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DER KAMPF GEGEN DAS »PARALLELZENTRUM«

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Gorkićs Verhaftung warf einen langen Schatten auf die KPJ. Die jugoslawischen Kommunisten, vor allem jene in der Sowjetunion, in Frankreich und Spanien, standen unter dem Generalverdacht, ebenfalls Trotzkisten zu sein. Und tatsächlich fanden sich, abgesehen von der russischen, die meisten Trotzkisten in der polnischen und jugoslawischen Partei. Beide gerieten deshalb unter Beschuss, und die polnische KP wurde von der Komintern einfach aufgelöst. Wie Gusti Stridsberg in ihren Erinnerungen erzählt, war es, als wären die Jugoslawen Opfer einer politischen Epidemie geworden. »In erster Linie verhielten sich die deutschen Kommunisten, aber auch andere, ihnen gegenüber so vorsichtig, als wären sie Aussätzige, denen man besser aus dem Weg geht. Sie wurden von vielen politischen Versammlungen ausgeschlossen. […] Immer wieder hörte ich, dass man in Moskau alle Jugoslawen Verhören unterzog, und dass Gorkić die letzten Tage seines Lebens im Gefängnis darauf verwendet hat, mit seinen Aussagen die anderen zu belasten.«172

In diesem Moment allgemeiner Konfusion, als es fraglich war, ob die KPJ überhaupt überleben würde, wurde in Paris mit Unterstützung der KP Frankreichs, aber auch der Komintern, von dem Dalmatiner Ivo Marić und dem Montenegriner Labud Kusovac ein sogenanntes »Parallelzentrum« gegründet. Ersterer war zuständig für die Kontakte mit jugoslawischen Wirtschaftsemigranten im Ausland, der andere vertrat die Partei im Hilfskomitee für das republikanische Spanien, das unter der Schirmherrschaft der französischen Kommunisten stand.

Zunächst boten sie Broz die Mitarbeit an und schlugen ihm vor, gemeinsam die Partei zu führen. Im Gegenzug verlangten sie von ihm, sich von allen zu trennen, die Gorkić in der letzten Zeit in leitende Positionen gebracht hätten, vornehmlich von Kuhar, Čolaković und Žujović. Obwohl Broz Čolaković umgehend mit dem Auftrag nach Spanien schickte, dort politische Kurse für die jugoslawischen Kämpfer zu organisieren, waren Marić und Kusovac noch nicht zufriedengestellt: Broz hatte Kuhar ohne vorherige Billigung durch die Komintern zum Vertreter der KPJ in Paris und zum Redakteur des Parteiorgans Proleter gemacht und auch Žujović nicht seinen Funktionen enthoben.173 Obwohl Marić und Kusovac in der Vergangenheit selbst Verbindungen zu Gorkić hatten, beharrten sie darauf, dass aus der Führung alle entfernt werden müssten, die mit ihm zusammengearbeitet hatten. Das lehnte Broz mit der Begründung ab, dass die erwähnten Genossen vom EKKI in ihre Positionen gebracht worden seien.

