Читать книгу Tito - Joze Pirjevec - Страница 20
JUGOSLAWIEN UNTER DRUCK UND PUTSCH IN BELGRAD
ОглавлениеSilvester 1940 verbrachte Broz zusammen mit Herta Haas und anderen Freunden bei den Kopiničs, die im Auftrag der Komintern gemeinsam mit ihm aus Moskau nach Zagreb zurückgekehrt waren. »Wahrscheinlich feiern wir jetzt das letzte neue Jahr im alten Jugoslawien«, sagte er. »Hitler wird uns nicht in Frieden lassen, wir haben schwierige Zeiten vor uns. Wir Kommunisten sind jedenfalls vorbereitet …«54
Im Februar und März 1941 erarbeitete Broz unter dem Titel »Taktik und Strategie des bewaffneten Aufstandes« ein Papier für eine Vorlesung an der Parteischule des ZK, das Leitlinien für eine Revolution formulierte. Er beschreibt diese proletarische Revolution als Kunst und als »höchste Form des Klassenkampfs « (Lenin). Ausgangspunkt für die bewaffnete Auseinandersetzung mit der ausbeuterischen Klasse müsse die »Erregung« der Massen sein. Und welcher Moment sollte dafür geeigneter sein als jener, in dem die Achsenmächte Jugoslawien angriffen. In diesem Fall wäre es nicht utopisch, jenen Funken zu entzünden, der den Volksaufstand auslöst: »Der höchste Punkt der Erregung der Massen zeigt sich, wenn sie bereit sind, für den Sieg der Revolution zu kämpfen und zu sterben; den Tod verachtend sind sie dabei von Empörung und ungezügelter Feindschaft durchdrungen, die übergeht in ›Wildheit‹ bis hin zur Grausamkeit.« Er betonte weiterhin die Notwendigkeit, dass die Partei, als Avantgarde des Proletariats, von Anfang an die Initiative in ihren Händen haben, den Aufstand bis ins Detail vorbereiten, Kampfeinheiten, die »Schlagfaust« des Proletariats, organisieren, diese mit den Bauern und den Volksbefreiungsbewegungen verbinden und dabei das alte Verwaltungs- und Militärsystem vernichten bzw. seiner Herr werden müsse. »Die Partei darf nicht zulassen, dass der Aufstand spontan beginnt, vorbei an ihrer Organisation und ihrer Führung.« Bei dieser Erörterung stützte er sich auf einen Artikel, den Palmiro Togliatti unter dem Pseudonym Ercoli unter dem Titel »Über die Besonderheiten der spanischen Revolution« verfasst hatte. Auf Grundlage seiner persönlichen Erfahrung bezeichnete Ercoli den Krieg auf der Pyrenäenhalbinsel als demokratische Phase, die nicht rechtzeitig beendet worden sei. Man hätte sie so bald wie möglich abschließen und dann zur nächsten Phase übergehen müssen, zur proletarischen Phase.55
Später erklärte Broz, dass er in dieser Schrift, in der die Ankündigung eines Partisanenkrieges gesehen wurde, einige Ideen Clausewitz’ verarbeitet habe. Zudem seien aber auch seine Erfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg und der Oktoberrevolution, Studien über den Partisanenkrieg in China und die spanische Guerilla gegen Napoleon in den Text eingeflossen. Am meisten aber hätten ihm die Lehren des Spanischen Bürgerkrieg vor Augen gestanden.56
Anfang des Jahres 1940 befand sich Jugoslawien in einer überaus schwierigen Lage. Durch die Abkommen Deutschlands mit Ungarn und Rumänien und dadurch, dass Italien Albanien seinem »Imperium« einverleibt hatte, war Jugoslawien in einen Zangengriff der Achsenmächte geraten. Weil er das römische Kaiserreich erneuern und die Adria in ein mare nostrum verwandeln wollte, beabsichtigte Mussolini zudem, sein Abenteuer mit dem Anschluss Jugoslawiens fortzusetzen, was Hitler aber verhinderte. Deutschland beherrschte den Balkanraum bereits wirtschaftlich, deshalb erschien es dem Führer nicht angebracht, die Beschaffung von Erdöl und anderen Rohstoffen wegen der Ambitionen des Duce zu erschweren. Mussolini aber war nicht zu bremsen: Ohne Hitler zu informieren, hatte er am 28. Oktober 1940 mit neun Divisionen aus Albanien kommend Nordgriechenland angegriffen. Aber entgegen allen Erwartungen hatte sich die griechische Armee als sehr effektiv erwiesen. Schon Mitte November war das heimische Gebiet befreit und die Armee begann dann nach Albanien vorzudringen. Nach einer Winterruhe gingen die Italiener im März 1941 erneut in die Offensive, aber auch diesmal ohne Erfolg.57 In dieser Situation versuchte sich Fürst Pavle – der entsprechend seiner Erziehung, seiner familiären Bindungen und seiner politischen Überzeugung anglophil war – lange Zeit den aus Berlin und Rom einlangenden Einladungen zu widersetzen, sich gemeinsam mit Ungarn und Rumänien mit den Achsenmächten zu verbünden. Auf der Suche nach Unterstützern hatte er im Juni 1940 sogar diplomatische Beziehungen mit der Sowjetunion geknüpft, das die Karađorđevićs bis dahin als ein Land des Antichristen angesehen hatten. Moskau verlangte zwar im November 1940 und erneut Mitte Januar 1941 von Berlin, die Kriegszone nicht auf den Balkan auszuweiten, und informierte darüber auch die jugoslawische Regierung, viel mehr aber konnte sie nicht tun.58
