluss auf die Weiterfahrt und die Routen des Schiffes nehmen können. Die Behörde kann grundsätzlich jeden Adressaten oder auch mehrere gleichzeitig in Anspruch nehmen. Ein Vorrang der Inanspruchnahme des Eigentümers (Reeder iSv § 476 HGB) besteht nicht.[16]

4. Informationspflichten (Abs 3 und 4)

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§ 7 Abs 3 bestimmt, dass die Adressaten von Maßnahmen nach Abs 2, sofern Schiffe die deutsche Flagge führen, verpflichtet sind, auf Verlangen unverzüglich Angaben zu machen über Art und Umfang der Ladung, den seit dem letzten Auslaufen zurückgelegten und den beabsichtigten Reiseweg, die voraussichtliche Reisezeit sowie den Bestimmungshafen. Damit soll es den zuständigen Behörden ermöglicht werden, zu entscheiden, ob und ggf welche Maßnahmen nach § 7 Abs 1 zu ergreifen sind.

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Die Informationspflichten sind nur auf Verlangen der zuständigen Behörden zu erfüllen. In diesem Fall müssen die Informationen allerdings unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes Zögern iSv § 121 Abs 1 BGB erteilt werden. Dies wird dem Adressaten der jeweiligen Maßnahme idR ohne nennenswerte Schwierigkeiten möglich sein.

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Abs 4 dehnt die Informationsverpflichtung auf den Eigentümer eines im deutschen Schiffsregister eingetragenen, aber ausgeflaggten Schiffes aus. Der Eigentümer hat sicherzustellen, dass er auch im Fall der Ausflaggung die Informationen nach § 7 Abs 3 unverzüglich und im gleichen Umfang erteilen kann wie wenn das Schiff unter deutscher Flagge betrieben worden wäre. Hierzu muss er durch entsprechende Vereinbarungen sicherstellen, dass er seinerseits die notwendigen Informationen erhält.[17] Die Pflicht zur Informationserteilung ist erforderlich, damit die deutschen Behörden ggf auf diplomatischem Weg an den Flaggenstaat herantreten können, damit dieser die notwendigen Maßnahmen zur Abwehr von außen- und sicherheitspolitischen Gefahren treffen kann.[18]

5. Verfahren (Abs 5)

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§ 7 Abs 5 enthält Verweisungen auf § 4 Abs 3 und 4, § 5 Abs 5 und § 6 Abs 2. Damit ist sichergestellt, dass die Voraussetzungen für die Anordnung von Einzeleingriffen nach § 6 ebenso für Maßnahmen nach § 7 gelten. Die Einzeleingriffe erfolgen durch Verwaltungsakt nach § 6 Abs 1. Zuständig hierfür ist nach § 13 Abs 2 Nr 2b das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, das im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung handeln muss. Diese Ministerien müssen einer beabsichtigten Maßnahme daher zustimmen.[19] Die Einzelmaßnahmen sind auf die Dauer von sechs Monaten befristet und erfolgen idR als Allgemeinverfügung.[20] Widerspruch und Anfechtungsklage gegen den Einzeleingriff haben nach § 14 Abs 2 keine aufschiebende Wirkung und sind daher unmittelbar zu beachten.

6. Rechtsfolgen

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Die Nichtbefolgung einer Maßnahme nach § 7 Abs 1 oder 3 ist als Ordnungswidrigkeit nach § 19 Abs 3 Nr 2 ahndbar. Wird ein Beförderungsverbot nach § 74 AWV missachtet, stellt dies im Fall vorsätzlicher oder leichtfertiger Begehung eine Straftat nach § 17 Abs 1, Abs 5 AWG iVm § 80 Nr 1 AWV dar.

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