Der wahre Grund aber war wohl, dass er die Macht mit niemandem teilen wollte: Er berief sich dabei auf Piecks Anweisungen von Ende Dezember 1936, denen zufolge Gorkić die Partei im Ausland führen solle, er hingegen in der Heimat. Jetzt, wo Gorkić nicht mehr da war, war er der Meinung, für die Gesamtpartei verantwortlich zu sein. Er erklärte, dass er so arbeiten werde, wie er es für angemessen erachte, und dass er zu den Beratungen des Politbüros jene einladen werde, deren Teilnahme er für notwendig erachte. Marić vermutete, dass Broz die Macht bei sich konzentrieren wollte und begann gemeinsam mit Kusovac und dessen Frau Kristina, eine Mitarbeiterin der sowjetischen Geheimpolizei, aktiv gegen ihn zu intrigieren. Sie behaupteten, er agiere eigenmächtig, ohne Mandat des EKKI, was sich auch daran zeige, dass das Exekutivkomitee die KPJ nicht mehr finanziere, und weigerten sich, Broz’ Direktiven zu folgen. Zudem verbündeten sie sich mit Petko Miletić in Sremska Mitrovica, den sie als »Kapital für die Partei« bezeichneten.174 Schließlich beschuldigte ihn Ivan Srebrnjak-Antonov, Agent des NKDW, bei der Erneuerung der Partei auf Mitarbeiter wie Boris Kidrič oder Ivo Lola Ribar zu setzen, die beide aus tiefbürgerlichen Familien stammten, Söhne von Freimaurern seien und im Dienste der jugoslawischen Bourgeoisie stünden. Er wies auch auf das Liebesverhältnis hin, das Broz in Moskau mit einer gewissen Elza, einem Mitglied der KP Deutschlands, unterhalte, die der NKWD in Verdacht habe, für die Gestapo zu arbeiten. Mitarbeiterin der Gestapo sei auch seine Kurierin, die Post aus Paris nach Jugoslawien und zurück bringe (offensichtlich Herta Haas). Aus diesen Gründen sei Broz nicht besser als Gorkić und müsse durch das EKKI zur Verantwortung gezogen werden; und die KPJ gehöre aufgelöst.175

Broz wehrte sich, indem er 1937 seinerseits zum Kampf gegen die ihm übelwollenden »Trotzkisten«, »Faschisten« und »Spitzel« aufrief. In einem Artikel von 1938, der unter dem Titel »Trotzkisten, die Agenten des internationalen Faschismus« im Proleter erschien, schrieb er, dass unter den Jugoslawen viele anständige, doch uninformierte Antifaschisten nicht an die Verbreitung der neuen Pest glaubten: »Sie glauben nicht, dass die Trotzkisten so tief gesunken und heute eine ›gewöhnliche Bande von Spitzeln, Mördern, Diversanten und Agenten der Faschisten‹ sind.« Und Broz rief zu Vorsicht und Wachsamkeit auf: »Mögen auch in Zukunft alle Versuche der trotzkistischen Banditen an der Geschlossenheit, Disziplin und Einheit unserer Partei zerschellen.«176

An der Spitze derer, die er als größte Gefahr für die Geschlossenheit der Partei ansah, stand Petko Miletić. Er meinte in Übereinstimmung mit den Belgrader Genossen zwar, dass man ihn und Moša Pijade im Zuchthaus von Sremska Mitrovica über Gorkićs Sturz informieren müsse, bat sie allerdings um Stillschweigen, um die eingesperrten Genossen nicht zu demoralisieren. Miletić aber pfiff auf die Geheimhaltung und versuchte die Situation zu seinem Vorteil zu nutzen und sich als ihr Retter an die Spitze der Partei zu setzen. Laut Rodoljub Čolaković plante er im November 1937 die Flucht aus dem Gefängnis, um einen außerordentlichen Kongress der KPJ einzuberufen, auf dem die bisherige »opportunistische« Führung durch eine »bolschewistische« ersetzt werden sollte. Seine Anhänger sollen zu diesem Zweck bereits einen Tunnel unter der Gefängnismauer hindurch gegraben haben.

Diese Nachricht versetzte Broz’ junge Folgschaft in Jugoslawien, allen voran Đilas, in große Aufregung, denn die »Popularisierung Petko Miletićs durch seine Anhänger nahm hysterische Formen und ein Ausmaß an, dem sich einfach niemand entgegenstellen konnte«.177 Sofort wurde Ivo Lola Ribar nach Paris geschickt, um Broz über die Gefahr zu informieren. Von Đilas und Ranković, die in der Vergangenheit zwar vorübergehend unter Miletićs Einfluss geraten waren, den »Wahhabismus« aber entsagt hatten, übernahm Broz die Idee, die im Zuchthaus einsitzende Parteiführung mit dem Argument auszuwechseln, dass es sich bei ihnen um eine »fraktionistische« Gruppe handele, die die Einheit der Partei untergrabe. In den ersten Dezembertagen 1937 löste er das Parteikomitee im Gefängnis von Sremska Mitrovica, dem als »Herr der Seelen« Miletić vorsaß, eigenmächtig auf und ernannte Moša Pijade, seinen alten Mentor und Freund aus Lepoglava, zum Kommissar.178

