Читать книгу Big Ideas. Das Politik-Buch - John Farndon - Страница 38
ОглавлениеDIE REGIERUNG VERHINDERT UNRECHT – ES SEI DENN, SIE BEGEHT ES SELBST
IBN KHALDUN (1332–1406)
IM KONTEXT
IDEENLEHRE
Islam
SCHWERPUNKT
Korruption der Macht
FRÜHER
1027–256 v. Chr. Historiker der chinesischen Zhou-Dynastie beschreiben den »dynastischen Zyklus«: Reiche gehen unter und werden ersetzt.
um 950 Al-Farabi greift in Der Musterstaat auf Platon und Aristoteles zurück: Er schildert seine Vorstellung von einem idealen islamischen Staat.
SPÄTER
1776 In Der Wohlstand der Nationen erläutert der britische Ökonom Adam Smith die Prinzipien der Arbeitsteilung.
1974 Der US-Ökonom Arthur Laffer verwendet Ibn Khalduns Vorstellungen von Besteuerung für die Laffer-Kurve: Sie zeigt die Beziehung zwischen Steuersätzen und Steuereinnahmen.
Der Anthropologe Ernest Gellner bezeichnete sie als die beste Definition von Regierung in der Geschichte der politischen Theorie: »Die Regierung verhindert Unrecht – es sei denn, sie begeht es selbst.« Diese Äußerung Ibn Khalduns könnte man für einen zynischen modernen Kommentar oder für den Realismus eines Machiavelli halten. Tatsächlich ist sie Ergebnis einer Analyse der Ursachen für politische Instabilität aus dem 14. Jahrhundert.
Auf Gemeinsamkeit gebaut
Ibn Khaldun untersuchte Aufstieg und Fall politischer Institutionen aus historischer, soziologischer und ökonomischer Sicht. Wie Aristoteles ging er davon aus, dass Menschen soziale Gemeinschaften bilden: Dies schrieb er der Asabiya zu – auf Deutsch etwa »Gemeinschaftsgeist«. Der soziale Zusammenhalt lässt den Staat entstehen, dessen Zweck es ist, die Interessen seiner Bürger zu schützen.
Weiter führte er aus: Welche Form eine Regierung auch haben mag, sie enthält die Saat ihrer eigenen Zerstörung. Je mehr Macht sie gewinnt, desto weniger kümmert sie sich um das Wohlergehen ihrer Bürger und handelt nur noch im eigenen Interesse. Sie beutet die Menschen aus, was zu Ungerechtigkeit und Uneinigkeit führt. Die Institution, die Ungerechtigkeit verhindern soll, begeht jetzt selbst Ungerechtigkeiten. Die Asabiya der Gemeinschaft nimmt ab, damit ist die Zeit reif für eine neue Regierung, die das dekadente Regime ablöst. So entsteht laut Ibn Khaldun ein Zyklus politischer Dynastien.
Korruption führt zum Niedergang
Ibn Khaldun weist auch auf ökonomische Entwicklungen hin, die mit einer mächtigen Elite verbunden sind. Zu Beginn werden die Steuereinnahmen nur verwendet, um für Notwendigkeiten zu sorgen und die Asabiya aufrechtzuerhalten. Doch wenn eine Gesellschaft sich weiterentwickelt, erheben die Herrscher höhere Steuern, um ihren eigenen, zunehmend opulenten Lebensstil zu finanzieren. Das ist nicht nur eine Ungerechtigkeit, die die Einigkeit des Staates bedroht, sondern auch kontraproduktiv. Zu hohe Steuern führen dazu, dass sich die Produktivität einer Gesellschaft verringert und auf lange Sicht weniger Steuern eingenommen werden. Dieser Gedanke wurde im 20. Jahrhundert von Arthur Laffer wiederentdeckt. Auch Ibn Khalduns Theorien über Arbeitsteilung und Arbeitswert wurden später wieder aufgenommen.
»Wenn eine Nation zum Opfer einer psychologischen Niederlage wird, bedeutet das ihr Ende.«
Ibn Khaldun
Zwar glaubte Ibn Khaldun, der ständige Zyklus politischen Wandels sei unvermeidbar, dennoch hielt er manche Regierungsformen für besser als andere. Seiner Meinung nach bleibt die Asabiya am besten unter einem einzelnen Herrscher erhalten, etwa einem Kalifen im islamischen Staat. Am wenigsten kann sie unter einem Tyrannen bestehen. Die Staatsführung hielt er für ein notwendiges Übel. Weil mit ihr die Kontrolle von Menschen durch andere Menschen (und damit zwangsläufig Ungerechtigkeit) einhergeht, sollte ihre Macht auf ein Minimum beschränkt bleiben.
Ibn Khaldun
Ibn Khaldun wurde 1332 in Tunis (Tunesien) geboren und wuchs in einer politisch aktiven Familie auf. Er studierte den Koran und das islamische Gesetz. Als hoher Beamter im Maghreb erlebte er die politische Instabilität vieler Regime.
Nach einem Regierungswechsel wurde er in Fez inhaftiert. Nach seiner Entlassung zog er nach Granada in Südspanien, wo er mit dem kastilischen König Peter, dem Grausamen, Friedensverhandlungen führte. Später arbeitete er an mehreren nordafrikanischen Gerichtshöfen. Als seine Reformversuche scheiterten, flüchtete er sich in den Schutz eines Berberstamms. 1384 ließ er sich in Kairo nieder, wo er seine Geschichte zu Ende schrieb. 1401 unternahm er eine letzte Reise nach Damaskus, um zwischen Ägypten und Timur Khan Frieden auszuhandeln.
Hauptwerke
1377 Einführung in die Geschichte
1377–1406 Weltgeschichte
1377–1406 Autobiographie