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KOMMISSARISCHE FÜHRUNG DER KPJ UND DER SPANISCHE BÜRGERKRIEG

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Die Diktatur König Aleksandars und die politische Krise nach seiner Ermordung hatten den Kommunisten regen Zulauf von Gymnasiasten und Studenten beschert. Sie störten sich nicht an den Nachrichten vom stalinistischen Terror, sofern sie überhaupt etwas von ihm mitbekamen. Sie waren unreife Intellektuelle, Idealisten, utopische Schwärmer, die in Broz ihren Führer gefunden hatten.131 »Der Alte ist der wertvollste Mann unserer Partei!«, hieß es unter ihnen.132 So hatte Broz, wie wir aus Berichten von Zeitgenossen wissen, auch mehr Vertrauen in Wohnungen, die ihm von Angehörigen des Jugendverbandes besorgt wurden, als in solche, die ihm Parteimitglieder organisiert hatten, nicht zuletzt, da es in Letzteren häufig zu Verhaftungen kam.133

Überzeugt, sich der Sektierer entledigen und die Mitglieder nach neuen Kriterien auswählen zu müssen, begann Broz junge Kommunisten um sich zu scharen. Neben Đilas und Ribar war unter den Ersten, die er in seinen Kreis aufnahm, der serbische Arbeiter Aleksandar Ranković (Leka), der gerade seinen Militärdienst abgeleistet hatte.134 Ihnen schloss sich noch der slowenische Junglehrer Edvard Kardelj an, den Broz bereits aus Ljubljana und Moskau kannte. Zwischen ihnen und dem »Alten« entwickelte sich ein kameradschaftliches Verhältnis, das in einem entschiedenen Gegensatz zu dem Umgangston stand, der sonst innerhalb der Komintern üblich war. Tito sagte gern: »Wenn jemandem ein Fehler unterläuft, finde für den Betreffenden ein passendes Wort, aber vernichte ihn nicht. Denn das schafft Vertrauen.«135

In der Gruppe der jungen Zagreber Linken traf Broz auch seine neue Liebe, Herta Haas, eine hübsche Studentin der Höheren Handelsschule, die deutscher Herkunft war und aus Maribor stammte. Über sie knüpfte er Kontakte zu intellektuellen Kreisen in der kroatischen Hauptstadt, in denen auch der angehende Rechtsanwalt Vladimir (Vlatko) Velebit verkehrte, einer seiner wichtigsten Mitarbeiter der Zwischenkriegs- und Diplomaten der Nachkriegszeit.136 Mithilfe dieser aufstrebenden Kommunisten oder Sympathisanten der Partei organisierte Broz Streiks in der Werft von Kraljevica und in Trbovlje, die in Unternehmerkreisen ganz Jugoslawiens große Unruhe auslösten. Unter diesen wurde er zu einem gefürchteten Agenten der Komintern: Er heiße Brosz, sei Sohn eines tschechischen Juden und einer Ungarin, habe während des Krieges in der österreichischen Armee gedient und sei in russische Gefangenschaft geraten. So jedenfalls erzählte es A. S. Howie, ein Schotte, der zu dieser Zeit das Bergwerk in Trepča leitete, der britischen Schriftstellerin und Reisenden Rebecca West.137