Da Letzterer ein erbitterter Gegner Petkovs war, löste seine Ernennung unter den Zuchthäuslern, die in ihm einen »Banditen, Verräter, Trotzkisten« sahen, aber auch im »Parallelzentrum«, wo man ihn zum Opportunisten erklärte, eine Woge der Empörung aus.179 Trotzdem setzte sich Broz mit seiner Linie durch: Anfang November 1937 berief er eine Sitzung des ZK der KPJ ein, auf der die »gegen die Partei gerichtete Handlungsweise« der Organisation in Sremska Mitrovica verurteilt wurde. Miletić musste seinen Posten als Sekretär des Gefängniskomitees räumen, und zwar unter der Anschuldigung, entgegen der Beschlüsse des VII. Kongress der Komintern zu handeln.

Das »Parallelzentrum« in Paris reagierte mit der Behauptung, dass die Führung der Partei nicht mehr existiere und dass Broz kein Mandat für sein Handeln habe. Zudem versuchte man, einen Keil zwischen Broz und Đilas zu treiben, indem man Letzterem empfahl, in seiner Beziehung zu Tito vorsichtig zu sein und erst einmal zu sehen, »von wo der Wind weht«. Aber ohne Erfolg.180 »Ich weiß nicht, was ich über Železar sagen soll«, lautete Broz’ Kommentar, »aber unserer Partei hat er so großen Schaden zugefügt, dass er entweder ein Trottel oder ein ausgemachter Verräter ist.«181

Im Zuchthaus spielten sich inzwischen wilde Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern Miletićs und den Anhängern Pijades ab. Miletić behauptete etwa, Pijades Anhänger seien Homosexuelle, die versucht hätten ihn zu vergiften, und ähnliches mehr.182 Doch es half nichts, immer mehr Insassen schlugen sich auf Pijades Seite, da sie erkannten, wer der stärkere war.

Ende März 1938 erschien der Vertreter der Komintern, Nicolai Petrowitsch Bogdanow, in Paris und trat mit Kusovac und Marić in Kontakt, während er Broz völlig ignorierte. Darüber war Letzterer ziemlich aufgebracht, war dieses Verhalten doch Zeichen dafür, dass die Sympathien Moskaus sich dem »Parallelzentrum « zuneigten. Dieses hatte bereits aufgehört, den Direktiven des Politbüros zu folgen, und begonnen, eine »neue Garnitur« zu bilden. In dem Bewusstsein, dass er den Kampf für die Einheit der Partei nur in der Heimat gewinnen konnte, entschloss sich Broz zu einem riskanten Schritt. Ohne die Komintern um Erlaubnis zu fragen, setzte er die Führung der Partei in Paris ab und fuhr nach Jugoslawien. In der Praxis der von Moskau abhängigen kommunistischen Parteien war das ein äußerst gewagtes und präzedenzloses Manöver, das Marić dazu bewegte, sich als Sieger in dem Konflikt mit Broz zu sehen. Dabei zeigte Broz mit diesem Schritt zum ersten Mal seine Führungsqualitäten und gab ein deutliches Signal, dass er nicht vorhabe, eine sowjetische Marionette zu bleiben.183