Als im Frühjahr 1941 offensichtlich wurde, dass Großbritannien – der einzige Staat, der noch gegen die Deutschen kämpfte – Fürst Pavle nicht würde helfen können, beschloss er, dem Dreierpakt beizutreten, um Jugoslawien vor einer militärischen Besetzung zu bewahren. Das Bündnis, das ihm Hitler anbot, war relativ günstig, denn er verlangte von Jugoslawien weder eine unmittelbare Beteiligung am Krieg noch eine Stationierung deutscher Truppen zur Realisierung ihrer strategischen Pläne. Doch die Hoffnung des Regenten, seine Völkern durch dieses Bündnis vor den Schrecken des Krieges zu bewahren, währte nicht lange: Dem Vorbild Bulgariens folgend, das am 1. März 1941 dem Dreierpakt beigetreten war, unterzeichneten am 25. März Ministerpräsident Cvetković und Außenminister Cincar Marković im Wiener Schloss Belvedere den Pakt ebenfalls.
Über das Spiel hinter den Kulissen, das die Einleitung zu diesem schicksalhaften Akt darstellte, war das Politbüro der KPJ in den Hauptzügen unterrichtet. Im staatlichen Pressebüro gab es nämlich einen Journalisten, der allen vertraulichen Konferenzen von Minister Cincar Marković beiwohnte, auf denen dieser Verlautbarungen für die Presse herausgab. Die Kapitulation kam daher nicht überraschend. So auch nicht der massenhafte Aufstand, der in Belgrad nach der Unterzeichnung des Pakts ausbrach und der von der Orthodoxen Kirche, von nationalistisch orientierten großserbischen Kreisen und den Kommunisten noch geschürt wurde.59 Die riesigen Protestdemonstrationen, die die »Ehre Jugoslawiens« retten sollten, wurden in der Nacht vom 26. auf den 27. März von einem Militärputsch gekrönt. In Szene gesetzt wurde er von einer Gruppe Fliegeroffizieren, die sich um General Dušan Simović geschart hatten, der mithilfe britischer Agenten schon seit Langem gegen Fürst Pavle und dessen Verständigungspolitik gegenüber den Kroaten intrigierte. Die Ereignisse liefen danach ab wie im Film: Der kaum siebzehnjährige Peter II. wurde als Marionettenkönig eingesetzt, um der Militärjunta Legitimität zu verleihen, Fürst Pavle musste mit seiner Familie ins Exil gehen.60 Am Tag nach dem Staatsstreich am 27. März 1941 flog Tito von Zagreb nach Belgrad, um die Entwicklung der Ereignisse direkt vor Ort zu verfolgen. Auf dem Flug erlitt die Maschine vom Typ Lockheed einen Motorschaden, sodass sich fast ein Unglück ereignet hätte.61 (Das war vermutlich der Grund, weshalb er in späteren Jahren nicht gern mit dem Flugzeug reiste.)
Gegenüber den Belgrader Genossen meinte er, dass der Pakt zwischen Jugoslawien und den Achsenmächten fehlgeschlagen sei. »Der Krieg ist unausweichlich, der Angriff gegen den Staat steht bevor …«62 Ein gleichlautendes Telegramm sendete er auch nach Moskau. Darin schlug er vor, die Kommunisten mögen einen allgemeinen Aufstand gegen die deutsch-italienische Aggression und die Versuche der Briten organisieren, Jugoslawien auf ihrer Seite in den Krieg zu ziehen. Durch den Druck des Volkes müsse die Regierung dazu gebracht werden, den Wiener Pakt zu widerrufen und ein gegenseitiges Hilfsabkommen mit der UdSSR zu beschließen.63 Diese kämpferische Haltung beunruhigte Moskau, da es alles vermeiden wollte, was Hitler in irgendeiner Weise provozieren könnte. Über Kopinič erreichte die Führung der KPJ am 30. März 1941 die Anweisung, auf Massenproteste und bewaffnete Auseinandersetzungen zu verzichten. »Exponiert euch nicht, sitzt nicht den Provokationen des Feindes auf. Setzt nicht die Avantgarde des Volkes der Gefahr aus und schickt sie zu früh ins Feuer. Der Zeitpunkt für den entscheidenden Kampf gegen den Klassenfeind ist noch nicht gekommen.«64