Broz stieß mit seinen Bemühungen, eine neue Kaderstruktur zu organisieren, die sogar Kontakte zum Königshof hatte, auf erbitterten Widerstand der alten Garde politischer Gefangener138, die in der Strafanstalt Sremska Mitrovica, wo an die 150 von ihnen einsaßen, ein starkes Agitationszentrum bildeten. Sie sahen die KPJ als ihr unstrittiges Eigentum an und standen für eine strenge kommunistische Auslegung, weshalb man sie auch »Wahhabiten« nannte. Seit 1934 wurden sie von dem Montenegriner Petko Miletić-Sepo angeführt, einem Mitglied des ZK der KPJ mit stürmischer Vergangenheit: 1919 war er in Ungarn an einem Umsturzversuch beteiligt gewesen und hatte nach dessen Scheitern versucht, im gerade gegründeten Jugoslawien einen Aufstand zu organisieren. Zwei Jahre hatte er sich in den Wäldern Montenegros versteckt, war längere Zeit eingesperrt gewesen und war dann nach Moskau emigriert, wo er mehrere Parteischulen besuchte. Dort wurde er zum Dogmatiker, überzeugt von der Notwendigkeit der Intrige im politischen Kampf, wobei er im Kern ein bäuerlicher Rebell ohne wirkliche ideologische Bildung blieb. Anfang der dreißiger Jahre wurde er Mitglied des ZK der KPJ, aber schon 1932 fiel er erneut den jugoslawischen Gendarmen in die Hände. Er wurde gefoltert und anschließend zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt. In Sremska Mitrovica wurde er als Held verehrt, da er trotz erlittener Folter nichts gestanden und keine Aussage unterschrieben hatte. Er stand im Ruf, ein unbeugsamer Parteigenosse zu sein, der unter keinen Umständen mit dem »Klassenfeind« paktiert, und hatte einen starken Einfluss auf junge Parteimitglieder innerhalb und außerhalb des Gefängnisses.139 Er wurde in Volksliedern besungen, und eine Panzerabwehrbatterie der Internationalen Brigaden in Spanien trug seinen Namen.140 »Sie wollten die Aktion«, schreibt Đilas. »Sie suchten einen starken Führer, und es hatte den Anschein, als könnte Petko Miletić das werden.«141 Als Broz’ Stern aufzugehen begann, erkannte Petko in ihm sofort den gefährlichen Konkurrenten im Kampf um die Macht und versuchte zusehends auch die Parteipolitik außerhalb der Kerkermauern zu bestimmen.142 Dabei halfen ihm seine guten Kontakte ins Ausland, insbesondere nach Moskau. So erschien im Herbst 1937 in der Rundschau, dem deutschen Organ der Komintern, ein Artikel, in dem es hieß, dass Miletić aus dem Zuchthaus heraus einen harten ›bolschewistischen‹ Kampf gegen die Trotzkisten führe und »eine neue Epoche in unserer Partei bei der Heranbildung von Kadern« eingeleitet habe.143

Ungeachtet dessen setzte Broz sein Programm fort: Zu einer seinen ersten Initiativen gehörte die Gründung der Kommunistischen Partei Sloweniens. Es handelte sich um einen Schritt, den die Komintern noch vor dem VII. Kongress gebilligt hatte und der der Einsicht entsprungen war, dass die kommunistische Bewegung in Jugoslawien keine Wurzeln in den breiten Massen schlagen könne, wenn sie sich nicht die brennende nationale Frage zu eigen machte. Obwohl Gorkić in dieser Hinsicht große Bedenken hatte, konnte Edvard Kardelj die Aufgabe gemäß den von Broz gegebenen Anweisungen erfolgreich durchführen: Kardelj organisierte am 18. April 1937 in Čebine unweit Trbovlje im Haus des örtlichen Mesners den Ersten Kongress der Kommunistischen Partei Sloweniens, die zu diesem Zeitpunkt kaum 200–300 Mitglieder zählte.144 Auf dem Kongress erklärte Kardelj, dass der slowenischen Bourgeoisie nicht die Interessen des Volkes am Herzen lägen, sondern nur die Interessen der eigenen Klasse. Das Höchste, was sie anzubieten habe, sei die kulturelle Autonomie innerhalb Jugoslawiens. Aber die nationale Frage sei nicht nur eine Frage der Kultur oder der Sprache. Deshalb könne sie erst dann gelöst werden, wenn die Slowenen ihren eigenen Staat verwirklicht hätten samt dem Recht auf Selbstbestimmung hinsichtlich ihrer Mitwirkung an einer größeren staatlichen Gemeinschaft, wie es Jugoslawien sei.145 Dieser Idee blieb er sein ganzes Leben hindurch treu.