In diesem Sinne ist auch die Proklamation zu verstehen, die das Pariser ZK der KPJ auf seine Initiative hin zum Anschluss Österreichs ans Dritte Reich herausgab. In ihr wurde mehr als je zuvor betont, dass der Kampf gegen die nazistische Gefahr unumgänglich sei und man in diesem Sinne auch mit den jugoslawischen Regierungsparteien zusammenarbeiten müsse. Zum ersten Mal bekannte er sich, mit geradezu patriotischem Feuer, zu dem jugoslawischen Staat: »Völker Jugoslawiens! All ihr, denen Freiheit und Demokratie teuer sind, alle, die ihr eure Heimat und euer Volk liebt, alle patriotischen Staatsbürger, die ihr den faschistischen Eroberern nicht als Knechte dienen wollt, vereinigt euch!«184 Zudem erklärte er, dass man ein für alle Mal mit den Sektierern in der Partei aufräumen müsse und alle »gesunden« Elemente Seit an Seit zu stehen hätten. Das gelang ihm auch teilweise, denn im April fassten die auf einem Kongress in Zagreb versammelten Sozialdemokraten und Gewerkschaftsvertreter den Beschluss, mit den Kommunisten in einer Volksfront gegen den Faschismus zusammenzuarbeiten und auf ihre antisowjetische Propaganda zu verzichten. Dies hatte zur Folge, dass die Vertreter der Partei in der Führung der wichtigsten jugoslawischen Gewerkschaften festen Fuß fassen konnten.185

In dieser Zeit traf sich Broz regelmäßig mit Häftlingen, die aus Sremska Mitrovica entlassen worden waren, um festzustellen, ob sie sich in die Parteiarbeit integrieren ließen, auch wenn sie ehemalige Anhänger Petko Miletićs waren.186 Zudem festigte er seine noch provisorische Führung der Partei auf heimischem Boden, indem er ein neues neunköpfiges Zentralkomitee bestimmte, das auch ohne Bestätigung durch die Komintern seine Arbeit aufnahm. In dieses Gremium berief er vor allem enge Vertraute, mit denen auch Dimitrow einverstanden war, darunter Đilas, Ranković und Kardelj. Bis auf Letzteren waren das Leute, die in Moskau unbekannt waren, sodass Broz zum alleinigen Mittler zwischen der Spitze der KPJ und der Komintern wurde.187

Er unterband Eingriffe in die Parteipolitik aus dem Ausland und schuf einen engeren Austausch zwischen der politischen Führung und den Mitgliedern, was der Partei neuen Schwung verlieh. Die drei regionalen Zentren Belgrad, Zagreb und Ljubljana, die bisher nur gelegentlich über ihre Arbeit berichtet hatten, begannen ihre Aktivitäten aufeinander abzustimmen. Ein Militärkomitee, das von der neuen Führung eingerichtet wurde, hatte die Aufgabe, das Gerüst einer Einsatztruppe zu schaffen. Zu diesem Zweck wurden Kurse für Studenten organisiert, zuerst in Belgrad, danach auch in Slowenien. Daneben entwickelte die Partei eine umfangreiche halblegale Herausgebertätigkeit: Sie publizierte Zeitungen, Bücher und Broschüren, die sich gut verkauften und Geld in die Kassen spülten.188 Broz verlangte, dass sich die Partei selbst finanzieren müsse, um dem Vorwurf zu entgehen, sie seien »bolschewistische Söldner«. Diese Haltung entsprang allerdings auch einer Zwangslage, da Moskau der KPJ ohnehin keine Gelder überwies.

In einem Brief an Dimitrow berichtete Broz am 1. März 1938 von seiner Arbeit und klagte: »Es ist schwer, in dieser stürmischen Zeit ohne jede moralische, politische und materielle Unterstützung von deiner Seite zu arbeiten.« Voller Optimismus setzte er hinzu: »Ich verstehe die ganze Situation und werde bis zur letzten Minute alles versuchen, was möglich ist, damit wir die Firma retten und die Aufgaben erfüllen, die heute vor uns liegen.«189

