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7Das Problem: Monolog statt Dialog
ОглавлениеAls die ketzerische Bevölkerung von Rimini keine Lust zeigte, den Predigten des Heiligen Antonius zu lauschen, begab sich dieser zum Strand und sprach zu den Fischen. Als er sie rief, schwammen sie in dichten Schwärmen herbei und sie blieben, bis er ihnen den Segen erteilte.64
Dagegen, dass Antonius seine Redebegabung auch der Tierwelt zuteil kommen ließ, ist natürlich nichts einzuwenden. Für die Fische in der Adria war es sicher eine willkommene Abwechslung und es wird ihnen nicht geschadet haben. Merkwürdig ist, dass dieses Wunder die verstockten Leute von Rimini dazu animierte, sich ebenfalls an den Strand zu begeben, vor dem Prediger auf die Knie zu gehen und ihm ebenso brav zuzuhören.
Dabei war die Situation so einseitig, wie es nur geht: Einer sprach, die anderen hörten stumm zu – wie die sprichwörtlichen Fische eben. Antonius schien sich auch nicht dafür zu interessieren, was die Tiere zum Thema beizutragen hatten. Ihm genügte, dass sie alle zu ihm hinsahen und sich dabei, wie die Zeitzeugen versichern, verneigten.
Aber das Volk war beeindruckt. Und so ist es immer wieder. Reden, die in extremer Weise so angelegt sind, dass einer spricht und die anderen den Mund halten, haben große Anziehungskraft und werden für ihre vermeintliche Wirkung gelobt. Monolog in Reinkultur ist die Grundform öffentlicher Rede und steht weitherum in hohem Ansehen. Menschen, die ein großes Publikum anziehen und überzeugen, werden verehrt – oft, ohne dass ihre Botschaft oder ihre Argumente überprüft würden. Diese Verherrlichung des Monologs kann man den Fischen des Heiligen Antonius nicht vorwerfen, aber von den Ketzern aus Rimini (die ansonsten ganz vernünftige Ansichten hatten) hätte ich mehr erhofft.
Monologisches Vorgehen widerspricht den meisten Redezielen, zumindest überall da, wo Redner und Publikum gemeinsam ein Ziel erreichen sollen. Reden des Informierens, des Lehrens, des Zeigens, des Vorführens, des Motivierens sind effektiver, wenn sie einen möglichst hohen Anteil an dialogischen Elementen haben. Zudem machen sie es auch den Rednern leichter. Deshalb führt der Weg vom reinen Dozieren, Präsentieren, Vorführen zu einer ansprechenden, zum Mitreden auffordernden, dialogischen Rede.