In der Nacht vom 1. auf den 2. August desselben Jahres erfolgte auch die Gründung der KP Kroatiens, deren Fundamente Broz persönlich bei einem Treffen mit sechzehn Delegierten in dem Wäldchen Amindol bei Samobor legte. Geplant war auch die Gründung der KP Mazedoniens, zu der es aber erst 1943 kommen sollte. Da die Serben in Jugoslawien alle Fäden in der Hand hielten, zog niemand die Gründung einer KP Serbiens ernsthaft in Betracht. (Broz hatte darüber allerdings mit seinem Freund Josip Kopinič gesprochen, dem er erklär te, dass die Kroaten und Slowenen unterdrückt seien und unter der Knute Belgrads litten. Kopinič entgegnete, dass auch das serbische Volk unterdrückt und diskriminiert sei und dass es sich deshalb eines Tages rächen werde.146) Später sah Tito die Gründung der KP Sloweniens und Kroatiens als einen Fehler an, der das sozialistische Jugoslawien schon im Ansatz untergraben und die Teilung Jugoslawiens in einen orthodoxen und einen katholischen Teil begünstigt habe.147 Zunächst jedoch bekam die KPJ durch die Gründung der beiden Parteien neuen Auftrieb.

Ende März 1937 reiste Broz nach Paris, wo das politische Klima freundlicher war als in Wien, denn hier war eine Volksfront an der Macht, eine Koalition aus Sozialisten, Radikalen und Kommunisten. Daher hatten sich zahlreiche Mitglieder des ZK der KPJ mit Gorkić an der Spitze und auch andere prominente jugoslawische Kommunisten in die französische Hauptstadt geflüchtet. Darunter der Bosnier Rodoljub Čolaković, der Broz aus der gemeinsamen Gefängniszeit in Maribor kannte, und Sreten Žujović (Crni), der gegen Ende des Ersten Weltkriegs in der Fremdenlegion am Rhein gegen die Deutschen gekämpft und sich in der Zeit zwischen den Weltkriegen zu einem der gebildetsten und schlagkräftigsten serbischen Kommunisten entwickelt hatte. Außerdem, so Đilas, war er »so schön«, dass die Frauen verrückt nach ihm waren. Beide waren Mitglieder des neuen Zentralkomitees, das wenige Monate zuvor von der Komintern eingesetzt worden war. Als Hitler im Frühjahr des darauffolgenden Jahres Österreich annektierte, übersiedelten auch Boris Kidrič, seine Frau Zdenka und Lovro Kuhar von Wien nach Paris. Letzterer führte in der französischen Hauptstadt die Buchhandlung Horizont und fungierte als Mittelsmann für Kontakte und Post. Es war eine intellektuell bewegte Szene, in der Broz noch die geringste Schulbildung aufzuweisen hatte, wenngleich er aufgrund seiner enormen Erfahrung und seiner großen Liebe zu den Büchern keinesfalls der Ungebildetste war.148 Sie lebten in bescheidenen Wohnungen oder Hotelzimmern, trafen sich in Cafés und ähnelten mehr einer Künstlerboheme als Berufs revolutionären. Wie sich Tito später erinnerte, wohnte er zwischen 1937 und 1938 in Paris an verschiedenen Orten, zu Anfang in einem Hotel im Quartier Latin. Da er im selben Arrondissement nicht länger als zwei Monate bleiben konnte, weil er sich bei der Polizei hätte melden müssen, zog er ständig um, wenngleich er zumeist in Zentrumsnähe blieb.149

Broz brachte »interessante und optimistisch stimmende« Informationen aus der Heimat mit, wie es in einem Bericht Gorkićs an die Komintern heißt, und als erprobter Kader erhielt er den Auftrag, den technischen Apparat wie Fälscherwerkstätten und Druckereien, den die Partei noch in Mitteleuropa unterhielt, zu »liquidieren«, und reiste nach Wien und Prag.