Dieser Brief blieb nicht ohne Echo: Auf Initiative Dimitrows zirkulierte er unter den wichtigsten Vertretern der Komintern, wo seit Jahresbeginn über die KPJ diskutiert wurde. Das Sekretariat des EKKI hatte zu diesem Zweck am 3. Januar 1938 eine Sonderkommission einberufen, der Pieck, Manuilski und der einflussreiche bulgarische Kommunist Kolarov angehörten. Ihre Aufgabe war es, »die Verhältnisse innerhalb der KPJ zu untersuchen, ihre Kader zu beurteilen und Vorschläge für die Erneuerung der Führung und der Parteiarbeit in der Heimat auszuarbeiten«.190 Trotz der Kritik des Bulgaren Georgi Damjanow (Below), Direktor des Kaderbüros, nach der Broz in der Zeit des Großen Oktobers »vor der Revolution geflohen« sei und dass ihn nach seiner Rückkehr nach Jugoslawien ein »hoher Herr« vor dem Polizeigefängnis und später eine »Absprache mit den Richtern«191 gerettet habe, teilten die Mitglieder der Kommission Dimitrow mit, dass Broz ihrer Meinung nach der geeignetste Mann für die Führung der Partei sei, und empfahlen, ihn nach Moskau zu rufen. »Man kann ihn einladen«, notierte Dimitrow am 26. April 1938 lakonisch auf dem erwähnten Dokument.

Von der Entscheidung in Kenntnis gesetzt reiste Broz im Juni 1938 in der Überzeugung nach Paris, die Ernennung schon in der Tasche zu haben. (Bereits im Mai 1938 stellte er sich seinem künftigen Biografen Vladimir Dedijer, der damals noch studierte, als Sekretär des Zentralkomitees vor.192) Er war überzeugt, nur kurze Zeit in Frankreich bleiben zu müssen, aber zu seinem Verdruss ließ das Visum für die Weiterreise in die Sowjetunion auf sich warten. Broz befürchtete, dass die Komplikation mit den Papieren auf Intrigen seiner Feinde zurückzuführen war. Und tatsächlich waren Marić und Kusovac weiterhin höchst aktiv und behaupteten, Broz sei Gorkićs Mann gewesen, setze dessen trotzkistische Politik fort und würde sich selbst nicht von jenen Leuten aus dem alten Apparat trennen, die mit der Polizei zusammenarbeiteten oder dessen zumindest verdächtig seien.193 Sie verbreiteten Gerüchte, dass in der Partei »ein wahrer Zirkus« herrsche, dass ein Zentralkomitee überhaupt nicht existiere, dass die Komintern nur ihnen vertraue und das »Georgij« ihnen bald das Mandat zur Führung der Partei übertragen werde.194

Zu allem Überfluss drohte Broz eine Verhaftung infolge verschärfter Polizeikontrollen im Zusammenhang mit dem Staatsbesuch des britischen Königs Georg VI. in Paris. Unter dem Einfluss des »Parallelzentrums« weigerten sich die französischen Genossen, für ihn eine konspirative Wohnung zu finden, sondern hatten im Gegenteil jeden Kontakt mit ihm abgebrochen.195

