Читать книгу Tito - Joze Pirjevec - Страница 19

DIE V. STAATSKONFERENZ DER KPJ

Оглавление

Eben aus Moskau heimgekehrt, berief Broz eine Sitzung des ZK der KPJ ein, auf der man beschloss, so bald wie möglich einen Parteikongress abzuhalten, der die neue Führung bestätigen sollte. Um diesen angemessen vorzubereiten – der letzte Kongress hatte vor elf Jahren in Dresden stattgefunden –, wurden zwischen Mai und September 1940 eine Reihe von Landesparteikonferenzen abgehalten. An diesen wirkten 1 500 Delegierte mit, die hinsichtlich der Feststellung übereinstimmten, dass die Partei in den letzten Monaten organisatorisch und ideologisch bedeutend erstarkt sei. Sie hatte sich das Vertrauen breiter Volksmassen erworben und war in ganz Jugoslawien zu einem bedeutenden politischen Faktor geworden. Sie hatte 6 500 Mitglieder, denen noch annähernd 17 800 Mitglieder des SKOJ hinzuzurechnen waren. »Diese Zahl«, erzählte Tito später, »wuchs von Monat zu Monat.«39

Obwohl der Kurier, der die Botschaft der EKKI bezüglich der »progressiven Regierung« überbrachte, ihn zu überzeugen versuchte, den von ihm geplanten Parteikongress abzusagen, weil es in einem Polizeistaat nicht möglich sei, eine Versammlung mit mehr als 100 Teilnehmern zu organisieren, blieb Broz bei seinen Plänen. Sein einziges Zugeständnis war, dass er die Zusammenkunft nicht mehr »Kongress«, sondern »Konferenz« nannte. Für den 19. bis 23. Oktober 1940 wurde so die V. Staatskonferenz der KPJ einberufen. Sie sollte in Dubrava stattfinden, da sie dort, in der Zagreber Peripherie, am wenigsten Aufmerksamkeit der Behörden erregen würde. Die Finanzierung der Konferenz war gesichert, denn die Partei verfügte über eine größere Menge Gold, das den unabhängigen Gewerkschaften gehört hatte und in Titos Hände gelangt war.40 Dafür aber galt es ein genügend geräumiges, konspiratives Haus zu finden, das gut zu erreichen war. Selbst die Delegierten – die größtenteils in der Nacht eintreffen sollten – sollten nicht so genau wissen, wo sie sind. Denn ein einziger eingeschleuster Spitzel hätte genügt, um die gesamte Spitze der KPJ zu vernichten.41 Und tatsächlich wurde eine Frau aus Zagreb verdächtigt, mit der Polizei in Kontakt zu stehen. Als Broz davon erfuhr, zögerte er nicht: »Ich gab Končar (dem Führer der kroatischen KP) den Befehl, sie zu töten. So mussten wir handeln.«42

Dabei drohte nicht nur Gefahr von Seiten der Polizei: Wie sich herausstellte, hatten die Anhänger Petko Miletićs einen Angriff auf den Konferenzsitz geplant. Sie konnten ihr Unternehmen nur deshalb nicht durchführen, weil jemand aus ihrer Gruppe rechtzeitig das ZK der KPJ informiert hatte.43

Die Konferenz bestätigte die von der Komintern diktierte Interpretation des Krieges, dass es sich um einen Konflikt zwischen zwei imperialistischen Blöcken handele, und verpflichtete sich zum Kampf »für die werktätigen Massen mithilfe einer von unten organisierten Volksfront …«44 Entsprechend dieser Marschroute verurteilte Broz, den das neu gewählte Politbüro als Generalsekretär bestätigt hatte, in seinem Einleitungsreferat die »Pseudodemokratie der englischen und französischen Imperialisten«, verschwieg aber auch nicht, dass »die faschistischen Mächte die Unabhängigkeit eines Staates nach dem anderen vernichten und dass sich die Gefahr immer unmittelbarer auch über Jugoslawien zusammenbraut«. Daher möge die Konferenz mit der Feststellung schließen, dass man sich auf eine deutsche und italienische Aggression vorbereiten müsse. »Genossen, vor uns liegen entscheidende Tage. Voran jetzt, in den Endkampf. Die kommende Konferenz müssen wir in einem von Fremden und Kapitalisten befreiten Staat organisieren!«45 So wurden seine Worte später zitiert. Doch gesagt hatte er in Wirklichkeit etwas anders, nämlich, dass man die gegenwärtige Krise für die Verwirklichung der Revolution ausnützen müsse: »Im Gegensatz zu der Perspektive, für die die imperialistische Bourgeoisie kämpft, nämlich den Krieg mit einem neuen imperialistischen ›Frieden‹ zu beenden, der auf einer neuen Teilung der Welt und einer noch stärkeren Unterdrückung der versklavten Völker beruht, eröffnet sich für die Arbeiterklasse in Verbindung mit den werktätigen Bauern die Perspektive des revolutionären Zusammenbruchs des Imperialismus, die Perspektive neuer Siege des Sozialismus und der Ausmerzung der Wurzeln der imperialistischen Kriege.«46