Ende April kehrte er in die Heimat zurück, war Mitte Mai erneut in Paris und reiste Anfang Juni 1937 wieder nach Zagreb. »Das war gefährlich; ich passierte die jugoslawische Grenze an allen denkbaren Übergängen, nur damit sich die Polizisten nicht an mich erinnerten.«150

In der Zwischenzeit war etwas Unerwartetes geschehen: Am 4. Juli 1937 war Gorkić nach Aufforderung durch die Komintern voll böser Ahnungen plötzlich nach Moskau abgereist, von wo man nichts mehr von ihm hörte. »Vom Nebel verschluckt«, wie er sonst selbst über Genossen sagte, die vor ihm in den Kerkern des NKWD verschwunden waren.151

Offenbar war seine »Liquidationspolitik«, mit der er versucht hatte, mit den Oppositionskräften in Jugoslawien auch bei Preisgabe der illegalen Strukturen der Partei zu einer Übereinkunft zu kommen, in Moskau nicht auf ungeteilte Zustimmung gestoßen. Hinzu kam das Desaster der Freiwilligenexpedition nach Spanien. Aber das wäre ihm wohl noch verziehen worden, wäre er nicht ins Räderwerk zwischen den hohen Funktionären der Geheimdienste geraten.

Gorkić wurde unter der falschen Anschuldigung, ein britischer Spion und Volksfeind zu sein, bereits am 19. August verhaftet und am 1. November 1937 erschossen.152 Davon wusste man in Paris nichts, obwohl man schon ahnte, dass »Gorkić der Boden unter den Füßen schwankt«.153

Da die KPJ mehr oder weniger enthauptet war – neben Gorkić war auch Gržetić, ihr Vertreter bei der Komintern, verschwunden –, riefen die beiden Mitglieder des Politbüros Rodoljub Čolaković und Sreten Žujović Mitte August Broz dringend aus der Heimat nach Paris und erläuterten ihm die Lage. In Übereinkunft mit anderen in der Hauptstadt lebenden Genossen schlugen sie ihm vor, die Führung der Partei zu übernehmen. Unter allen Mitgliedern des ZK sei er dafür noch der Geeignetste, nicht nur, weil er Gorkić gegenüber kritisch eingestellt sei, sondern vor allem wegen seiner mustergültigen Vergangenheit und seiner Herkunft aus der Arbeiterklasse.154 Broz zögerte, ließ sich am Ende aber doch überreden.155 Als inoffizieller Führer der Partei fragte er in den letzten Augusttagen bei der Komintern nach, warum es von Gorkić und Gržetić keine Nachricht gebe und warum aus Moskau keine Anweisung erfolge, wie es weitergehen solle. Als keine Antwort kam, sandte er einen Monat später ein Telegramm mit denselben Fragen an Pieck. Wieder kam keine Antwort. Noch schlimmer: Die jugoslawischen Kommunisten in Paris sahen sich in finanziellen Schwierigkeiten, der Zustrom an Geld aus Moskau war versiegt (ein erster Schritt zur Auflösung der Partei). Davon, wie ungewiss ihre Lage war, zeugt auch die Tatsache, dass Broz bzw. »Walter« von den sowjetischen Behörden kein Visum für eine Reise in die Sowjetunion bekam, obwohl sich M. A. Trilisser, der GPU/NKWD-General in der Kaderabteilung der Komintern, für ihn eingesetzt hatte.156

Nach Monaten der Ungewissheit traf Mitte Dezember 1937 ein Brief von Pieck ein, in dem dieser über Gorkićs Sturz informierte und »Otto« (Broz) den Auftrag gab, die Leitung der jugoslawischen »Filiale« zu übernehmen. Kurz darauf erfuhr Broz, dass Gorkić und seine Frau unter der Anschuldigung Spione zu sein verhaftet worden waren. Die Nachricht überraschte ihn nicht, denn er hatte Gorkić schon lange in Verdacht – so hatten ihm Freunde aus dem NKWD anvertraut –, im Dienste der Briten zu stehen, nicht zuletzt, da er einige Tage in einem englischen Gefängnis eingesessen hatte.157 Gorkić hatte seiner Überzeugung nach systematisch gegen die KPJ gearbeitet, vor allem gegen den Aufstieg jener Mitglieder, die – wie Broz selbst – aus den Reihen der Arbeiterschaft stammten. Später beschuldigte er ihn sogar, zusammen mit mehreren prominenten serbischen Nationalisten die Absicht gehabt zu haben, die Partei zu »liquidieren«.158 Auch dieses Gerücht kursierte innerhalb der Komintern. »Im Land kennt ihn niemand«, hatte er abschätzig über ihn an Dimitrow geschrieben, »außer einigen Intellektuellen, die keinerlei Bedeutung haben.«159Und zu Louis Adamič sagte er später, Gorkić habe »ohne jeden Zweifel« im Dienste der Königsdiktatur in Belgrad, der Piłsudski-Regierung in Warschau, anglo-französischer Interessen und der Jesuiten gestanden. Mit denen und dem Piłsudski-Regime sei er über das ZK der polnischen kommunistischen Partei verbunden gewesen, das eine Zeitlang aus lauter antikommunistischen Agenten bestanden habe. Und er habe selbstverständlich auch für die GPU gearbeitet. Erst gegen Ende seines Lebens gab Tito zu, dass »Gorkić nicht der Spitzel war, als den man ihn bezichtigt hat«.160