In dieser schwierigen Situation kam ihm der Slowene Josip Kopinič-Vokšin zu Hilfe, den Broz schon seit 1935 aus Moskau von der Kommunistischen Universität der nationalen Minderheiten des Westens her kannte, einer Einrichtung für nichtrussische Parteikader im europäischen Teil der Sowjetunion und für Emigranten aus Mitteleuropa, Skandinavien und vom Balkan. Broz war hier Kopiničs Dozent gewesen. Sie sollen auch wegen gemeinsamer Weibergeschichten befreundet gewesen sein. Kopinič war ein rätselhafter und umtriebiger Mensch: Noch während seiner Dienstzeit als Unteroffizier in der königlichen Kriegsmarine war er Mitglied der KPJ geworden und hatte dreizehn Parteizellen gegründet.196 Als ihm zu Ohren kam, dass man ihn verhaften wolle, war er 1934 nach Moskau geflohen, wo er Mitarbeiter der sowjetischen Nachrichtendienste wurde. In Spanien hatte er zu den ersten fünf Ausländern gehört, die kaum einen Monat nach Beginn des Bürgerkriegs der Republik zu Hilfe gekommen waren, und sich als heldenhafter Kämpfer einen Namen gemacht. Unter anderem hatte er auf einem Unterseeboot zuerst im Atlantik, danach im Mittelmeer gegen Francos Kriegsflotte gekämpft. Weil es ihm dabei gelungen war, die Blockade bei Gibraltar zu durchbrechen, stieg er in der spanischen republikanischen Armee unter allen Jugoslawen in den höchsten Rang auf. Er wurde Fregattenkapitän und wurde zum Mitglied der spanischen Militärmission in Paris ernannt.197 Deshalb genoss er innerhalb der internationalen Linken großes Ansehen und hatte Verbindungen zu höchsten Kreisen. Mit Hilfe seiner Kontakte besorgte Kopinič für Broz eine Unterkunft im Schloss eines Marquis, des Militärattachés an der Botschaft der spanischen Republik in Frankreich, an der er auch selbst arbeitete.

Er versprach ihm, sich auch in Moskau für ihn einzusetzen. Broz gab ihm einen Brief für Dimitrow mit auf den Weg. Es handelte sich um den verzweifelten Appell, »Genosse Georg« möge doch etwas zur »Rettung meiner Familie« unternehmen.198

Kopinič überbrachte den Brief, versah ihn aber noch mit einem eigenen Anschreiben, das mit den Worten endete: »Ich wende mich an Sie wie ein Sohn an seinen Vater und bitte Sie, mir die Fragen des Genossen Walter zu beantworten. […] Sie sind meine letzte Hoffnung, denn alle anderen, die ich frage, was unternommen wurde, antworten mir, dass es besser sei, nicht zu viel zu fragen.«199

Doch Dimitrow antwortete, dass er nicht mehr tun könne, als Kopinič den Rat zu geben, sich an die Kaderabteilung des EKKI zu wenden, die das Kontrollorgan der gesamten Organisation bildete. Damjanow (Below), ihr Leiter, empfing Kopinič zwar, gab ihm aber zu verstehen, dass er nicht helfen könne: »Gegen Walter [Broz] laufen Ermittlungen, und solange die nicht abgeschlossen sind, kann ich nicht intervenieren.« Kopinič ließ aber nicht locker, kehrte zu Dimitrow zurück und schlug ihm vor, man solle Broz erlauben nach Moskau zu kommen, damit er sich selbst verteidigen könne. Dieses Mal schickte ihn Dimitrow zu Božidar Maslarić-Andreev, dem Stellvertreter Manuilskis, der Kopinič noch aus Spanien gut kannte.

Der war etwas gesprächiger und erläuterte, um was für Anschuldigungen es sich handelte. Es waren die üblichen Verdächtigungen: Broz stehe direkt oder indirekt im Dienste der jugoslawischen Polizei und der Gestapo. Die Komintern finanziere die Presse der KPJ nicht, woher stammten dann die Gelder, wenn nicht von der jugoslawischen Polizei? Ivo Lola Ribar und Boris Kidrič seien Söhne von Kapitalisten, also Polizeiagenten und Provokateure. Schlimmer noch, Ribars Vater, ein bekannter Freimaurer, sei Präsident des Belgrader Parlaments gewesen, als die Obznana beschlossen wurde, ein Gesetz, mit dem die Behörden die KP in die Illegalität gezwungen hätten. Um gar nicht von Herta Haas zu reden, die eine Deutsche und ein Gestapospitzel sei. Was völlig hinreiche für die Lubjanka oder ein Erschießungskommando. Doch letztlich zahlte sich die Hartnäckigkeit Kopiničs, dem Maslarić sogar den Posten des Generalsekretärs der KPJ anbot, aus. Broz wurde erlaubt, nach Moskau zu kommen und zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen.200


Tito

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