Im Ergebnis ging die KPJ als »monolithische« Organisation stalinistischen Typs aus der Konferenz hervor, Meinungsvielfalt wurde zum Übelsten vom Üblen erklärt: zum Fraktionismus. Damit auch die Parteiorganisation diese Struktur abbildete, wählte die Basis die höheren Organe nur formal, in Wirklichkeit ernannte der Generalsekretär, also Broz, das ZK, welches wiederum die anderen Parteistrukturen nach unten durchsetzte.47 Die 29 Mitglieder des neuen ZK und die sieben Mitglieder des Politbüros wurden entsprechend einer vorbereiteten Liste bestätigt, wobei aus Gründen der Konspiration weder ihre Klarnamen genannt noch ihre Decknamen angeführt, sondern nur flüchtige Beschreibungen gegeben wurden. Deshalb war später auch schwer zu sagen, wer eigentlich in dieses Gremium hineingekommen war.48 Es waren überwiegend junge Leute in ihren Zwanzigern. Was Tito betraf, so gab es keinen Zweifel, dass ihm die Position des Generalsekretärs zukam, hatte dies doch bereits Moskau so festgelegt.

Es war ein Kollektiv, das in Kameradschaft, Liebe und Pathos verbunden war, um Đilas zu zitieren, wie es für Glaubenssekten in ihren Anfängen kennzeichnend ist.49 »Eine solche illegale Partei, wie es die unsere war«, stellte Edvard Kardelj fest, »hatte es nie zuvor gegeben. […] Wie wir lernten, einander zu vertrauen; du lerntest, Vertrauen zu einem Menschen zu haben, mit dem du im Gefängnis warst, du wusstest, dass er dich nicht verraten wird, und darauf gründete sich das Vertrauen und die Freundschaft, und so durch den Krieg hindurch und weiter. […] Du sitzt friedlich in deinem Haus, weil du dir sicher sein kannst, dass sie bei dir nicht einbrechen werden.«50 Tito pflichtete ihm bei: »Damals zeigte sich, was unsere Partei erreicht hatte, wie ihre Voraussetzungen waren, dass die Handlungsmöglichkeiten enorm waren. Sie hatte ihre Reihen vom Fraktionismus gesäubert, sie hatte ihre Reihen von verschiedenen Ohrenbläsern gesäubert, die Polizeispitzel waren. Das bedeutete aus moralischem Blickwinkel eine große Genugtuung für uns.«51 Nüchterner war das Urteil, das Stane Kavčič über die KPJ fällte: »Tito wurde der wirkliche Führer der Partei, in dem er die verschiedenen theoretischen und politischen Ansätze in ihr liquidierte. Er reduzierte sie auf einen einheitlichen theoretischen und prak tischen Nenner. Er blieb der wachsame Wächter dieses persönlichen Erfolges.«52

Auch in Hinblick auf die Privilegien, die sie ihren Funktionären gewährte, nahm sich die KPJ das sowjetische Modell zum Vorbild. Bis zur Rückkehr von Broz aus Moskau hatte jeder 2 000 Dinar monatlich erhalten, was in etwa einem Lehrergehalt entsprach. Weil aber »Genossen« an verantwortlichen Stellen in der Sowjetunion noch besondere Gratifikationen bekamen, schlug Broz vor, die gleiche Methode auch in Jugoslawien einzuführen. Er hob das Gehalt der Mitglieder des Politbüros um 1 000 Dinar an und verdreifachte das eigene Gehalt. Das Politbüro schenkte ihm auch einen Weinberg in der Nähe Zagrebs, dessen Erträge Broz’ finanzielle Situation noch verbesserten. Er gab sich als der vermögende Ingenieur Slavko Babić aus und kaufte sich an den Hängen Zagrebs eine kleine Villa mit Gartenhaus. Er trug elegante Anzüge und gönnte sich ein Auto der Marke Ford mitsamt Chauffeur, da er zur Aufrechterhaltung seiner Identität nun mal auf großem Fuße leben musste.53


Tito

Подняться наверх