Neben der kommissarischen Führung der jugoslawischen Partei bekam Broz noch eine zweite heikle Aufgabe übertragen, über die wir wenig wissen. Aus Aufzeichnungen von Josip Kopinič, die sich in Dedijers Archiv finden, lässt sich jedenfalls schließen, dass er von Gorkić die Rolle eines Vermittlers zwischen der Sowjetunion und Spanien geerbt hatte, den Kampf der Abteilung IV des NKWD gegen die dortigen »Trotzkisten« eingeschlossen. Laut einem Dokument aus dem Archiv des führenden französischen Kommunisten Maurice Thorez war Broz in Paris Leiter eines Stabes, zu dem der Italiener Vittorio Vidali, der Kroate Ivan Krajačić-Stevo, der Slawonier Ivan Srebrnjak-Antonov und der bosnische Serbe Vlajko Begović gehörten. Letzterer war stellvertretender Leiter des NKWD bei den Internationalen Brigaden und Chef des dazugehörigen operativen Zentrums in Albacete. Alle waren sie Liquidatoren.161 Es handelt sich um das geheimnisvollste Kapitel in Broz’ Leben, über das kaum Quellen existierten. Nach eigener Aussage ging er 1936 oder 1937 nach Madrid, einer Niederschrift der österreichisch-schwedischen Kommunistin Gusti Stridsberg zufolge hat er sich 1938 auch in Barcelona aufgehalten.162 Es soll sich dabei – so behauptet Dobrica Ćosić – um kurze Inspektionsreisen gehandelt haben, die mit der Organisation rund um die jugoslawischen Bürgerkriegsteilnehmer im Zusammenhang standen, aber auch um die Ausübung »anderer Funktionen, über die wir noch nichts wissen«. Angeblich wollte er sich den Internationalen Brigaden anschließen, um am Kampf gegen die Faschisten teilzunehmen, das aber hätten die Genossen verhindert, weil er für die Partei in der Heimat und in Paris wichtiger sei.163

War Broz an der Liquidierung von »Trotzkisten« beteiligt, die von den sowjetischen Agenten in Spanien durchgeführt wurden? Es ist bis heute ungewiss, ob er tatsächlich einer der »los Russos« war, wie die Spanier jene nannten, die in ihr Land gekommen waren, um auf Seiten der Republik zu kämpfen, und ob er persönlich an der Jagd auf »Trotzkisten« beteiligt war, auch wenn ihn eine gewisse Edith Wedderburn im Mai 1944 in einem Brief an den britischen Außenminister Anthony Eden dessen beschuldigte. Darin behauptete sie, dass Broz in Barcelona Prozesse gegen Trotzkisten und andere Aufständische organisiert habe, »die sich der Diktatur der GPU in Spanien der Jahre 1936 und 1937 nicht unterordnen wollten«.164 Einem anderen Brief zufolge, den E. M. Rose, ein Diplomat des Foreign Office, einige Tage später an Elizabeth Barker, eine Mitarbeiterin der Abteilung für politische Nachrichten, richtete, kursierten im Frühjahr 1944 in London Gerüchte über Verbrechen, die Tito während des Bürgerkriegs in Spanien verübt habe.165 Später schrieb Fred Copeman, ein englischer Kommunist, der im spanischen Bürgerkrieg das Kommando über eine britische Brigade innehatte, in seinen Erinnerungen, dass Broz unter dem Pseudonym Čapajev eine Zeit lang die Brigade Georgi Dimitrow befehligt habe, in der Freiwillige aus Mitteleuropa und vom Balkan kämpften. Dem widersprechen allerdings Aussagen Santiago Carillos, des langjährigen Sekretärs der Kommunistischen Partei Spaniens.166 Von einer Begegnung mit Tito auf der Pyrenäen-Halbinsel berichtete auch der Schriftsteller André Malraux gegenüber dem amerikanischen Journalisten C. L. Sulzberger. Im Juli 1966 schrieb die französische Zeitschrift L’Aurore, dass Tito »über diesen Abschnitt seines Lebens« nicht sprechen wolle, »da sein Aufenthalt in Barcelona und in Alba cete Ende 1936 zeitlich mit den von Tschekisten ausgeführten Morden zusammenfiel, als führende jugoslawische Kommunisten liquidiert wurden«.167

Solange die Archive der sowjetischen Geheimdienste nicht zugänglich sind, lässt sich die Frage, inwieweit Broz in die Tragödie des spanischen Bürgerkriegs verwickelt war, kaum beantworten. Umso weniger, als er sich selbst in einem Bericht an die EKKI über die Arbeit der Partei von den »Liquidatoren« distanziert hat, die überdies noch einen sektiererischen Kampf geführt und so die Partei herabgewürdigt hätten. An welche »Liquidatoren« hat er hierbei gedacht? Auch an jene, die nach den Weisungen des NKWD handelten? Einer von ihnen, Ivan Krajačić (Stevo), blieb bis an sein Lebensende sein intimer Freund, wobei sie vermutlich nicht nur gegenseitige Zuneigung verband, sondern auch eine gemeinsame Vergangenheit.168 Angeblich ist es gerade Broz gewesen, der Krajačić in Moskau in die Geheimdiensttätigkeit hineingezogen hat. Als es 1948 zum Bruch zwischen Stalin und Tito kam, soll er laut Vlado Dapčević bei einem Abendessen mit Ranković, Vukmanović (Tempo) und Krajačić im Zorn gesagt haben: »Seht doch, wie sie uns angreifen, und dabei haben wir ihnen unsere besten Kader gegeben. Sogar ich habe für das Ministerium für Staatssicherheit NKWD gearbeitet.« Als ihn Krajačić mit dem Fuß anstieß, um ihm zu signalisieren, er solle schweigen, antwortete Broz, dass er nichts zu verbergen habe, denn die gerade erwähnten Kader säßen ja mit am Tisch.169

Über seinen Aufenthalt in Spanien sprach Tito 1949 flüchtig mit Louis Adamič und auch mit Vladimir Dedijer, der seine Biografie schrieb, die 1952 in der Zeitschrift Life erschien. In der erweiterten jugoslawischen Ausgabe des Textes hat man diese Passage auf Verlangen Titos gestrichen.170 Offensichtlich war für ihn die Erinnerung an die spanischen Geschehnisse peinlich, besonders wenn man die von Dedijer protokollierte Aussage von Leo Mates, einem kroatischen Revolutionär jüdischer Abstammung und Nachkriegsdiplomaten in Betracht zieht, der zufolge Broz in Spanien für die Sowjets die »Schmutzarbeit« erledigt und dort Leute »gesäubert« hat. Das habe Letzterer 1939 oder 1940 auch selbst bei einem Mittagessen in Mates’ Zagreber Wohnung erwähnt, als er zu Anka Butorac, einer kommunistischen Agitatorin, die mit am Tisch saß, unver mittelt sagte: »Ich habe deinen ›Genossen‹ in Spanien in den Tod geschickt.« Damit war Blagoje Parović gemeint, ein charismatischer serbischer Kommunist und möglicher Konkurrent von Broz um die Führung der KPJ. Dieser wurde am 6. Juni 1937 nahe Madrid unnötigerweise zum Angriff und in den sicheren Tod geschickt – wenn er nicht hinterrücks von Vlajko Begović, einem Mitarbeiter des NKWD, erschossen wurde, wie viele vermuteten.171


Tito

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